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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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bei Glyptothek und Pinakothek zu rechtfertige" war, da sie einen entsprechenden
Inhalt verkünden, ist es hier gewiß am wenigste". Widerspricht nicht eine
Architektur, die aus reine Lüste und farbige Schatten berechnet ist, unserm Him¬
mel mit seinen Nebeln und Regen wie unserm Charakter anf's schreiendste? --

Nicht viel günstigere Ergebnisse hat bis jetzt die Bildhauerkunst in München
geliefert, was verschiedenen Umstünden zuzuschreiben ist, die ich hier nur der
Kürze nach berühren will. Lange Zeit knüpfte sich dieselbe fast ausschließlich und
sehr zu ihrem Nachtheil blos an die Werkstätte Schwauthaler's, eines obwol ur¬
sprünglich reich begabten, doch hauptsächlich einer liebenswürdigen Persönlichkeit
halber i" seinen Productionen sehr überschatten Künstlers. Zur Zeit als König
Ludwig seine großen Bauten anfing und alle Kräfte um sich versammelte, deren
er irgend habhaft werden konnte, oder die zu seiner Kenntniß zu gelangen wußten,
war Schwanthaler ein junger, bildschöner, von wilder Genialität anscheinend
sprudelnder Künstler, dessen Auffassung besonders mittelalterlicher Gegenstände so
viel Geist, die antiken Stoffe so viel Sinn für gutes Arrangement und zweck¬
mäßigen Styl verriethen, der mit solcher Raschheit den vielfachen Anforderungen
des hohen Gönners zu genügen wußte, daß man über dem Blendenden seiner
Erscheinung, das alle ihm irgendwie Nahetrctenden unwiderstehlich bezauberte, ganz
übersah, welcher Mangel der Vollendung der Form in seinen Arbeiten lag, ja
wie sie meist so flüchtig componirt waren, daß sie nie vollendet werden konnten,
ohne die Mängel ihrer Anlage immer schreiender zur Erscheinung zu bringen. --
Es fiel dies um so weniger aus, als der gleiche Fehler ja auch den damaligen
malerischen Productionen anklebte, die freilich dann oft durch andere Eigenschaften
für denselben entschädigten, die dem allgemein beliebten Bildhauer abgingen.

Die Beliebtheit führte eine Ueberhäufung Schwanthaler's mit Bestellungen
herbei. Diese schlug er niemals aus, ja im Gegentheil suchte er Aufträge mög¬
lichst an sich zu ziehen, so daß es unstreitig lange Jahre jedem jüngern Talente
geradezu unmöglich wurde, in München auszukommen; dabei wurde seine Gesund¬
heit immer schlechter, so daß er nur noch wenig selbst arbeiten, die Thätigkeit
seiner zahlreichen Gehilfen nur sehr unzulänglich controliren konnte. Die Folgen
dieses Verhältnisses liegen und stehen in ganz Deutschland zu Tage, den" da
der mit Recht als Autorität geltende König ihm so Vieles und Großes übertragen,
da er eine Werkstätte hatte, wie sie selbst Thorwaldsen nicht gleich groß besaß,
so strömten nun auch die Aufträge von außen zu, die gewöhnlich billiger über¬
nommen wurden, als alle andern concurrirenden Künstler bei ihrer größern Ge¬
wissenhaftigkeit in der Ausführung zu thun im Stande waren; der Ruhm des
Meisters verbreitete sich noch lange weiter und weiter, als das Urtheil der Künstler
und Kunstverständigen schon längst aufgehört hatte, ein günstiges zu sein. -
Und wirklich ist auch die Flüchtigkeit dieser Arbeiten so groß, nicht nur bei dem
mehr dekorativen Figuren, die er für hohe Stellen an vielen Gebänden gemacht,


bei Glyptothek und Pinakothek zu rechtfertige» war, da sie einen entsprechenden
Inhalt verkünden, ist es hier gewiß am wenigste». Widerspricht nicht eine
Architektur, die aus reine Lüste und farbige Schatten berechnet ist, unserm Him¬
mel mit seinen Nebeln und Regen wie unserm Charakter anf's schreiendste? —

Nicht viel günstigere Ergebnisse hat bis jetzt die Bildhauerkunst in München
geliefert, was verschiedenen Umstünden zuzuschreiben ist, die ich hier nur der
Kürze nach berühren will. Lange Zeit knüpfte sich dieselbe fast ausschließlich und
sehr zu ihrem Nachtheil blos an die Werkstätte Schwauthaler's, eines obwol ur¬
sprünglich reich begabten, doch hauptsächlich einer liebenswürdigen Persönlichkeit
halber i» seinen Productionen sehr überschatten Künstlers. Zur Zeit als König
Ludwig seine großen Bauten anfing und alle Kräfte um sich versammelte, deren
er irgend habhaft werden konnte, oder die zu seiner Kenntniß zu gelangen wußten,
war Schwanthaler ein junger, bildschöner, von wilder Genialität anscheinend
sprudelnder Künstler, dessen Auffassung besonders mittelalterlicher Gegenstände so
viel Geist, die antiken Stoffe so viel Sinn für gutes Arrangement und zweck¬
mäßigen Styl verriethen, der mit solcher Raschheit den vielfachen Anforderungen
des hohen Gönners zu genügen wußte, daß man über dem Blendenden seiner
Erscheinung, das alle ihm irgendwie Nahetrctenden unwiderstehlich bezauberte, ganz
übersah, welcher Mangel der Vollendung der Form in seinen Arbeiten lag, ja
wie sie meist so flüchtig componirt waren, daß sie nie vollendet werden konnten,
ohne die Mängel ihrer Anlage immer schreiender zur Erscheinung zu bringen. —
Es fiel dies um so weniger aus, als der gleiche Fehler ja auch den damaligen
malerischen Productionen anklebte, die freilich dann oft durch andere Eigenschaften
für denselben entschädigten, die dem allgemein beliebten Bildhauer abgingen.

