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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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stürzen; der Untergang der Schiffe schien unvermeidlich. Lassen wir Sir James
Roß selbst sprechen: "Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt um 2 Uhr Nachts.
Obgleich wir viele Meilen tiefer in das Packeis gedrängt worden waren, ließ
sich doch kein Abnehmen der Deining bemerken, und unsre Schiffe rollte" und
trachten mitten unter den schweren Massen zermalmender Berge, über welche das
Meer mit seineu gigantischen Wellen tosete, eine große Masse über die andere
thürmten und sie dann wieder tief unter seine schäumenden Wogen begrub,
mit fürchterlicher Gewalt sie an einander schmetternd und zermalmend.
Die schauerliche Erhabenheit einer solchen Scene kann weder gedacht noch be¬
schrieben werden, noch viel weniger lassen sich die Empfindungen der Zuschauenden
nachfühlen. Jeder hielt sich auf dem Verdecke fest, und erwartete sein Schicksal
mit Ergebung in den Willen des Höchsten, der allein uns erhalten und aus
dieser Gesahr retten konnte. Mit athemloser, angstvoller Erwartung beobachteten
wir die Wirkung jedes neuen Stoßes, und die zitternden Bewegungen der
schwankenden Maste, jeden Augenblick erwartend, sie niederfallen zu sehen. Ob¬
gleich um vier Uhr Nachmittags die Gewalt des Sturmes etwas nachgelassen
hatte, so bliesen doch die Boer mit unverminderter Heftigkeit, legten das Schiff
ganz auf die Seite, und drohten die Sturmsegel in Fetzen zu zerreißen; zum
Glück waren sie ganz neu, sonst hätten sie so schrecklichen Stößen nicht wider¬
stehen könne". Um diese Zeit war uns der Terror so nahe, daß, wenn er sich
ans dem Gipfel der einen Welle erhob, der Erebus sich auf der Spitze der
nächsten unter seinem Lee befand; der Abgrund zwischen ihnen war mit rollenden
Eismassen angefüllt, und wenn die Schiffe in die Tiefe zwischen den Wellen
Hinabschossen, war von dem Deck des einen die große Marsraa des andern über
dem Kamm der sich dazwischen erhebenden Woge gerade noch sichtbar; daraus
kann man sich eine Vorstellung von der Höhe der Wellen und der Gefährlichkeit
unsrer Lage macheu." Erst nach 28stiindiger Dauer legte sich der Sturm, in
dem beide Schiffe ihr Steuerruder verloren. Nach ausgebesserte" Schäden
drangen sie weiter "ach dem Rande des Eises vor, wo die Eisschollen noch dichter
zusa"""e"gehä"se wäre", ""d eine fürchterliche Braudung die Gefahr noch ver¬
mehrte. -- Erst "ach solche" A"fere"g"ngen läßt sich in diesen Regionen das freie
Meer erreichen, welches ungehindertes und rasches Vordringen.nach Süden ge¬
stattet; aber sehr oft schließt sich auch das Packeis ,so dicht zusammen, daß an
keine Weiterfahrt zu denken ist, während die chaotisch über einander gethürmten Eis-
massen jeden Versuch, z" Fuß weiter vorzudringen, unmöglich machen. Bei ihrer
erste" Fahrt gegen Süden durchbrachen jedoch der Erebus und der Terror den
Eisgürtel in wenigen Tagen, und sie befanden sich um" i" einem vollkommen eis¬
freien Meere, ans dem sie unbehindert nach Süden steuern konnten. Schon jetzt
glaubten die Neulinge i" diese" Regionen La"d zu sehe", "änlich eine zackige
mit Schuee bedeckte Gebirgsreihe, die aber weiter Nichts war, als der obere


stürzen; der Untergang der Schiffe schien unvermeidlich. Lassen wir Sir James
Roß selbst sprechen: „Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt um 2 Uhr Nachts.
Obgleich wir viele Meilen tiefer in das Packeis gedrängt worden waren, ließ
sich doch kein Abnehmen der Deining bemerken, und unsre Schiffe rollte» und
trachten mitten unter den schweren Massen zermalmender Berge, über welche das
Meer mit seineu gigantischen Wellen tosete, eine große Masse über die andere
thürmten und sie dann wieder tief unter seine schäumenden Wogen begrub,
mit fürchterlicher Gewalt sie an einander schmetternd und zermalmend.
