Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

außerdem i000 ^' zu dessen Erhaltung ausgesetzt. Dasselbe ist "ur zum Schul-
gebrauch. Vielleicht werde" Einige der Ausicht sei", es hätte hierzu eiues so großen
und hübschen Hauses uicht bedurft, u"d die 1i,000 wären besser für Brod
und Schlaslvcal zu verwenden gewesen; allein ein Jeder giebt das Seinige, und
Brod und Schlaslvcal wird gewiß bald nachfolgen.

Eines der elendesten Quartiere Londons ist Westminster-Proyer, es liegt
rund um die Abtei und wird von dem stolzen Palais und den ParlameutSgebäudeu
begrenzt. Nirgend kann der Gegensatz von englischem Reichthum und Armuth
schärfer bezeichnet sein, als hier. Die Bevölkerung dieses Quartiers, auch Se.
Margaret District genannt, ist 60,000 Seelen. Noch im Jahre 1838 wagte es
die Polizei nur schwer bewaffnet zu besuchen. Hier war der Zufluchtsort von
mehr als 2000 Kindern, welche zur Dieberei und zum Trinken erzogen wurden,
ja, das Elend, Laster und Verbrechen wucherte hier so üppig, daß es auf seine
Weise den Reichen nachahmte und eine eigene Universität errichtete. Hier fand
man Schulen, wo Unterricht im Stehlen und die Polizei zu täuschen ertheilt wurde.
Den Tüchtigste" wurden Belohnungen ertheilt, und der höchste Ehrenpreis für
einen Jüngling bestand darin, daß er einen alten ausgelernten Dieb auf seineu
Streifzügen begleiten durfte. Aber durch Stehlen wird man selten wohlhabend,
weshalb auch die Kiuder in Westminster-Proyer einen Anblick des schauderhaftesten
Elends gewährte".

Im Jahre -1838 vereinigte" sich 6 Mitglieder vou der London-City-Mission/)
um zu berathschlagen, was eigentlich zum Besten dieser Kiuder zu thun sei. Sie
beschlossen eine Schule zu errichten und wagten sich persönlich in deu District, um
die Kinder abzuholen. Es war so viel Kraft in ihrem guten Willen und ihrer auf¬
opfernden Menschenliebe, daß sie bald eine Schnur Kinder versammelt hatten und
die Schule ihren Anfang nahm. Sie bestritten selbst alle Ausgaben, worunter
12 "l> (gegen drei Species) wöchentlich für einen Schulvorsteher, welcher diesem
Posten vortrefflich gewachsen war. Ebenso kleideten sie die Kinder und hielten
sie zur Reinlichkeit an. Bald darauf vermehrte sich die Auzahl dermaßen durch
Freiwillige, daß sie noch einen großen Stall dazu miethen mußten. Verschiedene
Umstände veranlaßten indessen, daß die Auzahl dieser 6 Herren erst aus i, dann aus
3 und zuletzt auf Einen reducirt wurde, welcher nicht die Mittel besaß, die ganze
Bürde allein tragen zu können, weshalb auch, obgleich er sein Bestes that, die
Schule sehr bald erkrankte. Dies kam Lord Shciftesbury zu Ohren und
jetzt war sie gerettet. Von jetzt an wurden durchschnittlich 700 Kiuder in der
Schule versammelt, und kürzlich hat die Kax^sa-Kedool-llnion noch ein .luvoline-
>'.(;k>i.F(; hinzugefügt, woselbst die am meiste" Verlassenen täglich zwei Mahlzeiten
erhalten und in irgend einem Handwerke unterrichtet werden. Allein Noth und



Eine Gesellschaft Laien, die als Missionare das Lvndencr Proletariat besuchen.

außerdem i000 ^' zu dessen Erhaltung ausgesetzt. Dasselbe ist »ur zum Schul-
gebrauch. Vielleicht werde» Einige der Ausicht sei», es hätte hierzu eiues so großen
und hübschen Hauses uicht bedurft, u»d die 1i,000 wären besser für Brod
und Schlaslvcal zu verwenden gewesen; allein ein Jeder giebt das Seinige, und
Brod und Schlaslvcal wird gewiß bald nachfolgen.

Eines der elendesten Quartiere Londons ist Westminster-Proyer, es liegt
rund um die Abtei und wird von dem stolzen Palais und den ParlameutSgebäudeu
begrenzt. Nirgend kann der Gegensatz von englischem Reichthum und Armuth
schärfer bezeichnet sein, als hier. Die Bevölkerung dieses Quartiers, auch Se.
Margaret District genannt, ist 60,000 Seelen. Noch im Jahre 1838 wagte es
die Polizei nur schwer bewaffnet zu besuchen. Hier war der Zufluchtsort von
mehr als 2000 Kindern, welche zur Dieberei und zum Trinken erzogen wurden,
ja, das Elend, Laster und Verbrechen wucherte hier so üppig, daß es auf seine
Weise den Reichen nachahmte und eine eigene Universität errichtete. Hier fand
man Schulen, wo Unterricht im Stehlen und die Polizei zu täuschen ertheilt wurde.
Den Tüchtigste» wurden Belohnungen ertheilt, und der höchste Ehrenpreis für
einen Jüngling bestand darin, daß er einen alten ausgelernten Dieb auf seineu
Streifzügen begleiten durfte. Aber durch Stehlen wird man selten wohlhabend,
weshalb auch die Kiuder in Westminster-Proyer einen Anblick des schauderhaftesten
Elends gewährte».