Die Beliebtheit führte eine Ueberhäufung Schwanthaler's mit Bestellungen
herbei. Diese schlug er niemals aus, ja im Gegentheil suchte er Aufträge mög¬
lichst an sich zu ziehen, so daß es unstreitig lange Jahre jedem jüngern Talente
geradezu unmöglich wurde, in München auszukommen; dabei wurde seine Gesund¬
heit immer schlechter, so daß er nur noch wenig selbst arbeiten, die Thätigkeit
seiner zahlreichen Gehilfen nur sehr unzulänglich controliren konnte. Die Folgen
dieses Verhältnisses liegen und stehen in ganz Deutschland zu Tage, den» da
der mit Recht als Autorität geltende König ihm so Vieles und Großes übertragen,
da er eine Werkstätte hatte, wie sie selbst Thorwaldsen nicht gleich groß besaß,
so strömten nun auch die Aufträge von außen zu, die gewöhnlich billiger über¬
nommen wurden, als alle andern concurrirenden Künstler bei ihrer größern Ge¬
wissenhaftigkeit in der Ausführung zu thun im Stande waren; der Ruhm des
Meisters verbreitete sich noch lange weiter und weiter, als das Urtheil der Künstler
und Kunstverständigen schon längst aufgehört hatte, ein günstiges zu sein. -
Und wirklich ist auch die Flüchtigkeit dieser Arbeiten so groß, nicht nur bei dem
mehr dekorativen Figuren, die er für hohe Stellen an vielen Gebänden gemacht,


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[0333] bei Glyptothek und Pinakothek zu rechtfertige» war, da sie einen entsprechenden Inhalt verkünden, ist es hier gewiß am wenigste». Widerspricht nicht eine Architektur, die aus reine Lüste und farbige Schatten berechnet ist, unserm Him¬ mel mit seinen Nebeln und Regen wie unserm Charakter anf's schreiendste? — Nicht viel günstigere Ergebnisse hat bis jetzt die Bildhauerkunst in München geliefert, was verschiedenen Umstünden zuzuschreiben ist, die ich hier nur der Kürze nach berühren will. Lange Zeit knüpfte sich dieselbe fast ausschließlich und sehr zu ihrem Nachtheil blos an die Werkstätte Schwauthaler's, eines obwol ur¬ sprünglich reich begabten, doch hauptsächlich einer liebenswürdigen Persönlichkeit halber i» seinen Productionen sehr überschatten Künstlers. Zur Zeit als König Ludwig seine großen Bauten anfing und alle Kräfte um sich versammelte, deren er irgend habhaft werden konnte, oder die zu seiner Kenntniß zu gelangen wußten, war Schwanthaler ein junger, bildschöner, von wilder Genialität anscheinend sprudelnder Künstler, dessen Auffassung besonders mittelalterlicher Gegenstände so viel Geist, die antiken Stoffe so viel Sinn für gutes Arrangement und zweck¬ mäßigen Styl verriethen, der mit solcher Raschheit den vielfachen Anforderungen des hohen Gönners zu genügen wußte, daß man über dem Blendenden seiner Erscheinung, das alle ihm irgendwie Nahetrctenden unwiderstehlich bezauberte, ganz übersah, welcher Mangel der Vollendung der Form in seinen Arbeiten lag, ja wie sie meist so flüchtig componirt waren, daß sie nie vollendet werden konnten, ohne die Mängel ihrer Anlage immer schreiender zur Erscheinung zu bringen. — Es fiel dies um so weniger aus, als der gleiche Fehler ja auch den damaligen malerischen Productionen anklebte, die freilich dann oft durch andere Eigenschaften für denselben entschädigten, die dem allgemein beliebten Bildhauer abgingen. Die Beliebtheit führte eine Ueberhäufung Schwanthaler's mit Bestellungen herbei. Diese schlug er niemals aus, ja im Gegentheil suchte er Aufträge mög¬ lichst an sich zu ziehen, so daß es unstreitig lange Jahre jedem jüngern Talente geradezu unmöglich wurde, in München auszukommen; dabei wurde seine Gesund¬ heit immer schlechter, so daß er nur noch wenig selbst arbeiten, die Thätigkeit seiner zahlreichen Gehilfen nur sehr unzulänglich controliren konnte. Die Folgen dieses Verhältnisses liegen und stehen in ganz Deutschland zu Tage, den» da der mit Recht als Autorität geltende König ihm so Vieles und Großes übertragen, da er eine Werkstätte hatte, wie sie selbst Thorwaldsen nicht gleich groß besaß, so strömten nun auch die Aufträge von außen zu, die gewöhnlich billiger über¬ nommen wurden, als alle andern concurrirenden Künstler bei ihrer größern Ge¬ wissenhaftigkeit in der Ausführung zu thun im Stande waren; der Ruhm des Meisters verbreitete sich noch lange weiter und weiter, als das Urtheil der Künstler und Kunstverständigen schon längst aufgehört hatte, ein günstiges zu sein. - Und wirklich ist auch die Flüchtigkeit dieser Arbeiten so groß, nicht nur bei dem mehr dekorativen Figuren, die er für hohe Stellen an vielen Gebänden gemacht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/333>, abgerufen am 24.07.2024.