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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Die bildende Kunst in München.
i.
Architektur und Sculptur.

Windstille, klare sonnige Tage und kalte, aber helle Wintermorgen mit ihrer
herrlichen, jeden Nerv kräftig spannenden Luft verschönern mir den Aufenthalt
und strafen den so schlechte" Ruf des hiesigen Klimas für jetzt auf freundliche
Weise Lügen. -- S'ist was Heiteres, Herzhaftes in diesem Wetter, und so finde
ich auch das hiesige Lebe", das mich diesmal mehr als je anspricht, mit seinen
mannichfciltigen Richtungen, die fast alle denselben rauhen, herben, aber kernge¬
sunden Charakter an sich tragen, wie die Atmosphäre; schwächliche sentimentale
Tendenzen kommen da so wenig fort, als kränkliche, heldische Menschen. Das
Volksleben im nahen Gebirge ist noch naiv und malerisch, wie in wenigen Ge¬
genden Deutschlands, und hier genießt wenigstens Jedermann ohne zu kutisiren,
anstatt zu kritisiren ohne die Fähigkeit zu genießen. Außerdem ist München auch
die wohlfeilste deutsche Stadt, und die Künstler habe" hier, als eine große
Corporation fast uur unter sich lebend, keinerlei Repräsentation nöthig, so daß sie
viel wohlfeiler produciren können, als alle ihre Kollegen in den übrigen Metro-
Polen, die so oft einen Schein von Wohlhabeiihcit zu affectircu veranlaßt sind,
die mit ihren wirklichen Verhältnissen sich schlecht geung vereint. --

Es ist daher nicht ganz zufällig, wie mau manchmal annimmt, wenn hier
noch immer el" kräftigeres Kunstleben blüht, als überall sonst im Vaterland, ob-
wol der hohen Unterstützung, die es anfänglich hervorgerufen, schon länger engere
Grenzen gezogen werden mußten. -- Zuerst freilich, wen" man etwa von der
Naturwüchsigst italienischer Städte herkommt, deren öffentliche Gebäude und
Denkmale sich an die bedeutendsten Periode" "ut Ereignisse einer dreitausendjäh-
ngen Geschichte knüpfen, und den Wellenschlag derselben aufs Schärfste und


Krcnzbvtm. I. 18!i,'!. 41
Die bildende Kunst in München.
i.
Architektur und Sculptur.

Windstille, klare sonnige Tage und kalte, aber helle Wintermorgen mit ihrer
herrlichen, jeden Nerv kräftig spannenden Luft verschönern mir den Aufenthalt
und strafen den so schlechte» Ruf des hiesigen Klimas für jetzt auf freundliche
Weise Lügen. — S'ist was Heiteres, Herzhaftes in diesem Wetter, und so finde
ich auch das hiesige Lebe», das mich diesmal mehr als je anspricht, mit seinen
mannichfciltigen Richtungen, die fast alle denselben rauhen, herben, aber kernge¬
sunden Charakter an sich tragen, wie die Atmosphäre; schwächliche sentimentale
Tendenzen kommen da so wenig fort, als kränkliche, heldische Menschen. Das
Volksleben im nahen Gebirge ist noch naiv und malerisch, wie in wenigen Ge¬
genden Deutschlands, und hier genießt wenigstens Jedermann ohne zu kutisiren,
anstatt zu kritisiren ohne die Fähigkeit zu genießen. Außerdem ist München auch
die wohlfeilste deutsche Stadt, und die Künstler habe» hier, als eine große
Corporation fast uur unter sich lebend, keinerlei Repräsentation nöthig, so daß sie
viel wohlfeiler produciren können, als alle ihre Kollegen in den übrigen Metro-
Polen, die so oft einen Schein von Wohlhabeiihcit zu affectircu veranlaßt sind,
die mit ihren wirklichen Verhältnissen sich schlecht geung vereint. —

Es ist daher nicht ganz zufällig, wie mau manchmal annimmt, wenn hier
noch immer el» kräftigeres Kunstleben blüht, als überall sonst im Vaterland, ob-
wol der hohen Unterstützung, die es anfänglich hervorgerufen, schon länger engere
Grenzen gezogen werden mußten. — Zuerst freilich, wen» man etwa von der
Naturwüchsigst italienischer Städte herkommt, deren öffentliche Gebäude und
Denkmale sich an die bedeutendsten Periode» »ut Ereignisse einer dreitausendjäh-
ngen Geschichte knüpfen, und den Wellenschlag derselben aufs Schärfste und


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[0329] Die bildende Kunst in München. i. Architektur und Sculptur. Windstille, klare sonnige Tage und kalte, aber helle Wintermorgen mit ihrer herrlichen, jeden Nerv kräftig spannenden Luft verschönern mir den Aufenthalt und strafen den so schlechte» Ruf des hiesigen Klimas für jetzt auf freundliche Weise Lügen. — S'ist was Heiteres, Herzhaftes in diesem Wetter, und so finde ich auch das hiesige Lebe», das mich diesmal mehr als je anspricht, mit seinen mannichfciltigen Richtungen, die fast alle denselben rauhen, herben, aber kernge¬ sunden Charakter an sich tragen, wie die Atmosphäre; schwächliche sentimentale Tendenzen kommen da so wenig fort, als kränkliche, heldische Menschen. Das Volksleben im nahen Gebirge ist noch naiv und malerisch, wie in wenigen Ge¬ genden Deutschlands, und hier genießt wenigstens Jedermann ohne zu kutisiren, anstatt zu kritisiren ohne die Fähigkeit zu genießen. Außerdem ist München auch die wohlfeilste deutsche Stadt, und die Künstler habe» hier, als eine große Corporation fast uur unter sich lebend, keinerlei Repräsentation nöthig, so daß sie viel wohlfeiler produciren können, als alle ihre Kollegen in den übrigen Metro- Polen, die so oft einen Schein von Wohlhabeiihcit zu affectircu veranlaßt sind, die mit ihren wirklichen Verhältnissen sich schlecht geung vereint. — Es ist daher nicht ganz zufällig, wie mau manchmal annimmt, wenn hier noch immer el» kräftigeres Kunstleben blüht, als überall sonst im Vaterland, ob- wol der hohen Unterstützung, die es anfänglich hervorgerufen, schon länger engere Grenzen gezogen werden mußten. — Zuerst freilich, wen» man etwa von der Naturwüchsigst italienischer Städte herkommt, deren öffentliche Gebäude und Denkmale sich an die bedeutendsten Periode» »ut Ereignisse einer dreitausendjäh- ngen Geschichte knüpfen, und den Wellenschlag derselben aufs Schärfste und Krcnzbvtm. I. 18!i,'!. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/329>, abgerufen am 27.12.2024.