Im Jahre -1838 vereinigte» sich 6 Mitglieder vou der London-City-Mission/)
um zu berathschlagen, was eigentlich zum Besten dieser Kiuder zu thun sei. Sie
beschlossen eine Schule zu errichten und wagten sich persönlich in deu District, um
die Kinder abzuholen. Es war so viel Kraft in ihrem guten Willen und ihrer auf¬
opfernden Menschenliebe, daß sie bald eine Schnur Kinder versammelt hatten und
die Schule ihren Anfang nahm. Sie bestritten selbst alle Ausgaben, worunter
12 »l> (gegen drei Species) wöchentlich für einen Schulvorsteher, welcher diesem
Posten vortrefflich gewachsen war. Ebenso kleideten sie die Kinder und hielten
sie zur Reinlichkeit an. Bald darauf vermehrte sich die Auzahl dermaßen durch
Freiwillige, daß sie noch einen großen Stall dazu miethen mußten. Verschiedene
Umstände veranlaßten indessen, daß die Auzahl dieser 6 Herren erst aus i, dann aus
3 und zuletzt auf Einen reducirt wurde, welcher nicht die Mittel besaß, die ganze
Bürde allein tragen zu können, weshalb auch, obgleich er sein Bestes that, die
Schule sehr bald erkrankte. Dies kam Lord Shciftesbury zu Ohren und
jetzt war sie gerettet. Von jetzt an wurden durchschnittlich 700 Kiuder in der
Schule versammelt, und kürzlich hat die Kax^sa-Kedool-llnion noch ein .luvoline-
>'.(;k>i.F(; hinzugefügt, woselbst die am meiste» Verlassenen täglich zwei Mahlzeiten
erhalten und in irgend einem Handwerke unterrichtet werden. Allein Noth und



