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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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England drei und aus der Bank von Frankreich fünf Millionen Pf. Se. gezogen
und nach verschiedenen Theilen des Auslandes versandt worden, ja außer diesen
circa Se Millionen Thalern ist noch alles das Gold und Silber aus dem Ver¬
kehr verschwunden, welches während derselben Zeit in England und Frankreich
eingeführt worden ist. Diese verschwundenen importirten Gvldmassen betragen
nach der Schätzung erfahrener englischer Geschäftsleute viel mehr, als 10 Mil¬
lionen Pf. Se., über 68 Millionen Thaler. So enthalten die beiden große"
Depots der edlen Metalle zu London und Paris jetzt ucche an 20 Millionen
Pf. Se., 136 Millionen Thaler weniger, als sie besitzen würden, im Fall kein
besonderer Abfluß nach andern Theilen der Welt stattgefunden hätte.

Diese bedenkliche Abnahme des baaren Geldes in einer Zeit, wo Alles vazn
berechtigte, einen Ueberfluß an edle" Metallen auf dem Geldmarkt zu erwarten,
bestimmte die Bank von England, ihre Zinsraten von Ä auf 3"/" z" erhöhen,
eine Maßregel, von welcher sie selten und nnr in außerordentlichen Fällen Ge¬
brauch macht, und welche entschieden das Symptom einer Geldkrisis ist. Um so
auffallender erscheint diese Krisis, weil über diesem ungeheuern Abfluß der edlen
Metalle aus England wie ans Frankreich ein Dunkel schwebt, welches anch die
größten Autoritäten der Handelswelt -- vielleicht eine oder wenige ausgenommen
- - aufzuklären bisher nicht im Stande waren.

Man hat im Publicum angenommen, daß die gewagten und zum Theil un¬
sinnigen Speculationen des gegenwärtigen Frankreichs den Abzug des Geldes von
England nach Frankreich verursacht hätten; gegen diese Annahme aber spricht,
baß nicht nur die Baarvorräthe der Bank von Frankreich in noch höherem Maße
abgenommen haben, sondern daß in ganz Frankreich der Mangel an Gold und
Silber auf den Börsen eben so sichtbar ist, als in England.

Auch die große Ausfuhr englischer Goldmünzen nach Australien, welche aller¬
dings während der letzten sechs bis zwölf Monate etwa 6,300,000 Pfd. Se. b>
tragen hat, erklärt diese Abnahme bei weitem nicht vollständig. Diese Aus¬
fuhr gemünzten Goldes nach Australien war nämlich ein vortheilhaftes Geschäft,
weil es dort an geprägten Gold sehr mangelt, während der tägliche Verkehr bei
einer massenhaften Einwanderung, die sich in dem Suchen nach Gold über ge¬
waltige Flächenräume vertheilt, große Summen erforderte.

Immer aber, wenn man anch alle bekannten und zu lärmenden Abflüsse
der edlen Metalle nach Europa und Australien abzieht, bleibt "och eine große
Gvldmasse, die hier annäherungsweise auf etwa zehn Millionen Pfd, Se.,
68 Millionen Thlr., angenommen werden soll, übrig, deren Verschwinden vom
Geldmarkt das Geheimniß ausmacht.

Diese Masse scheint, wenigstens z"in Theil, durch außerordentlich geschickte
und verschwiegene Operationen irgendwo gesammelt, da sich in keiner anderen
Gegend des Weltmarktes der entsprechende Ueberfluß an edlem Metall gezeigt


England drei und aus der Bank von Frankreich fünf Millionen Pf. Se. gezogen
und nach verschiedenen Theilen des Auslandes versandt worden, ja außer diesen
circa Se Millionen Thalern ist noch alles das Gold und Silber aus dem Ver¬
kehr verschwunden, welches während derselben Zeit in England und Frankreich
eingeführt worden ist. Diese verschwundenen importirten Gvldmassen betragen
nach der Schätzung erfahrener englischer Geschäftsleute viel mehr, als 10 Mil¬
lionen Pf. Se., über 68 Millionen Thaler. So enthalten die beiden große»
Depots der edlen Metalle zu London und Paris jetzt ucche an 20 Millionen
Pf. Se., 136 Millionen Thaler weniger, als sie besitzen würden, im Fall kein
besonderer Abfluß nach andern Theilen der Welt stattgefunden hätte.

Diese bedenkliche Abnahme des baaren Geldes in einer Zeit, wo Alles vazn
berechtigte, einen Ueberfluß an edle» Metallen auf dem Geldmarkt zu erwarten,
bestimmte die Bank von England, ihre Zinsraten von Ä auf 3"/» z» erhöhen,
eine Maßregel, von welcher sie selten und nnr in außerordentlichen Fällen Ge¬
brauch macht, und welche entschieden das Symptom einer Geldkrisis ist. Um so
auffallender erscheint diese Krisis, weil über diesem ungeheuern Abfluß der edlen
Metalle aus England wie ans Frankreich ein Dunkel schwebt, welches anch die
größten Autoritäten der Handelswelt — vielleicht eine oder wenige ausgenommen
- - aufzuklären bisher nicht im Stande waren.

Man hat im Publicum angenommen, daß die gewagten und zum Theil un¬
sinnigen Speculationen des gegenwärtigen Frankreichs den Abzug des Geldes von
England nach Frankreich verursacht hätten; gegen diese Annahme aber spricht,
baß nicht nur die Baarvorräthe der Bank von Frankreich in noch höherem Maße
abgenommen haben, sondern daß in ganz Frankreich der Mangel an Gold und
Silber auf den Börsen eben so sichtbar ist, als in England.

Auch die große Ausfuhr englischer Goldmünzen nach Australien, welche aller¬
dings während der letzten sechs bis zwölf Monate etwa 6,300,000 Pfd. Se. b>
tragen hat, erklärt diese Abnahme bei weitem nicht vollständig. Diese Aus¬
fuhr gemünzten Goldes nach Australien war nämlich ein vortheilhaftes Geschäft,
weil es dort an geprägten Gold sehr mangelt, während der tägliche Verkehr bei
einer massenhaften Einwanderung, die sich in dem Suchen nach Gold über ge¬
waltige Flächenräume vertheilt, große Summen erforderte.

Immer aber, wenn man anch alle bekannten und zu lärmenden Abflüsse
der edlen Metalle nach Europa und Australien abzieht, bleibt »och eine große
Gvldmasse, die hier annäherungsweise auf etwa zehn Millionen Pfd, Se.,
68 Millionen Thlr., angenommen werden soll, übrig, deren Verschwinden vom
Geldmarkt das Geheimniß ausmacht.

Diese Masse scheint, wenigstens z»in Theil, durch außerordentlich geschickte
und verschwiegene Operationen irgendwo gesammelt, da sich in keiner anderen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/304>, abgerufen am 29.06.2024.