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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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der Eröffnung der Nationalversammlung vorhergegangen waren, hatte er bald den
Einfluß einiger Unruhestifter, bald die wachsende Volksthümlichkeit Ledrn Nollin's
an die Stelle seiner eigenen treten sehen; diese unfruchtbaren Strömungen der
Meinung betrübten ihn zwar, aber nichts in denselben schien ihm bedenklich sür
die Freiheit zu sein. Die vrlcauistischcn, legitimistischen und klerikalen Tendenzen,
welche sich in der Nationalversammlung zeigten, konnten in seinen Augen auch
nur eine oberflächliche Bewegung hervorbringen, aber so wie er den Namen Bonaparte
"euren gehört, warnte ihn sein großer politischer Instinkt; er fühlte, daß die
Republik, so wie er sie verstanden, bedroht sei. ') Er hatte übrigens uicht erst
die Revolution von 1848 abgewartet, um mit erstaunlichem Scharfsinn deu Zauber
vorherzusehen und vorherzusagen, welchen der Schatten Napoleon's aus der Tiefe
seines Grabes eines Tages ans Frankreich ausüben müsse. Im Jahre 18i0 bei
der Verhandlung über Nückbringnng der sterblichen Ueberreste Napoleon's sehen
wir Lamartine mit Kraft sich gegen das ministerielle Project erheben. Er wagt
es, der UnvolkSthümlichkeit zu trotzen, indem er einen Vorschlag bekämpft, welchen
Odilon Barrot vertheidigt, und welchen die öffentliche Gunst unterstützt. In einer
Rede, welche, was Erhabenheit philosophischer Ansichten betrifft, vielleicht die
schönste ist, die ans seinem beredten Munde kam, zeigt er die Gefahr dieses
Cultus der Gewalt, welchen man im Geiste der Nation dem erusten
Cultus der Freiheit unterschieden will. Er protestirt gegen diese,
von der Negierung selbst veranlaßte Bewegung der Gefühle der
Massen, gegen diese volkstümlichen Schauspiele, Erzählungen
und Publicationen, gegen diese Indemnitätsbill für den glücklichen
Despotiöm us.

Er fügt hinzu, daß hierin eine große Gefahr liege, uicht blos
für deu öffentlichen Geist, sondern auch für die konstitutionelle Mon¬
archie. Indem er später die verschiedenen Plätze prüfte, welche man zur Errich¬
tung eines Monumentes vorgeschlagen, spricht er sich für das Marsfeld ans, um
ja genau festzusetzen, daß man das Denkmal dem großen Feldherrn und uicht
dem Fürsten stelle. Er beantragt als Inschrift, welche zugleich der Begeisterung
und der Klugheit entspricht: Napoleon -- allein.

"Dieses Epitaph" sagt er "wird den künftigem und gegenwärtigen Genera¬
tionen beweisen, daß Frankreich aus der Asche Napoleon's weder den Krieg noch
die Tyrannei, noch Legitimitäten und Prätendenten, noch auch Nachahmer auf¬
erstehen sehen will."

Als Herr von Lamartine, kaum acht Jahre uach diesen prophetischen Worte",
dieselben der Verwirklichung nahe gesehen; als er diese von ihm prophezeite



Der große politische Instinkt Lamartine's ist wol blos in dem wohlwollende" Urtheile
Anmerk. d. Berichterstatters, unsres Verfassers zu finden.
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der Eröffnung der Nationalversammlung vorhergegangen waren, hatte er bald den
Einfluß einiger Unruhestifter, bald die wachsende Volksthümlichkeit Ledrn Nollin's
an die Stelle seiner eigenen treten sehen; diese unfruchtbaren Strömungen der
Meinung betrübten ihn zwar, aber nichts in denselben schien ihm bedenklich sür
die Freiheit zu sein. Die vrlcauistischcn, legitimistischen und klerikalen Tendenzen,
welche sich in der Nationalversammlung zeigten, konnten in seinen Augen auch
nur eine oberflächliche Bewegung hervorbringen, aber so wie er den Namen Bonaparte
«euren gehört, warnte ihn sein großer politischer Instinkt; er fühlte, daß die
Republik, so wie er sie verstanden, bedroht sei. ') Er hatte übrigens uicht erst
die Revolution von 1848 abgewartet, um mit erstaunlichem Scharfsinn deu Zauber
vorherzusehen und vorherzusagen, welchen der Schatten Napoleon's aus der Tiefe
seines Grabes eines Tages ans Frankreich ausüben müsse. Im Jahre 18i0 bei
der Verhandlung über Nückbringnng der sterblichen Ueberreste Napoleon's sehen
wir Lamartine mit Kraft sich gegen das ministerielle Project erheben. Er wagt
es, der UnvolkSthümlichkeit zu trotzen, indem er einen Vorschlag bekämpft, welchen
Odilon Barrot vertheidigt, und welchen die öffentliche Gunst unterstützt. In einer
Rede, welche, was Erhabenheit philosophischer Ansichten betrifft, vielleicht die
schönste ist, die ans seinem beredten Munde kam, zeigt er die Gefahr dieses
Cultus der Gewalt, welchen man im Geiste der Nation dem erusten
Cultus der Freiheit unterschieden will. Er protestirt gegen diese,
von der Negierung selbst veranlaßte Bewegung der Gefühle der
Massen, gegen diese volkstümlichen Schauspiele, Erzählungen
und Publicationen, gegen diese Indemnitätsbill für den glücklichen
Despotiöm us.