Eine Gesellschaft Laien, die als Missionare das Lvndencr Proletariat besuchen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186024"/>
            <p xml:id="ID_403" prev="#ID_402"> außerdem i000 ^' zu dessen Erhaltung ausgesetzt. Dasselbe ist »ur zum Schul-<lb/>
gebrauch. Vielleicht werde» Einige der Ausicht sei», es hätte hierzu eiues so großen<lb/>
und hübschen Hauses uicht bedurft, u»d die 1i,000 wären besser für Brod<lb/>
und Schlaslvcal zu verwenden gewesen; allein ein Jeder giebt das Seinige, und<lb/>
Brod und Schlaslvcal wird gewiß bald nachfolgen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_404"> Eines der elendesten Quartiere Londons ist Westminster-Proyer, es liegt<lb/>
rund um die Abtei und wird von dem stolzen Palais und den ParlameutSgebäudeu<lb/>
begrenzt. Nirgend kann der Gegensatz von englischem Reichthum und Armuth<lb/>
schärfer bezeichnet sein, als hier. Die Bevölkerung dieses Quartiers, auch Se.<lb/>
Margaret District genannt, ist 60,000 Seelen. Noch im Jahre 1838 wagte es<lb/>
die Polizei nur schwer bewaffnet zu besuchen. Hier war der Zufluchtsort von<lb/>
mehr als 2000 Kindern, welche zur Dieberei und zum Trinken erzogen wurden,<lb/>
ja, das Elend, Laster und Verbrechen wucherte hier so üppig, daß es auf seine<lb/>
Weise den Reichen nachahmte und eine eigene Universität errichtete. Hier fand<lb/>
man Schulen, wo Unterricht im Stehlen und die Polizei zu täuschen ertheilt wurde.<lb/>
Den Tüchtigste» wurden Belohnungen ertheilt, und der höchste Ehrenpreis für<lb/>
einen Jüngling bestand darin, daß er einen alten ausgelernten Dieb auf seineu<lb/>
Streifzügen begleiten durfte. Aber durch Stehlen wird man selten wohlhabend,<lb/>
weshalb auch die Kiuder in Westminster-Proyer einen Anblick des schauderhaftesten<lb/>
Elends gewährte».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> Im Jahre -1838 vereinigte» sich 6 Mitglieder vou der London-City-Mission/)<lb/>
um zu berathschlagen, was eigentlich zum Besten dieser Kiuder zu thun sei. Sie<lb/>
beschlossen eine Schule zu errichten und wagten sich persönlich in deu District, um<lb/>
die Kinder abzuholen. Es war so viel Kraft in ihrem guten Willen und ihrer auf¬<lb/>
opfernden Menschenliebe, daß sie bald eine Schnur Kinder versammelt hatten und<lb/>
die Schule ihren Anfang nahm. Sie bestritten selbst alle Ausgaben, worunter<lb/>
12 »l&gt; (gegen drei Species) wöchentlich für einen Schulvorsteher, welcher diesem<lb/>
Posten vortrefflich gewachsen war. Ebenso kleideten sie die Kinder und hielten<lb/>
sie zur Reinlichkeit an. Bald darauf vermehrte sich die Auzahl dermaßen durch<lb/>
Freiwillige, daß sie noch einen großen Stall dazu miethen mußten. Verschiedene<lb/>
Umstände veranlaßten indessen, daß die Auzahl dieser 6 Herren erst aus i, dann aus<lb/>
3 und zuletzt auf Einen reducirt wurde, welcher nicht die Mittel besaß, die ganze<lb/>
Bürde allein tragen zu können, weshalb auch, obgleich er sein Bestes that, die<lb/>
Schule sehr bald erkrankte. Dies kam Lord Shciftesbury zu Ohren und<lb/>
jetzt war sie gerettet. Von jetzt an wurden durchschnittlich 700 Kiuder in der<lb/>
Schule versammelt, und kürzlich hat die Kax^sa-Kedool-llnion noch ein .luvoline-<lb/>
&gt;'.(;k&gt;i.F(; hinzugefügt, woselbst die am meiste» Verlassenen täglich zwei Mahlzeiten<lb/>
erhalten und in irgend einem Handwerke unterrichtet werden. Allein Noth und</p><lb/>
            <note xml:id="FID_10" place="foot"> Eine Gesellschaft Laien, die als Missionare das Lvndencr Proletariat besuchen.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] außerdem i000 ^' zu dessen Erhaltung ausgesetzt. Dasselbe ist »ur zum Schul- gebrauch. Vielleicht werde» Einige der Ausicht sei», es hätte hierzu eiues so großen und hübschen Hauses uicht bedurft, u»d die 1i,000 wären besser für Brod und Schlaslvcal zu verwenden gewesen; allein ein Jeder giebt das Seinige, und Brod und Schlaslvcal wird gewiß bald nachfolgen. Eines der elendesten Quartiere Londons ist Westminster-Proyer, es liegt rund um die Abtei und wird von dem stolzen Palais und den ParlameutSgebäudeu begrenzt. Nirgend kann der Gegensatz von englischem Reichthum und Armuth schärfer bezeichnet sein, als hier. Die Bevölkerung dieses Quartiers, auch Se. Margaret District genannt, ist 60,000 Seelen. Noch im Jahre 1838 wagte es die Polizei nur schwer bewaffnet zu besuchen. Hier war der Zufluchtsort von mehr als 2000 Kindern, welche zur Dieberei und zum Trinken erzogen wurden, ja, das Elend, Laster und Verbrechen wucherte hier so üppig, daß es auf seine Weise den Reichen nachahmte und eine eigene Universität errichtete. Hier fand man Schulen, wo Unterricht im Stehlen und die Polizei zu täuschen ertheilt wurde. Den Tüchtigste» wurden Belohnungen ertheilt, und der höchste Ehrenpreis für einen Jüngling bestand darin, daß er einen alten ausgelernten Dieb auf seineu Streifzügen begleiten durfte. Aber durch Stehlen wird man selten wohlhabend, weshalb auch die Kiuder in Westminster-Proyer einen Anblick des schauderhaftesten Elends gewährte». Im Jahre -1838 vereinigte» sich 6 Mitglieder vou der London-City-Mission/) um zu berathschlagen, was eigentlich zum Besten dieser Kiuder zu thun sei. Sie beschlossen eine Schule zu errichten und wagten sich persönlich in deu District, um die Kinder abzuholen. Es war so viel Kraft in ihrem guten Willen und ihrer auf¬ opfernden Menschenliebe, daß sie bald eine Schnur Kinder versammelt hatten und die Schule ihren Anfang nahm. Sie bestritten selbst alle Ausgaben, worunter 12 »l> (gegen drei Species) wöchentlich für einen Schulvorsteher, welcher diesem Posten vortrefflich gewachsen war. Ebenso kleideten sie die Kinder und hielten sie zur Reinlichkeit an. Bald darauf vermehrte sich die Auzahl dermaßen durch Freiwillige, daß sie noch einen großen Stall dazu miethen mußten. Verschiedene Umstände veranlaßten indessen, daß die Auzahl dieser 6 Herren erst aus i, dann aus 3 und zuletzt auf Einen reducirt wurde, welcher nicht die Mittel besaß, die ganze Bürde allein tragen zu können, weshalb auch, obgleich er sein Bestes that, die Schule sehr bald erkrankte. Dies kam Lord Shciftesbury zu Ohren und jetzt war sie gerettet. Von jetzt an wurden durchschnittlich 700 Kiuder in der Schule versammelt, und kürzlich hat die Kax^sa-Kedool-llnion noch ein .luvoline- >'.(;k>i.F(; hinzugefügt, woselbst die am meiste» Verlassenen täglich zwei Mahlzeiten erhalten und in irgend einem Handwerke unterrichtet werden. Allein Noth und Eine Gesellschaft Laien, die als Missionare das Lvndencr Proletariat besuchen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/148>, abgerufen am 04.07.2024.