Die schauerliche Erhabenheit einer solchen Scene kann weder gedacht noch be¬
schrieben werden, noch viel weniger lassen sich die Empfindungen der Zuschauenden
nachfühlen. Jeder hielt sich auf dem Verdecke fest, und erwartete sein Schicksal
mit Ergebung in den Willen des Höchsten, der allein uns erhalten und aus
dieser Gesahr retten konnte. Mit athemloser, angstvoller Erwartung beobachteten
wir die Wirkung jedes neuen Stoßes, und die zitternden Bewegungen der
schwankenden Maste, jeden Augenblick erwartend, sie niederfallen zu sehen. Ob¬
gleich um vier Uhr Nachmittags die Gewalt des Sturmes etwas nachgelassen
hatte, so bliesen doch die Boer mit unverminderter Heftigkeit, legten das Schiff
ganz auf die Seite, und drohten die Sturmsegel in Fetzen zu zerreißen; zum
Glück waren sie ganz neu, sonst hätten sie so schrecklichen Stößen nicht wider¬
stehen könne». Um diese Zeit war uns der Terror so nahe, daß, wenn er sich
ans dem Gipfel der einen Welle erhob, der Erebus sich auf der Spitze der
nächsten unter seinem Lee befand; der Abgrund zwischen ihnen war mit rollenden
Eismassen angefüllt, und wenn die Schiffe in die Tiefe zwischen den Wellen
Hinabschossen, war von dem Deck des einen die große Marsraa des andern über
dem Kamm der sich dazwischen erhebenden Woge gerade noch sichtbar; daraus
kann man sich eine Vorstellung von der Höhe der Wellen und der Gefährlichkeit
unsrer Lage macheu." Erst nach 28stiindiger Dauer legte sich der Sturm, in
dem beide Schiffe ihr Steuerruder verloren. Nach ausgebesserte» Schäden
drangen sie weiter »ach dem Rande des Eises vor, wo die Eisschollen noch dichter
zusa»»»e»gehä»se wäre», »»d eine fürchterliche Braudung die Gefahr noch ver¬
mehrte. — Erst »ach solche» A»fere»g»ngen läßt sich in diesen Regionen das freie
Meer erreichen, welches ungehindertes und rasches Vordringen.nach Süden ge¬
stattet; aber sehr oft schließt sich auch das Packeis ,so dicht zusammen, daß an
keine Weiterfahrt zu denken ist, während die chaotisch über einander gethürmten Eis-
massen jeden Versuch, z» Fuß weiter vorzudringen, unmöglich machen. Bei ihrer
erste» Fahrt gegen Süden durchbrachen jedoch der Erebus und der Terror den
Eisgürtel in wenigen Tagen, und sie befanden sich um» i» einem vollkommen eis¬
freien Meere, ans dem sie unbehindert nach Süden steuern konnten. Schon jetzt
glaubten die Neulinge i» diese» Regionen La»d zu sehe», »änlich eine zackige
mit Schuee bedeckte Gebirgsreihe, die aber weiter Nichts war, als der obere


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[0268] stürzen; der Untergang der Schiffe schien unvermeidlich. Lassen wir Sir James Roß selbst sprechen: „Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt um 2 Uhr Nachts. Obgleich wir viele Meilen tiefer in das Packeis gedrängt worden waren, ließ sich doch kein Abnehmen der Deining bemerken, und unsre Schiffe rollte» und trachten mitten unter den schweren Massen zermalmender Berge, über welche das Meer mit seineu gigantischen Wellen tosete, eine große Masse über die andere thürmten und sie dann wieder tief unter seine schäumenden Wogen begrub, mit fürchterlicher Gewalt sie an einander schmetternd und zermalmend. Die schauerliche Erhabenheit einer solchen Scene kann weder gedacht noch be¬ schrieben werden, noch viel weniger lassen sich die Empfindungen der Zuschauenden nachfühlen. Jeder hielt sich auf dem Verdecke fest, und erwartete sein Schicksal mit Ergebung in den Willen des Höchsten, der allein uns erhalten und aus dieser Gesahr retten konnte. Mit athemloser, angstvoller Erwartung beobachteten wir die Wirkung jedes neuen Stoßes, und die zitternden Bewegungen der schwankenden Maste, jeden Augenblick erwartend, sie niederfallen zu sehen. Ob¬ gleich um vier Uhr Nachmittags die Gewalt des Sturmes etwas nachgelassen hatte, so bliesen doch die Boer mit unverminderter Heftigkeit, legten das Schiff ganz auf die Seite, und drohten die Sturmsegel in Fetzen zu zerreißen; zum Glück waren sie ganz neu, sonst hätten sie so schrecklichen Stößen nicht wider¬ stehen könne». Um diese Zeit war uns der Terror so nahe, daß, wenn er sich ans dem Gipfel der einen Welle erhob, der Erebus sich auf der Spitze der nächsten unter seinem Lee befand; der Abgrund zwischen ihnen war mit rollenden Eismassen angefüllt, und wenn die Schiffe in die Tiefe zwischen den Wellen Hinabschossen, war von dem Deck des einen die große Marsraa des andern über dem Kamm der sich dazwischen erhebenden Woge gerade noch sichtbar; daraus kann man sich eine Vorstellung von der Höhe der Wellen und der Gefährlichkeit unsrer Lage macheu." Erst nach 28stiindiger Dauer legte sich der Sturm, in dem beide Schiffe ihr Steuerruder verloren. Nach ausgebesserte» Schäden drangen sie weiter »ach dem Rande des Eises vor, wo die Eisschollen noch dichter zusa»»»e»gehä»se wäre», »»d eine fürchterliche Braudung die Gefahr noch ver¬ mehrte. — Erst »ach solche» A»fere»g»ngen läßt sich in diesen Regionen das freie Meer erreichen, welches ungehindertes und rasches Vordringen.nach Süden ge¬ stattet; aber sehr oft schließt sich auch das Packeis ,so dicht zusammen, daß an keine Weiterfahrt zu denken ist, während die chaotisch über einander gethürmten Eis- massen jeden Versuch, z» Fuß weiter vorzudringen, unmöglich machen. Bei ihrer erste» Fahrt gegen Süden durchbrachen jedoch der Erebus und der Terror den Eisgürtel in wenigen Tagen, und sie befanden sich um» i» einem vollkommen eis¬ freien Meere, ans dem sie unbehindert nach Süden steuern konnten. Schon jetzt glaubten die Neulinge i» diese» Regionen La»d zu sehe», »änlich eine zackige mit Schuee bedeckte Gebirgsreihe, die aber weiter Nichts war, als der obere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/268>, abgerufen am 28.12.2024.