Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dabei immer einige Vorsicht nöthig, obgleich den Tag über keine Schwarzen in
der Nähe gewesen waren, man weist nicht, wie und wo die schwarzen Burschen
herumkriechen, und sie könnten Einem leicht einmal zur unrechten Zeit ans den
Hals kommen, --

Wir sanden das Grab und begannen unsre schauerliche Arbeit -- der
Boden war leichter Sand und wir rückten rasch vorwärts -- mein Spaten stieß
bald ans etwas Harres -- die Indianer begraben ihre Todten nicht tief -- doch
eS war noch nicht das Gerippe, -- wir kamen erst zu dem Holz, mit dem sie
gewöhnlich die Leiche bedecken. Das Licht einer gewöhnlichen Laterne leuchtete
uns, n"d der Modergeruch der aus der feuchten Erde, zu der wir jetzt kamen,
emporstieg, war widerlich. Ich warf einen Theil des Holzes heraus und arbeitete
weiter,

"Hier must der Kopf liegen" sagte der Doctor, ,,das hineingesteckte Holz ist
das -Zeichen" wir gruben nach, aber vergebens das ganze Holz warfen wir
aus dem Grab, die ganze feuchte Mvdererde, bis wir auf den harten, und augen¬
scheinlich noch nie berührten Unterboden kamen. Dort lag alles Land, jedenfalls
mit den Theilen deö früher ans ihnen ruhenden und dann verwesten Körpers
zersetzt, aber kein Gerippe -- die Schwarzen hatten das schon, wie es bei man-
chen von ihren Stämmen Sitte ist, selber herausgenommen und verbrannt, und
wir waren geprellt. Der Doctor fluchte ans die Halunken, denen man selbst im
Tode nicht mehr trauen könnte, und ich packte Spaten und Sack, den wir uns
zum Hiuciupacken der Gebeine mir genommen hatten, zusammen, mein Begleiter
nahm die Laterne ans, und wir wanderten, mit dem Erfolg unsrer nächtlichen
Sendung natürlich höchst unzufrieden, in das nahe Städtchen zurück.

Fröhlicher Lärm schallte uns von dort entgegen, Violine, Trompete und
Clarinette spielten jedes in seiner eigenen Tonart einen rauschenden Galopp, die
Paare wirbelten im Kreise herum, der Saal war, waS sie ans dem Leipziger
Theaterzettel "festlich erleuchtet" nenne", -- Aus dem Grab auf den Ball --
der Abstand war zu gewaltig, und ich brauchte wirklich erst einige Minuten, bis
ich mich recht in meine neue Umgebung hineingefunden hatte. Die geputzte fröhliche
Schaar schwang sich indessen bei dem entsetzlichen Dreiklang rasch nud mit leuch¬
tenden Blicken im Kreise herum, "ud in einem freundlichen Seitenstübchen fand
ich eine andere Gesellschaft "ehrbarer Staatsbürger" versammelt, die sich hier bei
einem Gläschen Medoc deö doppelten Genusses -- der Musik und des Tanz-
stanbcS erfreuten. Hier waren die "Honoratioren" versammelt, Doctor und
Apotheker, Pastor und Schulmeister, Kaufmann A'. -- ja das sind ja wol bei
uns die "Honoratioren", nur base wir noch bei uns Bürgermeister und Zoll¬
beamten dazu rechnen. Hier in diesem glücklichen kleinen Städtchen kannten wir
aber derzeit weder die einen noch die anderen -- Zollbeamte eMirteu hier aus
dem einfachen Grnnde nicht, daß das Städtchen mitten im Lande lag, und Gerichts-


dabei immer einige Vorsicht nöthig, obgleich den Tag über keine Schwarzen in
der Nähe gewesen waren, man weist nicht, wie und wo die schwarzen Burschen
herumkriechen, und sie könnten Einem leicht einmal zur unrechten Zeit ans den
Hals kommen, —

Wir sanden das Grab und begannen unsre schauerliche Arbeit — der
Boden war leichter Sand und wir rückten rasch vorwärts — mein Spaten stieß
bald ans etwas Harres — die Indianer begraben ihre Todten nicht tief — doch
eS war noch nicht das Gerippe, — wir kamen erst zu dem Holz, mit dem sie
gewöhnlich die Leiche bedecken. Das Licht einer gewöhnlichen Laterne leuchtete
uns, n»d der Modergeruch der aus der feuchten Erde, zu der wir jetzt kamen,
emporstieg, war widerlich. Ich warf einen Theil des Holzes heraus und arbeitete
weiter,

„Hier must der Kopf liegen" sagte der Doctor, ,,das hineingesteckte Holz ist
das -Zeichen" wir gruben nach, aber vergebens das ganze Holz warfen wir
aus dem Grab, die ganze feuchte Mvdererde, bis wir auf den harten, und augen¬
scheinlich noch nie berührten Unterboden kamen. Dort lag alles Land, jedenfalls
mit den Theilen deö früher ans ihnen ruhenden und dann verwesten Körpers
zersetzt, aber kein Gerippe — die Schwarzen hatten das schon, wie es bei man-
chen von ihren Stämmen Sitte ist, selber herausgenommen und verbrannt, und
wir waren geprellt. Der Doctor fluchte ans die Halunken, denen man selbst im
Tode nicht mehr trauen könnte, und ich packte Spaten und Sack, den wir uns
zum Hiuciupacken der Gebeine mir genommen hatten, zusammen, mein Begleiter
nahm die Laterne ans, und wir wanderten, mit dem Erfolg unsrer nächtlichen
Sendung natürlich höchst unzufrieden, in das nahe Städtchen zurück.

