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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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auf, wenn nicht der Form, so doch dem Wesen mich ständische Grundlagen zu¬
rückzuführen, theils mit bureaukratischen Elementen zu versetzen. Ueber das
Mehr oder Minder des Antheils konnte man sich nicht vereinigen, und der
größte Stein des Anstoßes war die Beschaffenheit der ersten Kammer, die mit
dem 7. Ang. 18!iÄ. "ach der Verfassung in Kraft treten sollte. Die Regierung
wollte sie abändern, und i" ihr einen gouvernementalen Conservatismus repräsen-
tirt, das Junkerthum den ritterschaftlichen, der in ihr vorhanden, erhalten wissen.
Die ritterschaftlichc Partei tauschte sich darüber nicht, daß, brächte man selbst die
Ständeeintheilnng in die zweite Kammer zurück, sie darin unmöglich ein solches
Uebergewicht erlangen könne, als in der ersten, wo sie wahrscheinlich "/^ der erb¬
lichen "ut mindestens der neunzig Vertreter der Höchstbestenertcn für sich
haben würde. Sie war deshalb der Umänderung im Allgemeinen sehr abgeneigt,
vor Allem aber, ehe sie einen sichern Ersatz in der zweiten Kammer dafür hätte.
Die Negierung, vielleicht überhaupt außer Stande, ihr diesen Ersatz in dem bean¬
spruchten Maße zu bieten, wollte keinenfalls die Jnnkerpartei anch "och in der
zweiten Kammer ansehnlich verstärken, ehe dieselbe ihren Platz in der ersten abge¬
treten hatte. Mit einem Wort, trotz aller Complimente "ut Zärtlichkeiten, mit
denen die ritterschaftlichen Chefs und das Ministerium sich in den Kammern über¬
schütteten, traute man sich nicht ganz, und dieser Zustand ist noch hente vorhanden.
Die Regierung will, -- das hat sich deutlich herausgestellt -- nicht eher an die
Revision des Wahlgesetzes der zweiten Kammer gehen, als bis die erste in ihrem
Sinne revidirt ist, und die Jnnkerpartei will nicht eher in eine Revision der
ersten Kammer willigen, als bis sie die Garantie hat, genügenden Ersatz für das,
was sie damit verliert, in der Abänderung der zweiten zu finden. Dieses sehr
heikelige Dilemma machte der constitutionellen Partei eine sehr günstige Lage.
Die vereinten Kräfte der Gegner waren ihr zu stark, sie konnte nur in bereu
Spaltung die Aussicht eines erfolgreichen Widerstandes erblicken.

Es wäre müssig darüber zu streiten, ob die Regierung, ob das Junker¬
thum dem konstitutionellen System mehr entgegen ist. Ließe sich dies im
Allgemeinen entscheide", so wäre diese Entscheidung trotzdem unnütz. Ob, bricht
ein Zwiespalt zwischen beiden aus, die constitutionelle Partei sich ans diese oder
jene Seite werfen soll, kann nnr die Beschaffenheit des jedesmaligen Falles be¬
stimmen. In dem vorliegenden aber liegen die Dinge so, daß, leihen die Con-
stitutionellen ihre Stimmen der Regierung, sie das einzige Hinderniß, das der
Umbildung der zweiten Kammer im Wege steht, hinwegräumen, verbinden sie sich
mit der ritterschaftlichen Rechten, sie die Situation aufrecht erhalten, welche die
Neste der Repräsentativverfassung schützt. Darüber scheint es doch kaum möglich,
sich zu täuschen, daß die Regierung, hat sie die Aenderung der ersten Kammer
durchgesetzt, ohne Säumen an die der zweiten gehen wird, die ihr sell'se erwünscht
ist, und die sie dann um so mehr beschleunigen muß, als sie nnr dadurch ihren


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auf, wenn nicht der Form, so doch dem Wesen mich ständische Grundlagen zu¬
rückzuführen, theils mit bureaukratischen Elementen zu versetzen. Ueber das
Mehr oder Minder des Antheils konnte man sich nicht vereinigen, und der
größte Stein des Anstoßes war die Beschaffenheit der ersten Kammer, die mit
dem 7. Ang. 18!iÄ. „ach der Verfassung in Kraft treten sollte. Die Regierung
wollte sie abändern, und i» ihr einen gouvernementalen Conservatismus repräsen-
tirt, das Junkerthum den ritterschaftlichen, der in ihr vorhanden, erhalten wissen.
Die ritterschaftlichc Partei tauschte sich darüber nicht, daß, brächte man selbst die
Ständeeintheilnng in die zweite Kammer zurück, sie darin unmöglich ein solches
Uebergewicht erlangen könne, als in der ersten, wo sie wahrscheinlich "/^ der erb¬
lichen »ut mindestens der neunzig Vertreter der Höchstbestenertcn für sich
haben würde. Sie war deshalb der Umänderung im Allgemeinen sehr abgeneigt,
vor Allem aber, ehe sie einen sichern Ersatz in der zweiten Kammer dafür hätte.
Die Negierung, vielleicht überhaupt außer Stande, ihr diesen Ersatz in dem bean¬
spruchten Maße zu bieten, wollte keinenfalls die Jnnkerpartei anch »och in der
zweiten Kammer ansehnlich verstärken, ehe dieselbe ihren Platz in der ersten abge¬
treten hatte. Mit einem Wort, trotz aller Complimente »ut Zärtlichkeiten, mit
denen die ritterschaftlichen Chefs und das Ministerium sich in den Kammern über¬
schütteten, traute man sich nicht ganz, und dieser Zustand ist noch hente vorhanden.
Die Regierung will, — das hat sich deutlich herausgestellt — nicht eher an die
Revision des Wahlgesetzes der zweiten Kammer gehen, als bis die erste in ihrem
Sinne revidirt ist, und die Jnnkerpartei will nicht eher in eine Revision der
ersten Kammer willigen, als bis sie die Garantie hat, genügenden Ersatz für das,
was sie damit verliert, in der Abänderung der zweiten zu finden. Dieses sehr
heikelige Dilemma machte der constitutionellen Partei eine sehr günstige Lage.
Die vereinten Kräfte der Gegner waren ihr zu stark, sie konnte nur in bereu
Spaltung die Aussicht eines erfolgreichen Widerstandes erblicken.

