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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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an diesen verzweifelten Stämmen Hopfen und Malz verloren sei, auf und über¬
nahm die Predigerstelle bei dieser Gemeinde. Außerdem hat er sich aber auch
mehrfache Verdienste durch die Herausgabe mehrerer kleinen Schriften erworben,
deren eine die Sprache der Stämme behandelt, mit denen er in Verkehr gewesen,
und die andere ihre Sitten und Gewohnheiten.

Dies sind nun die "Heiligen" Tannnda's, diesem gegenüber stehen aber
mich noch die sogenannten "Weltkinder", und nach Artikel 1 der Kavel'schen
Kirchenordnung läßt sich denken, daß sie nicht viel von den anderen Gemeinden
-- deren Unduldsamkeit dabei sprichwörtlich geworden -- zu hoffen hatten. Die
Wclttmoer sind aber auch natürlich nicht alle einerlei Meinung, es sind Katho¬
liken und Protestanten dabei; daun Freisinnige -- d. h. solche, die den lieben
Gott einen guten Mann sein lassen und schlicht und einfach ihre eigenen Wege
gehn, oder Deisten, die eben nnr an einen Gott glauben und den heiligen
Geist mit wirklich schauderhafter Gleichgültigkeit betrachten, ?c. -- Dann aber
auch gehören zu diesen "Weltkindern" und zwar in einem nicht geringen Theil
solche, die allerdings nicht mit der Alles von sich ans dem Weg werfenden Kavel'¬
schen Gemeinde gehen wollen, die aber doch noch an ihren alten Gebräuchen
hängen und, obgleich hier Weltkinder genannt, in manchen Gegenden Deutschlands
zu den strengsten Kirchgängern und den eifrigsten Gesangbnchverssängern gehört
haben würden.

Das riesige Werk nnn, diese verschiedenen Exemplare von "Christen" alle
nnter einen Hut, oder doch wenigstens in eine Kirche zu bringen, unternahm
Herr Or. Mücke aus Berlin, der sich hier in Süd-Australien niedergelassen hat.
Er gründete eine freisinnige oder freie Gemeinde und ist jetzt in Tannnda Pastor --
Natürlich stehen sich Kavel und er ans das Feindlichste gegenüber, denn wenn
auch "r. Mücke keineswegs gegen den andern Glauben, sondern nnr für den
seinigen kämpft, so verträgt sich das natürlich nicht mit den Grundsätzen der
Gegenpartei, und es sollen da manchmal sehr erbauliche Sachen vorfallen.
Herr or. Mücke hat übrigens außerdem einen äußerst schwierigen Stand, denn
er will im Kleinen ausführen, was, wenn es im Großen ausführbar wäre,
vielleicht zu einem Segen des Menschengeschlechts, wenigstens doch ein sehr be¬
deutender Schritt in der Cultur desselben sein würde. Er will ein Gewirr von
Secten in einander schmelzen, die nach allen Seiten Hinansstarren, und das Re¬
sultat ist ihm leider Gottes leicht genng zu prophezeihen. Es wird ihm nicht
gelingen. Der einen Partei ist er nnn einmal, wenn sie auch keine Altlntheraner
sind, nicht orthodox, genng -- sie erinnert sich mit einer stillen Sehnsucht ihres
Pastors in Deutschland, der ihnen doch von der Kanzel herunter den Text tüchtig
las, wenn sie gefehlt hatten, und -- alle Wetter, wie hatte der die Bibel los,
"und was 'ne Stimme hatt' er" -- "da künne mer noch so fast schlvsen," sagte
mir einmal ein Sachse, "der schrieb Eenen uff."


an diesen verzweifelten Stämmen Hopfen und Malz verloren sei, auf und über¬
nahm die Predigerstelle bei dieser Gemeinde. Außerdem hat er sich aber auch
mehrfache Verdienste durch die Herausgabe mehrerer kleinen Schriften erworben,
deren eine die Sprache der Stämme behandelt, mit denen er in Verkehr gewesen,
und die andere ihre Sitten und Gewohnheiten.

Dies sind nun die „Heiligen" Tannnda's, diesem gegenüber stehen aber
mich noch die sogenannten „Weltkinder", und nach Artikel 1 der Kavel'schen
Kirchenordnung läßt sich denken, daß sie nicht viel von den anderen Gemeinden
— deren Unduldsamkeit dabei sprichwörtlich geworden — zu hoffen hatten. Die
Wclttmoer sind aber auch natürlich nicht alle einerlei Meinung, es sind Katho¬
liken und Protestanten dabei; daun Freisinnige — d. h. solche, die den lieben
Gott einen guten Mann sein lassen und schlicht und einfach ihre eigenen Wege
gehn, oder Deisten, die eben nnr an einen Gott glauben und den heiligen
Geist mit wirklich schauderhafter Gleichgültigkeit betrachten, ?c. — Dann aber
auch gehören zu diesen „Weltkindern" und zwar in einem nicht geringen Theil
solche, die allerdings nicht mit der Alles von sich ans dem Weg werfenden Kavel'¬
schen Gemeinde gehen wollen, die aber doch noch an ihren alten Gebräuchen
hängen und, obgleich hier Weltkinder genannt, in manchen Gegenden Deutschlands
zu den strengsten Kirchgängern und den eifrigsten Gesangbnchverssängern gehört
haben würden.

