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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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sondern mich bei seine" zahlreichen Standbildern u. s. w., daß man manchmal ganz
erstaunt sein mußte, wie solche geschleuderte Fabrikarbeit jemals für große Kunst¬
werke ausgegeben werden konnte, zu einer Zeit, wo denn doch Thorwaldsen und
Rauch schon vollendete Meisterwerke schufen, wenn man nicht bei den meisten doch
jenen großen dekorativen Sinn, jene Fähigkeit leichter und glänzender Auffassung
bemerkte, der sie meist von weitem immer noch nach etwas Großem und Schönem
aussehen läßt, während man erst bei näherem Hinzutreten die obberührten Fehler be¬
merkt.-- Wirklich verdienstvoll fand ich anch diesmal seine 1 i Standbilder bayerischer
Fürsten im Thrvnsaal der Residenz und einige andere Bearbeitungen mittelalter¬
licher Stoffe, -- wie z. B. die czechischen Fürsten, die eine große Lebendigkeit
haben. Auch die kolossale Bavaria, obwohl etwas plump von Formen, zeugt
doch von Geist und Geschmack. Eigentlich Vollendetes aber, was man neben die
Werke eines Rauch, Rietschel, Hähnel u. A. oder gar gegen die mittelalterlichen
eines Ghiberti, Luca della Rvbbia u> A. halten konnte, hat er nie gemacht. Bernini,
mit dem er nicht im Styl, aber im Charakter des Producirens viel Aehnlichkeit
hat, ist ihm in technischer Meisterschaft unendlich überlegen, das Nackte an seineu
Figuren ist meist stumpf und todt, von Naturstudien, von Individualisirung kaum
eine Spur, wie denn auch der Gebrauch eines Modells im große" Schwanthaler-
schen Atelier fast unter die Seltenheiten gehörte, die Gewänder sind meist roh,
es fehlt selbst das Verdienst der Mamerirtheit, die doch scho" eine mehr oder
minder geistreiche Bewältigung des Stoffes voraussehe. -- Begreiflich ist, daß
eine solche Schule keine sonderlich günstige" Wirkungen äußern konnte, um so
mehr als die Münchner Architekten von Anwendung der Sculptur zur Hebung
und Bildung der Architektur keineswegs einen sehr glücklichen Gebrauch zu machen
wußten, selten oder nie das Wirksamste, Figuren in freier Luft auf der Höhe
der Gebäude anbrachte", sondern meist mit Verdauung derselben in Nischen
oder an Portale als Thürsteher u. tgi. sich begnügten, damit die Monotonie
ihrer Linien ja nicht etwa unterbrochen werde. --

Man tan" daher auch de" Arbeite" von Halbig, Bnigger, Widema"" ". s. w.
die jetzt die Bildhauerei Münchens repräsentiren, noch immer mehr oder weniger
jene Gewöhnung eines nicht hinlänglich feinen Naturstudiums, einer zu wenig
sorgfältigen Durchführung ansehen, die das Kennzeichen der Schule ist; indessen
das Bestreben, sich von diese" Fehlern loszumachen, tritt doch unverkennbar hervor,
und dürfen in dieser Beziehung viele ihrer Arbeite" als el" unverkennbarer Fort¬
schritt gegen die Schwanthalcr'schen bezeichnet werden. Eine wohlthuende Er¬
scheinung "eben der Lieblosigkeit der letzteren machen anch die Arbeiten Eberhard's,
jenes herrlichen, zu wenig gewürdigten Künstlers, dem man Werke verdankt, die
an liebenswürdiger Naivetät, an seelenvoller Frömmigkeit des Ausdrucks, an Ernst
und Tiefe mit Luca della Robbia und Verochiv wetteifern können; ich kenne eine
kleine Madonna von ihn,, die zu dem Schönsten gehört, was mir in dieser Art


sondern mich bei seine» zahlreichen Standbildern u. s. w., daß man manchmal ganz
erstaunt sein mußte, wie solche geschleuderte Fabrikarbeit jemals für große Kunst¬
werke ausgegeben werden konnte, zu einer Zeit, wo denn doch Thorwaldsen und
Rauch schon vollendete Meisterwerke schufen, wenn man nicht bei den meisten doch
jenen großen dekorativen Sinn, jene Fähigkeit leichter und glänzender Auffassung
bemerkte, der sie meist von weitem immer noch nach etwas Großem und Schönem
aussehen läßt, während man erst bei näherem Hinzutreten die obberührten Fehler be¬
merkt.— Wirklich verdienstvoll fand ich anch diesmal seine 1 i Standbilder bayerischer
Fürsten im Thrvnsaal der Residenz und einige andere Bearbeitungen mittelalter¬
licher Stoffe, — wie z. B. die czechischen Fürsten, die eine große Lebendigkeit
haben. Auch die kolossale Bavaria, obwohl etwas plump von Formen, zeugt
doch von Geist und Geschmack. Eigentlich Vollendetes aber, was man neben die
Werke eines Rauch, Rietschel, Hähnel u. A. oder gar gegen die mittelalterlichen
eines Ghiberti, Luca della Rvbbia u> A. halten konnte, hat er nie gemacht. Bernini,
mit dem er nicht im Styl, aber im Charakter des Producirens viel Aehnlichkeit
hat, ist ihm in technischer Meisterschaft unendlich überlegen, das Nackte an seineu
Figuren ist meist stumpf und todt, von Naturstudien, von Individualisirung kaum
eine Spur, wie denn auch der Gebrauch eines Modells im große» Schwanthaler-
schen Atelier fast unter die Seltenheiten gehörte, die Gewänder sind meist roh,
es fehlt selbst das Verdienst der Mamerirtheit, die doch scho» eine mehr oder
minder geistreiche Bewältigung des Stoffes voraussehe. — Begreiflich ist, daß
eine solche Schule keine sonderlich günstige» Wirkungen äußern konnte, um so
mehr als die Münchner Architekten von Anwendung der Sculptur zur Hebung
und Bildung der Architektur keineswegs einen sehr glücklichen Gebrauch zu machen
wußten, selten oder nie das Wirksamste, Figuren in freier Luft auf der Höhe
der Gebäude anbrachte», sondern meist mit Verdauung derselben in Nischen
oder an Portale als Thürsteher u. tgi. sich begnügten, damit die Monotonie
ihrer Linien ja nicht etwa unterbrochen werde. —

Man tan» daher auch de» Arbeite» von Halbig, Bnigger, Widema»» ». s. w.
die jetzt die Bildhauerei Münchens repräsentiren, noch immer mehr oder weniger
jene Gewöhnung eines nicht hinlänglich feinen Naturstudiums, einer zu wenig
sorgfältigen Durchführung ansehen, die das Kennzeichen der Schule ist; indessen
das Bestreben, sich von diese» Fehlern loszumachen, tritt doch unverkennbar hervor,
und dürfen in dieser Beziehung viele ihrer Arbeite» als el» unverkennbarer Fort¬
schritt gegen die Schwanthalcr'schen bezeichnet werden. Eine wohlthuende Er¬
scheinung »eben der Lieblosigkeit der letzteren machen anch die Arbeiten Eberhard's,
jenes herrlichen, zu wenig gewürdigten Künstlers, dem man Werke verdankt, die
an liebenswürdiger Naivetät, an seelenvoller Frömmigkeit des Ausdrucks, an Ernst
und Tiefe mit Luca della Robbia und Verochiv wetteifern können; ich kenne eine
kleine Madonna von ihn,, die zu dem Schönsten gehört, was mir in dieser Art


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/334>, abgerufen am 24.07.2024.