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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Elend sind in dieser Gegend zu groß, als daß diese Bemühungen schnell eine
bedeutende Besserung herbeiführen können, denn wenn man anch alles Mögliche für
die Kinder thut, so sind dochdic Aeltern noch ärger. Diese müssen durch sich selbst
zur Arbeitsamkeit, Reinlichkeit "ut Mäßigkeit gelangen und die (!it.y-ni88in)n ist uner-
müdet ini Ermahnen und Ermuntern, was nicht immer gut aufgenommen wird. Einst
kam ein Mitglied dieser Gesellschaft zu einer Familie, wurde aber mit Schimpfe
Wörtern überhäuft, und die Drohung, ihn zur Thüre hinauszuwerfen, wäre gewiß
vollzogen worden, hätte nicht plötzlich ein Kind uuter dem Tische hervorgeschrien:
"Vater, Mutter! er gehört zu meiner Schule!" Dies veränderte die ganze Scene,
man wurde höflich, machte Entschuldigungen und bestrebte sich fernerhin, sogar
den Ermahnungen und Rathschlägen des Missionairs Folge zu leiste".

Merkwürdig ist es indessen, daß im Allgemeinen diese armen Kinder auf-
geweckter und begabter sind, als die der Reichen, und wenn sie erst Geschmack
am Schulunterricht gewonnen haben, haben viele mit einer Begierde darnach
gestrebt, die--namentlich vor der Errichtung des .luvelino-Kcckago --dem Hun¬
ger und den Mißhandlungen der Aeltern trotzte; denn sie besuchten die Schule,
wenn sie von den Aeltern zum stehle" ausgeschickt wäre", "ud gingen, wohlbewußt
der ihrer harrcttden Strafe, vergnügt nach Hanse.

Dieser stille Heldenmuth, so wie die allgemeine große Lust zum Lernen,
gewährt den Lehrern auch wahre Befriedigung bei ihrer mühseligen Arbeit, ja die,
welche sich so recht damit beschäftigen, werden von einer förmlichen Leidenschaft
dafür ergriffen, ^ eine Leidenschaft, die sich Allen mittheilt, die mit ihnen und
deu Kindern in Berührung kommen, so daß alle Zerstreuungen Londons vor dem
Genuß, diese Anstalten zu besuchen, zurückstehen.

Eine Stufe höher, als diese niedrigste Klasse aller Schulen, steht die eigent¬
liche Volksschule, die eine, wenn auch uur sehr kleine Unterstützung zur Erhaltung
der Gebäude vom Staate erhält, deren Unkosten aber im Uebrigen durch frei¬
willige Beiträge und Schulgeld der Aeltern bestritten wird, allein dieses Schulgeld
ist nur 1, höchstens 2 Pence wöchentlich. Die Volksschule zerfällt in zwei Haupt-
abtheilungen: U>v i^nimmt -in.l pnri^it svliool" (Districtsschulcn) für Anhänger
der anglikanischen Kirche, und to- >!>!!!->!> unä soroign "elwol^ für Dissendeuteu
(Presbyterianer, Independenten und Baptisten). Jene bilden in London eine
Anzahl von circa 700 Schulen mit 6!i,000 Kindern, diese 200, mit 1^0,000
Kindern. Außerdem habe" alle übrige" Gla"beusge"osse", Wesleja"er, Cougre-
gationalisten, Juden, Katholiken?c. ihre besonderen Schulen, stets übereinstimmend
mit dem Princip, welches bis jetzt in England vorherrschend ist, daß Religion
und Unterricht nicht von einander getrennt werden können. --

Ueber diese Volksschulen stehen die privaten Iioiiräinx und Frammar-heim"!"
(Gymnasien und gelehrte Schulen), welche gewöhnlich reiche Legate besitzen. Ein
Theil dieser ^iunmar-selwols sind deshalb a"es zugleich Freischnlen. Man findet


Elend sind in dieser Gegend zu groß, als daß diese Bemühungen schnell eine
bedeutende Besserung herbeiführen können, denn wenn man anch alles Mögliche für
die Kinder thut, so sind dochdic Aeltern noch ärger. Diese müssen durch sich selbst
zur Arbeitsamkeit, Reinlichkeit »ut Mäßigkeit gelangen und die (!it.y-ni88in)n ist uner-
müdet ini Ermahnen und Ermuntern, was nicht immer gut aufgenommen wird. Einst
kam ein Mitglied dieser Gesellschaft zu einer Familie, wurde aber mit Schimpfe
Wörtern überhäuft, und die Drohung, ihn zur Thüre hinauszuwerfen, wäre gewiß
vollzogen worden, hätte nicht plötzlich ein Kind uuter dem Tische hervorgeschrien:
„Vater, Mutter! er gehört zu meiner Schule!" Dies veränderte die ganze Scene,
man wurde höflich, machte Entschuldigungen und bestrebte sich fernerhin, sogar
den Ermahnungen und Rathschlägen des Missionairs Folge zu leiste».

Merkwürdig ist es indessen, daß im Allgemeinen diese armen Kinder auf-
geweckter und begabter sind, als die der Reichen, und wenn sie erst Geschmack
am Schulunterricht gewonnen haben, haben viele mit einer Begierde darnach
gestrebt, die—namentlich vor der Errichtung des .luvelino-Kcckago --dem Hun¬
ger und den Mißhandlungen der Aeltern trotzte; denn sie besuchten die Schule,
wenn sie von den Aeltern zum stehle» ausgeschickt wäre», »ud gingen, wohlbewußt
der ihrer harrcttden Strafe, vergnügt nach Hanse.