Das riesige Werk nnn, diese verschiedenen Exemplare von „Christen" alle
nnter einen Hut, oder doch wenigstens in eine Kirche zu bringen, unternahm
Herr Or. Mücke aus Berlin, der sich hier in Süd-Australien niedergelassen hat.
Er gründete eine freisinnige oder freie Gemeinde und ist jetzt in Tannnda Pastor —
Natürlich stehen sich Kavel und er ans das Feindlichste gegenüber, denn wenn
auch »r. Mücke keineswegs gegen den andern Glauben, sondern nnr für den
seinigen kämpft, so verträgt sich das natürlich nicht mit den Grundsätzen der
Gegenpartei, und es sollen da manchmal sehr erbauliche Sachen vorfallen.
Herr or. Mücke hat übrigens außerdem einen äußerst schwierigen Stand, denn
er will im Kleinen ausführen, was, wenn es im Großen ausführbar wäre,
vielleicht zu einem Segen des Menschengeschlechts, wenigstens doch ein sehr be¬
deutender Schritt in der Cultur desselben sein würde. Er will ein Gewirr von
Secten in einander schmelzen, die nach allen Seiten Hinansstarren, und das Re¬
sultat ist ihm leider Gottes leicht genng zu prophezeihen. Es wird ihm nicht
gelingen. Der einen Partei ist er nnn einmal, wenn sie auch keine Altlntheraner
sind, nicht orthodox, genng — sie erinnert sich mit einer stillen Sehnsucht ihres
Pastors in Deutschland, der ihnen doch von der Kanzel herunter den Text tüchtig
las, wenn sie gefehlt hatten, und — alle Wetter, wie hatte der die Bibel los,
„und was 'ne Stimme hatt' er" — „da künne mer noch so fast schlvsen," sagte
mir einmal ein Sachse, „der schrieb Eenen uff."


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[0174] an diesen verzweifelten Stämmen Hopfen und Malz verloren sei, auf und über¬ nahm die Predigerstelle bei dieser Gemeinde. Außerdem hat er sich aber auch mehrfache Verdienste durch die Herausgabe mehrerer kleinen Schriften erworben, deren eine die Sprache der Stämme behandelt, mit denen er in Verkehr gewesen, und die andere ihre Sitten und Gewohnheiten. Dies sind nun die „Heiligen" Tannnda's, diesem gegenüber stehen aber mich noch die sogenannten „Weltkinder", und nach Artikel 1 der Kavel'schen Kirchenordnung läßt sich denken, daß sie nicht viel von den anderen Gemeinden — deren Unduldsamkeit dabei sprichwörtlich geworden — zu hoffen hatten. Die Wclttmoer sind aber auch natürlich nicht alle einerlei Meinung, es sind Katho¬ liken und Protestanten dabei; daun Freisinnige — d. h. solche, die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und schlicht und einfach ihre eigenen Wege gehn, oder Deisten, die eben nnr an einen Gott glauben und den heiligen Geist mit wirklich schauderhafter Gleichgültigkeit betrachten, ?c. — Dann aber auch gehören zu diesen „Weltkindern" und zwar in einem nicht geringen Theil solche, die allerdings nicht mit der Alles von sich ans dem Weg werfenden Kavel'¬ schen Gemeinde gehen wollen, die aber doch noch an ihren alten Gebräuchen hängen und, obgleich hier Weltkinder genannt, in manchen Gegenden Deutschlands zu den strengsten Kirchgängern und den eifrigsten Gesangbnchverssängern gehört haben würden. Das riesige Werk nnn, diese verschiedenen Exemplare von „Christen" alle nnter einen Hut, oder doch wenigstens in eine Kirche zu bringen, unternahm Herr Or. Mücke aus Berlin, der sich hier in Süd-Australien niedergelassen hat. Er gründete eine freisinnige oder freie Gemeinde und ist jetzt in Tannnda Pastor — Natürlich stehen sich Kavel und er ans das Feindlichste gegenüber, denn wenn auch »r. Mücke keineswegs gegen den andern Glauben, sondern nnr für den seinigen kämpft, so verträgt sich das natürlich nicht mit den Grundsätzen der Gegenpartei, und es sollen da manchmal sehr erbauliche Sachen vorfallen. Herr or. Mücke hat übrigens außerdem einen äußerst schwierigen Stand, denn er will im Kleinen ausführen, was, wenn es im Großen ausführbar wäre, vielleicht zu einem Segen des Menschengeschlechts, wenigstens doch ein sehr be¬ deutender Schritt in der Cultur desselben sein würde. Er will ein Gewirr von Secten in einander schmelzen, die nach allen Seiten Hinansstarren, und das Re¬ sultat ist ihm leider Gottes leicht genng zu prophezeihen. Es wird ihm nicht gelingen. Der einen Partei ist er nnn einmal, wenn sie auch keine Altlntheraner sind, nicht orthodox, genng — sie erinnert sich mit einer stillen Sehnsucht ihres Pastors in Deutschland, der ihnen doch von der Kanzel herunter den Text tüchtig las, wenn sie gefehlt hatten, und — alle Wetter, wie hatte der die Bibel los, „und was 'ne Stimme hatt' er" — „da künne mer noch so fast schlvsen," sagte mir einmal ein Sachse, „der schrieb Eenen uff."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/174>, abgerufen am 24.07.2024.