Es wäre müssig darüber zu streiten, ob die Regierung, ob das Junker¬
thum dem konstitutionellen System mehr entgegen ist. Ließe sich dies im
Allgemeinen entscheide», so wäre diese Entscheidung trotzdem unnütz. Ob, bricht
ein Zwiespalt zwischen beiden aus, die constitutionelle Partei sich ans diese oder
jene Seite werfen soll, kann nnr die Beschaffenheit des jedesmaligen Falles be¬
stimmen. In dem vorliegenden aber liegen die Dinge so, daß, leihen die Con-
stitutionellen ihre Stimmen der Regierung, sie das einzige Hinderniß, das der
Umbildung der zweiten Kammer im Wege steht, hinwegräumen, verbinden sie sich
mit der ritterschaftlichen Rechten, sie die Situation aufrecht erhalten, welche die
Neste der Repräsentativverfassung schützt. Darüber scheint es doch kaum möglich,
sich zu täuschen, daß die Regierung, hat sie die Aenderung der ersten Kammer
durchgesetzt, ohne Säumen an die der zweiten gehen wird, die ihr sell'se erwünscht
ist, und die sie dann um so mehr beschleunigen muß, als sie nnr dadurch ihren


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[0395] auf, wenn nicht der Form, so doch dem Wesen mich ständische Grundlagen zu¬ rückzuführen, theils mit bureaukratischen Elementen zu versetzen. Ueber das Mehr oder Minder des Antheils konnte man sich nicht vereinigen, und der größte Stein des Anstoßes war die Beschaffenheit der ersten Kammer, die mit dem 7. Ang. 18!iÄ. „ach der Verfassung in Kraft treten sollte. Die Regierung wollte sie abändern, und i» ihr einen gouvernementalen Conservatismus repräsen- tirt, das Junkerthum den ritterschaftlichen, der in ihr vorhanden, erhalten wissen. Die ritterschaftlichc Partei tauschte sich darüber nicht, daß, brächte man selbst die Ständeeintheilnng in die zweite Kammer zurück, sie darin unmöglich ein solches Uebergewicht erlangen könne, als in der ersten, wo sie wahrscheinlich "/^ der erb¬ lichen »ut mindestens der neunzig Vertreter der Höchstbestenertcn für sich haben würde. Sie war deshalb der Umänderung im Allgemeinen sehr abgeneigt, vor Allem aber, ehe sie einen sichern Ersatz in der zweiten Kammer dafür hätte. Die Negierung, vielleicht überhaupt außer Stande, ihr diesen Ersatz in dem bean¬ spruchten Maße zu bieten, wollte keinenfalls die Jnnkerpartei anch »och in der zweiten Kammer ansehnlich verstärken, ehe dieselbe ihren Platz in der ersten abge¬ treten hatte. Mit einem Wort, trotz aller Complimente »ut Zärtlichkeiten, mit denen die ritterschaftlichen Chefs und das Ministerium sich in den Kammern über¬ schütteten, traute man sich nicht ganz, und dieser Zustand ist noch hente vorhanden. Die Regierung will, — das hat sich deutlich herausgestellt — nicht eher an die Revision des Wahlgesetzes der zweiten Kammer gehen, als bis die erste in ihrem Sinne revidirt ist, und die Jnnkerpartei will nicht eher in eine Revision der ersten Kammer willigen, als bis sie die Garantie hat, genügenden Ersatz für das, was sie damit verliert, in der Abänderung der zweiten zu finden. Dieses sehr heikelige Dilemma machte der constitutionellen Partei eine sehr günstige Lage. Die vereinten Kräfte der Gegner waren ihr zu stark, sie konnte nur in bereu Spaltung die Aussicht eines erfolgreichen Widerstandes erblicken. Es wäre müssig darüber zu streiten, ob die Regierung, ob das Junker¬ thum dem konstitutionellen System mehr entgegen ist. Ließe sich dies im Allgemeinen entscheide», so wäre diese Entscheidung trotzdem unnütz. Ob, bricht ein Zwiespalt zwischen beiden aus, die constitutionelle Partei sich ans diese oder jene Seite werfen soll, kann nnr die Beschaffenheit des jedesmaligen Falles be¬ stimmen. In dem vorliegenden aber liegen die Dinge so, daß, leihen die Con- stitutionellen ihre Stimmen der Regierung, sie das einzige Hinderniß, das der Umbildung der zweiten Kammer im Wege steht, hinwegräumen, verbinden sie sich mit der ritterschaftlichen Rechten, sie die Situation aufrecht erhalten, welche die Neste der Repräsentativverfassung schützt. Darüber scheint es doch kaum möglich, sich zu täuschen, daß die Regierung, hat sie die Aenderung der ersten Kammer durchgesetzt, ohne Säumen an die der zweiten gehen wird, die ihr sell'se erwünscht ist, und die sie dann um so mehr beschleunigen muß, als sie nnr dadurch ihren S9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/395>, abgerufen am 24.07.2024.