Fröhlicher Lärm schallte uns von dort entgegen, Violine, Trompete und
Clarinette spielten jedes in seiner eigenen Tonart einen rauschenden Galopp, die
Paare wirbelten im Kreise herum, der Saal war, waS sie ans dem Leipziger
Theaterzettel „festlich erleuchtet" nenne», — Aus dem Grab auf den Ball —
der Abstand war zu gewaltig, und ich brauchte wirklich erst einige Minuten, bis
ich mich recht in meine neue Umgebung hineingefunden hatte. Die geputzte fröhliche
Schaar schwang sich indessen bei dem entsetzlichen Dreiklang rasch nud mit leuch¬
tenden Blicken im Kreise herum, »ud in einem freundlichen Seitenstübchen fand
ich eine andere Gesellschaft „ehrbarer Staatsbürger" versammelt, die sich hier bei
einem Gläschen Medoc deö doppelten Genusses — der Musik und des Tanz-
stanbcS erfreuten. Hier waren die „Honoratioren" versammelt, Doctor und
Apotheker, Pastor und Schulmeister, Kaufmann A'. — ja das sind ja wol bei
uns die „Honoratioren", nur base wir noch bei uns Bürgermeister und Zoll¬
beamten dazu rechnen. Hier in diesem glücklichen kleinen Städtchen kannten wir
aber derzeit weder die einen noch die anderen — Zollbeamte eMirteu hier aus
dem einfachen Grnnde nicht, daß das Städtchen mitten im Lande lag, und Gerichts-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186054"/>
          <p xml:id="ID_497" prev="#ID_496"> dabei immer einige Vorsicht nöthig, obgleich den Tag über keine Schwarzen in<lb/>
der Nähe gewesen waren, man weist nicht, wie und wo die schwarzen Burschen<lb/>
herumkriechen, und sie könnten Einem leicht einmal zur unrechten Zeit ans den<lb/>
Hals kommen, &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_498"> Wir sanden das Grab und begannen unsre schauerliche Arbeit &#x2014; der<lb/>
Boden war leichter Sand und wir rückten rasch vorwärts &#x2014; mein Spaten stieß<lb/>
bald ans etwas Harres &#x2014; die Indianer begraben ihre Todten nicht tief &#x2014; doch<lb/>
eS war noch nicht das Gerippe, &#x2014; wir kamen erst zu dem Holz, mit dem sie<lb/>
gewöhnlich die Leiche bedecken. Das Licht einer gewöhnlichen Laterne leuchtete<lb/>
uns, n»d der Modergeruch der aus der feuchten Erde, zu der wir jetzt kamen,<lb/>
emporstieg, war widerlich. Ich warf einen Theil des Holzes heraus und arbeitete<lb/>
weiter,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_499"> &#x201E;Hier must der Kopf liegen" sagte der Doctor, ,,das hineingesteckte Holz ist<lb/>
das -Zeichen" wir gruben nach, aber vergebens das ganze Holz warfen wir<lb/>
aus dem Grab, die ganze feuchte Mvdererde, bis wir auf den harten, und augen¬<lb/>
scheinlich noch nie berührten Unterboden kamen. Dort lag alles Land, jedenfalls<lb/>
mit den Theilen deö früher ans ihnen ruhenden und dann verwesten Körpers<lb/>
zersetzt, aber kein Gerippe &#x2014; die Schwarzen hatten das schon, wie es bei man-<lb/>
chen von ihren Stämmen Sitte ist, selber herausgenommen und verbrannt, und<lb/>
wir waren geprellt. Der Doctor fluchte ans die Halunken, denen man selbst im<lb/>
Tode nicht mehr trauen könnte, und ich packte Spaten und Sack, den wir uns<lb/>
zum Hiuciupacken der Gebeine mir genommen hatten, zusammen, mein Begleiter<lb/>
nahm die Laterne ans, und wir wanderten, mit dem Erfolg unsrer nächtlichen<lb/>
Sendung natürlich höchst unzufrieden, in das nahe Städtchen zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500" next="#ID_501"> Fröhlicher Lärm schallte uns von dort entgegen, Violine, Trompete und<lb/>
Clarinette spielten jedes in seiner eigenen Tonart einen rauschenden Galopp, die<lb/>
Paare wirbelten im Kreise herum, der Saal war, waS sie ans dem Leipziger<lb/>
Theaterzettel &#x201E;festlich erleuchtet" nenne», &#x2014; Aus dem Grab auf den Ball &#x2014;<lb/>
der Abstand war zu gewaltig, und ich brauchte wirklich erst einige Minuten, bis<lb/>
ich mich recht in meine neue Umgebung hineingefunden hatte. Die geputzte fröhliche<lb/>