Dieser stille Heldenmuth, so wie die allgemeine große Lust zum Lernen,
gewährt den Lehrern auch wahre Befriedigung bei ihrer mühseligen Arbeit, ja die,
welche sich so recht damit beschäftigen, werden von einer förmlichen Leidenschaft
dafür ergriffen, ^ eine Leidenschaft, die sich Allen mittheilt, die mit ihnen und
deu Kindern in Berührung kommen, so daß alle Zerstreuungen Londons vor dem
Genuß, diese Anstalten zu besuchen, zurückstehen.

Eine Stufe höher, als diese niedrigste Klasse aller Schulen, steht die eigent¬
liche Volksschule, die eine, wenn auch uur sehr kleine Unterstützung zur Erhaltung
der Gebäude vom Staate erhält, deren Unkosten aber im Uebrigen durch frei¬
willige Beiträge und Schulgeld der Aeltern bestritten wird, allein dieses Schulgeld
ist nur 1, höchstens 2 Pence wöchentlich. Die Volksschule zerfällt in zwei Haupt-
abtheilungen: U>v i^nimmt -in.l pnri^it svliool» (Districtsschulcn) für Anhänger
der anglikanischen Kirche, und to- >!>!!!->!> unä soroign «elwol^ für Dissendeuteu
(Presbyterianer, Independenten und Baptisten). Jene bilden in London eine
Anzahl von circa 700 Schulen mit 6!i,000 Kindern, diese 200, mit 1^0,000
Kindern. Außerdem habe» alle übrige» Gla»beusge»osse», Wesleja»er, Cougre-
gationalisten, Juden, Katholiken?c. ihre besonderen Schulen, stets übereinstimmend
mit dem Princip, welches bis jetzt in England vorherrschend ist, daß Religion
und Unterricht nicht von einander getrennt werden können. —

Ueber diese Volksschulen stehen die privaten Iioiiräinx und Frammar-heim»!»
(Gymnasien und gelehrte Schulen), welche gewöhnlich reiche Legate besitzen. Ein
Theil dieser ^iunmar-selwols sind deshalb a»es zugleich Freischnlen. Man findet


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[0149] Elend sind in dieser Gegend zu groß, als daß diese Bemühungen schnell eine bedeutende Besserung herbeiführen können, denn wenn man anch alles Mögliche für die Kinder thut, so sind dochdic Aeltern noch ärger. Diese müssen durch sich selbst zur Arbeitsamkeit, Reinlichkeit »ut Mäßigkeit gelangen und die (!it.y-ni88in)n ist uner- müdet ini Ermahnen und Ermuntern, was nicht immer gut aufgenommen wird. Einst kam ein Mitglied dieser Gesellschaft zu einer Familie, wurde aber mit Schimpfe Wörtern überhäuft, und die Drohung, ihn zur Thüre hinauszuwerfen, wäre gewiß vollzogen worden, hätte nicht plötzlich ein Kind uuter dem Tische hervorgeschrien: „Vater, Mutter! er gehört zu meiner Schule!" Dies veränderte die ganze Scene, man wurde höflich, machte Entschuldigungen und bestrebte sich fernerhin, sogar den Ermahnungen und Rathschlägen des Missionairs Folge zu leiste». Merkwürdig ist es indessen, daß im Allgemeinen diese armen Kinder auf- geweckter und begabter sind, als die der Reichen, und wenn sie erst Geschmack am Schulunterricht gewonnen haben, haben viele mit einer Begierde darnach gestrebt, die—namentlich vor der Errichtung des .luvelino-Kcckago --dem Hun¬ ger und den Mißhandlungen der Aeltern trotzte; denn sie besuchten die Schule, wenn sie von den Aeltern zum stehle» ausgeschickt wäre», »ud gingen, wohlbewußt der ihrer harrcttden Strafe, vergnügt nach Hanse. Dieser stille Heldenmuth, so wie die allgemeine große Lust zum Lernen, gewährt den Lehrern auch wahre Befriedigung bei ihrer mühseligen Arbeit, ja die, welche sich so recht damit beschäftigen, werden von einer förmlichen Leidenschaft dafür ergriffen, ^ eine Leidenschaft, die sich Allen mittheilt, die mit ihnen und deu Kindern in Berührung kommen, so daß alle Zerstreuungen Londons vor dem Genuß, diese Anstalten zu besuchen, zurückstehen. Eine Stufe höher, als diese niedrigste Klasse aller Schulen, steht die eigent¬ liche Volksschule, die eine, wenn auch uur sehr kleine Unterstützung zur Erhaltung der Gebäude vom Staate erhält, deren Unkosten aber im Uebrigen durch frei¬ willige Beiträge und Schulgeld der Aeltern bestritten wird, allein dieses Schulgeld ist nur 1, höchstens 2 Pence wöchentlich. Die Volksschule zerfällt in zwei Haupt- abtheilungen: U>v i^nimmt -in.l pnri^it svliool» (Districtsschulcn) für Anhänger der anglikanischen Kirche, und to- >!>!!!->!> unä soroign «elwol^ für Dissendeuteu (Presbyterianer, Independenten und Baptisten). Jene bilden in London eine Anzahl von circa 700 Schulen mit 6!i,000 Kindern, diese 200, mit 1^0,000 Kindern. Außerdem habe» alle übrige» Gla»beusge»osse», Wesleja»er, Cougre- gationalisten, Juden, Katholiken?c. ihre besonderen Schulen, stets übereinstimmend mit dem Princip, welches bis jetzt in England vorherrschend ist, daß Religion und Unterricht nicht von einander getrennt werden können. — Ueber diese Volksschulen stehen die privaten Iioiiräinx und Frammar-heim»!» (Gymnasien und gelehrte Schulen), welche gewöhnlich reiche Legate besitzen. Ein Theil dieser ^iunmar-selwols sind deshalb a»es zugleich Freischnlen. Man findet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/149>, abgerufen am 29.06.2024.