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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Aber, sagt man, die moderne Kleidung ist nicht so edel, würdig, geschmack¬
voll u. s. w. u. s. w. Wenn sie schlecht behandelt wird, allerdings. Aber eine
Parthie Tuch in noch so schönen Falten um die Figur gelegt, kann ich darum
noch nicht ohne Weiteres für absolut schön finden, nun gar, wenn mau es
ebenfalls als schlecht gemacht annimmt. Läßt man aber das Alles bei Seite, so
finde ich das antike Costume in gegenwärtigem Falle weder charakteristisch, noch
am Platz, ja ich finde es im höchsten Grade unpassend; es kommt mir nicht viel
anders vor, als die französische Sprache im Munde eines Deutschen, der recht
kernige deutsche Gemüthlichkeiten aussprechen will. Ich kann Goethe und Schiller
in antikem Costume uur als etwas Fremdartiges betrachten, was die befriedigen
mag, welche dem Leben vor ihre" Augen das Gute, das Schöne nicht abzuge¬
winnen vermögen.

In den modernen Röcken haben sie gesteckt und sich der Welt gezeigt, d er Welt, auf
die sie wirken wollten und gewirkt haben, und welche in gleichen Röcken steckte.
Warum wollen wir das unsren Nachkommen verhehlen, warum wollen wir diese
Kleider, n"fre Eigenthümlichkeiten selbst verachten. Die Meinung aber, daß
dieser moderne Rock für die Plastik nicht brauchbar, nicht schön sei, hat Prof.
Rietschel, wenn es nicht schon geschehen war, durch sei" Lcssingdenkmal widerlegt,
und auch die Goethe- und Schillergruppe wird nicht Anlaß zu einem Rückfall
geben, vielmehr den lebten Nest des BeHängens der modernen Statuen mit
Mänteln überwinden helfen.

Wenn man sich aber auch in Weimar in der großen Mehrzahl sür die
moderne Kleidung entschied, so war Vielen doch der Hofsrack an Goethe nicht
recht. Nicht dem Minister, sondern dem Dichter gilt das Standbild! -- Ob
es ein Hoffrack oder el" gewöhnlicher Frack sei, ist wol nicht die Hauptsache, ge¬
wiß ist es die Form, der Schnitt, was den Künstler bei der Wahl bestimmte.
Daß er überhaupt eiuer der beiden Figuren einen Frack anzog, dazu nöthigte
ihn das Bedürfniß, eine Abwechselung in die Gruppe zu bringen und derselben
etwas an Schwerfälligkeit zu nehmen. Wenn aber darum ein Frack zugestanden
werden muß, so möchte es wol Niemand einfallen, die Röcke wechseln zu lasse",
da der Frack an Schiller noch ungewohnter erscheinen würde. Sieht man aber,
des Sternes wegen, durchaus einen Hoffrack, so frage ich! Ist es denn ein so capitales
Verbrechen, wenn der Künstler damit aussprechen wollte, daß Goethe nach Ver¬
dienst, und bevor die Welt es that, von seinem Fürsten seinem Verdienst nach
erkannt und auch äußerlich ausgezeichnet worden sei? Am allerwenigsten sollten
die Weimaraner sich darüber auslassen, vielmehr von den großen Verdiensten,
die Goethe als Staatsdieurr sich erworben hat, einige Kenntniß zu erlangen
suchen.,

Fast noch wehr als über das i^ferne waren aber die Meinungen über die
Kränze verschieden. Soll jede der beiden Figuren einen Kranz erhalten; oder


Aber, sagt man, die moderne Kleidung ist nicht so edel, würdig, geschmack¬
voll u. s. w. u. s. w. Wenn sie schlecht behandelt wird, allerdings. Aber eine
Parthie Tuch in noch so schönen Falten um die Figur gelegt, kann ich darum
noch nicht ohne Weiteres für absolut schön finden, nun gar, wenn mau es
ebenfalls als schlecht gemacht annimmt. Läßt man aber das Alles bei Seite, so
finde ich das antike Costume in gegenwärtigem Falle weder charakteristisch, noch
am Platz, ja ich finde es im höchsten Grade unpassend; es kommt mir nicht viel
anders vor, als die französische Sprache im Munde eines Deutschen, der recht
kernige deutsche Gemüthlichkeiten aussprechen will. Ich kann Goethe und Schiller
in antikem Costume uur als etwas Fremdartiges betrachten, was die befriedigen
mag, welche dem Leben vor ihre» Augen das Gute, das Schöne nicht abzuge¬
winnen vermögen.

In den modernen Röcken haben sie gesteckt und sich der Welt gezeigt, d er Welt, auf
die sie wirken wollten und gewirkt haben, und welche in gleichen Röcken steckte.
Warum wollen wir das unsren Nachkommen verhehlen, warum wollen wir diese
Kleider, n»fre Eigenthümlichkeiten selbst verachten. Die Meinung aber, daß
dieser moderne Rock für die Plastik nicht brauchbar, nicht schön sei, hat Prof.
Rietschel, wenn es nicht schon geschehen war, durch sei» Lcssingdenkmal widerlegt,
und auch die Goethe- und Schillergruppe wird nicht Anlaß zu einem Rückfall
geben, vielmehr den lebten Nest des BeHängens der modernen Statuen mit
Mänteln überwinden helfen.