Schaar schwang sich indessen bei dem entsetzlichen Dreiklang rasch nud mit leuch¬<lb/>
tenden Blicken im Kreise herum, »ud in einem freundlichen Seitenstübchen fand<lb/>
ich eine andere Gesellschaft &#x201E;ehrbarer Staatsbürger" versammelt, die sich hier bei<lb/>
einem Gläschen Medoc deö doppelten Genusses &#x2014; der Musik und des Tanz-<lb/>
stanbcS erfreuten. Hier waren die &#x201E;Honoratioren" versammelt, Doctor und<lb/>
Apotheker, Pastor und Schulmeister, Kaufmann A'. &#x2014; ja das sind ja wol bei<lb/>
uns die &#x201E;Honoratioren", nur base wir noch bei uns Bürgermeister und Zoll¬<lb/>
beamten dazu rechnen. Hier in diesem glücklichen kleinen Städtchen kannten wir<lb/>
aber derzeit weder die einen noch die anderen &#x2014; Zollbeamte eMirteu hier aus<lb/>
dem einfachen Grnnde nicht, daß das Städtchen mitten im Lande lag, und Gerichts-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] dabei immer einige Vorsicht nöthig, obgleich den Tag über keine Schwarzen in der Nähe gewesen waren, man weist nicht, wie und wo die schwarzen Burschen herumkriechen, und sie könnten Einem leicht einmal zur unrechten Zeit ans den Hals kommen, — Wir sanden das Grab und begannen unsre schauerliche Arbeit — der Boden war leichter Sand und wir rückten rasch vorwärts — mein Spaten stieß bald ans etwas Harres — die Indianer begraben ihre Todten nicht tief — doch eS war noch nicht das Gerippe, — wir kamen erst zu dem Holz, mit dem sie gewöhnlich die Leiche bedecken. Das Licht einer gewöhnlichen Laterne leuchtete uns, n»d der Modergeruch der aus der feuchten Erde, zu der wir jetzt kamen, emporstieg, war widerlich. Ich warf einen Theil des Holzes heraus und arbeitete weiter, „Hier must der Kopf liegen" sagte der Doctor, ,,das hineingesteckte Holz ist das -Zeichen" wir gruben nach, aber vergebens das ganze Holz warfen wir aus dem Grab, die ganze feuchte Mvdererde, bis wir auf den harten, und augen¬ scheinlich noch nie berührten Unterboden kamen. Dort lag alles Land, jedenfalls mit den Theilen deö früher ans ihnen ruhenden und dann verwesten Körpers zersetzt, aber kein Gerippe — die Schwarzen hatten das schon, wie es bei man- chen von ihren Stämmen Sitte ist, selber herausgenommen und verbrannt, und wir waren geprellt. Der Doctor fluchte ans die Halunken, denen man selbst im Tode nicht mehr trauen könnte, und ich packte Spaten und Sack, den wir uns zum Hiuciupacken der Gebeine mir genommen hatten, zusammen, mein Begleiter nahm die Laterne ans, und wir wanderten, mit dem Erfolg unsrer nächtlichen Sendung natürlich höchst unzufrieden, in das nahe Städtchen zurück. Fröhlicher Lärm schallte uns von dort entgegen, Violine, Trompete und Clarinette spielten jedes in seiner eigenen Tonart einen rauschenden Galopp, die Paare wirbelten im Kreise herum, der Saal war, waS sie ans dem Leipziger Theaterzettel „festlich erleuchtet" nenne», — Aus dem Grab auf den Ball — der Abstand war zu gewaltig, und ich brauchte wirklich erst einige Minuten, bis ich mich recht in meine neue Umgebung hineingefunden hatte. Die geputzte fröhliche Schaar schwang sich indessen bei dem entsetzlichen Dreiklang rasch nud mit leuch¬ tenden Blicken im Kreise herum, »ud in einem freundlichen Seitenstübchen fand ich eine andere Gesellschaft „ehrbarer Staatsbürger" versammelt, die sich hier bei einem Gläschen Medoc deö doppelten Genusses — der Musik und des Tanz- stanbcS erfreuten. Hier waren die „Honoratioren" versammelt, Doctor und Apotheker, Pastor und Schulmeister, Kaufmann A'. — ja das sind ja wol bei uns die „Honoratioren", nur base wir noch bei uns Bürgermeister und Zoll¬ beamten dazu rechnen. Hier in diesem glücklichen kleinen Städtchen kannten wir aber derzeit weder die einen noch die anderen — Zollbeamte eMirteu hier aus dem einfachen Grnnde nicht, daß das Städtchen mitten im Lande lag, und Gerichts-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/178>, abgerufen am 24.07.2024.