Er fügt hinzu, daß hierin eine große Gefahr liege, uicht blos
für deu öffentlichen Geist, sondern auch für die konstitutionelle Mon¬
archie. Indem er später die verschiedenen Plätze prüfte, welche man zur Errich¬
tung eines Monumentes vorgeschlagen, spricht er sich für das Marsfeld ans, um
ja genau festzusetzen, daß man das Denkmal dem großen Feldherrn und uicht
dem Fürsten stelle. Er beantragt als Inschrift, welche zugleich der Begeisterung
und der Klugheit entspricht: Napoleon — allein.

„Dieses Epitaph" sagt er „wird den künftigem und gegenwärtigen Genera¬
tionen beweisen, daß Frankreich aus der Asche Napoleon's weder den Krieg noch
die Tyrannei, noch Legitimitäten und Prätendenten, noch auch Nachahmer auf¬
erstehen sehen will."

Als Herr von Lamartine, kaum acht Jahre uach diesen prophetischen Worte«,
dieselben der Verwirklichung nahe gesehen; als er diese von ihm prophezeite



Der große politische Instinkt Lamartine's ist wol blos in dem wohlwollende» Urtheile
Anmerk. d. Berichterstatters, unsres Verfassers zu finden.
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[0387] der Eröffnung der Nationalversammlung vorhergegangen waren, hatte er bald den Einfluß einiger Unruhestifter, bald die wachsende Volksthümlichkeit Ledrn Nollin's an die Stelle seiner eigenen treten sehen; diese unfruchtbaren Strömungen der Meinung betrübten ihn zwar, aber nichts in denselben schien ihm bedenklich sür die Freiheit zu sein. Die vrlcauistischcn, legitimistischen und klerikalen Tendenzen, welche sich in der Nationalversammlung zeigten, konnten in seinen Augen auch nur eine oberflächliche Bewegung hervorbringen, aber so wie er den Namen Bonaparte «euren gehört, warnte ihn sein großer politischer Instinkt; er fühlte, daß die Republik, so wie er sie verstanden, bedroht sei. ') Er hatte übrigens uicht erst die Revolution von 1848 abgewartet, um mit erstaunlichem Scharfsinn deu Zauber vorherzusehen und vorherzusagen, welchen der Schatten Napoleon's aus der Tiefe seines Grabes eines Tages ans Frankreich ausüben müsse. Im Jahre 18i0 bei der Verhandlung über Nückbringnng der sterblichen Ueberreste Napoleon's sehen wir Lamartine mit Kraft sich gegen das ministerielle Project erheben. Er wagt es, der UnvolkSthümlichkeit zu trotzen, indem er einen Vorschlag bekämpft, welchen Odilon Barrot vertheidigt, und welchen die öffentliche Gunst unterstützt. In einer Rede, welche, was Erhabenheit philosophischer Ansichten betrifft, vielleicht die schönste ist, die ans seinem beredten Munde kam, zeigt er die Gefahr dieses Cultus der Gewalt, welchen man im Geiste der Nation dem erusten Cultus der Freiheit unterschieden will. Er protestirt gegen diese, von der Negierung selbst veranlaßte Bewegung der Gefühle der Massen, gegen diese volkstümlichen Schauspiele, Erzählungen und Publicationen, gegen diese Indemnitätsbill für den glücklichen Despotiöm us. Er fügt hinzu, daß hierin eine große Gefahr liege, uicht blos für deu öffentlichen Geist, sondern auch für die konstitutionelle Mon¬ archie. Indem er später die verschiedenen Plätze prüfte, welche man zur Errich¬ tung eines Monumentes vorgeschlagen, spricht er sich für das Marsfeld ans, um ja genau festzusetzen, daß man das Denkmal dem großen Feldherrn und uicht dem Fürsten stelle. Er beantragt als Inschrift, welche zugleich der Begeisterung und der Klugheit entspricht: Napoleon — allein. „Dieses Epitaph" sagt er „wird den künftigem und gegenwärtigen Genera¬ tionen beweisen, daß Frankreich aus der Asche Napoleon's weder den Krieg noch die Tyrannei, noch Legitimitäten und Prätendenten, noch auch Nachahmer auf¬ erstehen sehen will." Als Herr von Lamartine, kaum acht Jahre uach diesen prophetischen Worte«, dieselben der Verwirklichung nahe gesehen; als er diese von ihm prophezeite Der große politische Instinkt Lamartine's ist wol blos in dem wohlwollende» Urtheile Anmerk. d. Berichterstatters, unsres Verfassers zu finden. 48*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/387>, abgerufen am 29.12.2024.