Wenn man sich aber auch in Weimar in der großen Mehrzahl sür die
moderne Kleidung entschied, so war Vielen doch der Hofsrack an Goethe nicht
recht. Nicht dem Minister, sondern dem Dichter gilt das Standbild! — Ob
es ein Hoffrack oder el» gewöhnlicher Frack sei, ist wol nicht die Hauptsache, ge¬
wiß ist es die Form, der Schnitt, was den Künstler bei der Wahl bestimmte.
Daß er überhaupt eiuer der beiden Figuren einen Frack anzog, dazu nöthigte
ihn das Bedürfniß, eine Abwechselung in die Gruppe zu bringen und derselben
etwas an Schwerfälligkeit zu nehmen. Wenn aber darum ein Frack zugestanden
werden muß, so möchte es wol Niemand einfallen, die Röcke wechseln zu lasse»,
da der Frack an Schiller noch ungewohnter erscheinen würde. Sieht man aber,
des Sternes wegen, durchaus einen Hoffrack, so frage ich! Ist es denn ein so capitales
Verbrechen, wenn der Künstler damit aussprechen wollte, daß Goethe nach Ver¬
dienst, und bevor die Welt es that, von seinem Fürsten seinem Verdienst nach
erkannt und auch äußerlich ausgezeichnet worden sei? Am allerwenigsten sollten
die Weimaraner sich darüber auslassen, vielmehr von den großen Verdiensten,
die Goethe als Staatsdieurr sich erworben hat, einige Kenntniß zu erlangen
suchen.,

Fast noch wehr als über das i^ferne waren aber die Meinungen über die
Kränze verschieden. Soll jede der beiden Figuren einen Kranz erhalten; oder


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[0296] Aber, sagt man, die moderne Kleidung ist nicht so edel, würdig, geschmack¬ voll u. s. w. u. s. w. Wenn sie schlecht behandelt wird, allerdings. Aber eine Parthie Tuch in noch so schönen Falten um die Figur gelegt, kann ich darum noch nicht ohne Weiteres für absolut schön finden, nun gar, wenn mau es ebenfalls als schlecht gemacht annimmt. Läßt man aber das Alles bei Seite, so finde ich das antike Costume in gegenwärtigem Falle weder charakteristisch, noch am Platz, ja ich finde es im höchsten Grade unpassend; es kommt mir nicht viel anders vor, als die französische Sprache im Munde eines Deutschen, der recht kernige deutsche Gemüthlichkeiten aussprechen will. Ich kann Goethe und Schiller in antikem Costume uur als etwas Fremdartiges betrachten, was die befriedigen mag, welche dem Leben vor ihre» Augen das Gute, das Schöne nicht abzuge¬ winnen vermögen. In den modernen Röcken haben sie gesteckt und sich der Welt gezeigt, d er Welt, auf die sie wirken wollten und gewirkt haben, und welche in gleichen Röcken steckte. Warum wollen wir das unsren Nachkommen verhehlen, warum wollen wir diese Kleider, n»fre Eigenthümlichkeiten selbst verachten. Die Meinung aber, daß dieser moderne Rock für die Plastik nicht brauchbar, nicht schön sei, hat Prof. Rietschel, wenn es nicht schon geschehen war, durch sei» Lcssingdenkmal widerlegt, und auch die Goethe- und Schillergruppe wird nicht Anlaß zu einem Rückfall geben, vielmehr den lebten Nest des BeHängens der modernen Statuen mit Mänteln überwinden helfen. Wenn man sich aber auch in Weimar in der großen Mehrzahl sür die moderne Kleidung entschied, so war Vielen doch der Hofsrack an Goethe nicht recht. Nicht dem Minister, sondern dem Dichter gilt das Standbild! — Ob es ein Hoffrack oder el» gewöhnlicher Frack sei, ist wol nicht die Hauptsache, ge¬ wiß ist es die Form, der Schnitt, was den Künstler bei der Wahl bestimmte. Daß er überhaupt eiuer der beiden Figuren einen Frack anzog, dazu nöthigte ihn das Bedürfniß, eine Abwechselung in die Gruppe zu bringen und derselben etwas an Schwerfälligkeit zu nehmen. Wenn aber darum ein Frack zugestanden werden muß, so möchte es wol Niemand einfallen, die Röcke wechseln zu lasse», da der Frack an Schiller noch ungewohnter erscheinen würde. Sieht man aber, des Sternes wegen, durchaus einen Hoffrack, so frage ich! Ist es denn ein so capitales Verbrechen, wenn der Künstler damit aussprechen wollte, daß Goethe nach Ver¬ dienst, und bevor die Welt es that, von seinem Fürsten seinem Verdienst nach erkannt und auch äußerlich ausgezeichnet worden sei? Am allerwenigsten sollten die Weimaraner sich darüber auslassen, vielmehr von den großen Verdiensten, die Goethe als Staatsdieurr sich erworben hat, einige Kenntniß zu erlangen suchen., Fast noch wehr als über das i^ferne waren aber die Meinungen über die Kränze verschieden. Soll jede der beiden Figuren einen Kranz erhalten; oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/296>, abgerufen am 24.07.2024.