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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Bezahlt denAckcrbancr nicht dem Staate und dessen Beamten große Abgaben und
denen Unterstützung, welche Mangel leiden? Gesetzt nun, wir könnten ihn ver¬
anlassen, mit uns dahin zu streben, daß der Staat sparsamer wird und die Ab¬
gaben verringert, und wir ihm zu Folge dessen begreiflich macheu, wenn das
Leben leichter und wohlfeiler wird, verringert es die Anzahl der Bedrängten,
folglich anch deren Unterstützungssnmme? -- >w. -- Aber glaubt Ihr nun nicht
bei alle dem, daß doch Einzelne einen wahrhaften unerwarteten Verlust erleiden,
welcher Anderen wiederum zum Vortheil gereicht? Ja, das läßt'sich gewiß uicht
läugnen, es bleibt aber stets, selbst bei den zweckmäßigsten Veränderungen, den¬
noch unvermeidlich. Bei der Anlage von Eisenbahnen verloren die Miethsfnhr-
lcute; aber habt Ihr nie von Chaplin und Horne gehört, denen die großen
Frachtwagen zugehören? -- ,ta! .In ! -- Wohlan, früher waren sie Miethssuhrleutc,
allein jetzt fahren sie nur Güter von und nach den Eisenbahn-Stationen und
sind dabei reich geworden. Wodurch sind sie es geworden? -- Dureli KluxKvil uncl
V/ii-I^-rmKeit. -- Ja, und weshalb schafft ihre Wirksamkeit? Warum vertraut
man ihnen den Gütertransport an? -- Weil v" nräoiMeKo un<Z oKrNvds
sua. -- Ja. Und als freie Bürger haben wir ein Gesetz discutirt und ange¬
nommen, welches der Klugheit, Wirksamkeit, Ordnung und Ehrlichkeit frommt,
und dadurch gethan, was wir für Recht anerkannten. Kann daher der Ackerbauer
behaupten, daß Ihr sein Brod verzehrt, oder haben Eure Eltern erst dafür ge¬
arbeitet, ehe sie es Euch darreichte"? -- 8i<z Kabou alatur ge-rrbLilot. -- Die
schriftliche Darstellung dieser Scenen wird im Vergleich mit der Wirklichkeit steif
und trocken. Man hat dabei nur die Vorstellung eines einzelnen antwortenden
Knaben, allein die Unterredung wurde vou Lehrer und Schüler in der ganzen
Klasse lebhaft verfolgt; denn Alle waren eifrig, Alle fühlten sich hingerissen von
dieser einfachen Unterhaltung des alltäglichen wirklichen Lebens, ihr ganzes geisti¬
ges und moralisches Dasein wurde unwillkürlich von dieser Einfachheit aufgeregt,
die doch in sich Wissenschaft und Moral mit einander verband. Ich gebrauche
das vielleicht etwas materielle Bild: "ihr geistiges und moralisches Dasein wurde
aufgeregt," allein es steht mir noch so deutlich bevor, weil es in dieser, so wie
in den meisten englischen Schulen Gebrauch ist, daß nach erfolgter Frage Keiner
antworten darf, ohne daß der Blick des Lehrers ihn dazu auffordert, aber Alle,
die die Frage beantworte" können, geben dies dadurch zu erkennen, daß sie die
Hand emporstrecken.

Und nun diese äußerste Spannung zu beobachten, wen" häufig nach der
Frage alle Arme cmporgestreckt wurden, gleichsam wie wenn ein Bataillon das
Gewehr fällt und unverwandten Blickes den Lehrer angestarrt, wen er dnrch sei¬
nen zur Antwort auffordernden Blick beglücken werde. Mitunter erscholl doch die
Antwort trotz aller Disciplin, sie fällten das Gewehr und gaben ans einmal Feuer.
Bei schwierigen Fragen sah man oft sich einen Arm erheben, aber wackelnd und


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Bezahlt denAckcrbancr nicht dem Staate und dessen Beamten große Abgaben und
denen Unterstützung, welche Mangel leiden? Gesetzt nun, wir könnten ihn ver¬
anlassen, mit uns dahin zu streben, daß der Staat sparsamer wird und die Ab¬
gaben verringert, und wir ihm zu Folge dessen begreiflich macheu, wenn das
Leben leichter und wohlfeiler wird, verringert es die Anzahl der Bedrängten,
folglich anch deren Unterstützungssnmme? — >w. — Aber glaubt Ihr nun nicht
bei alle dem, daß doch Einzelne einen wahrhaften unerwarteten Verlust erleiden,
welcher Anderen wiederum zum Vortheil gereicht? Ja, das läßt'sich gewiß uicht
läugnen, es bleibt aber stets, selbst bei den zweckmäßigsten Veränderungen, den¬
noch unvermeidlich. Bei der Anlage von Eisenbahnen verloren die Miethsfnhr-
lcute; aber habt Ihr nie von Chaplin und Horne gehört, denen die großen
Frachtwagen zugehören? — ,ta! .In ! — Wohlan, früher waren sie Miethssuhrleutc,
allein jetzt fahren sie nur Güter von und nach den Eisenbahn-Stationen und
sind dabei reich geworden. Wodurch sind sie es geworden? — Dureli KluxKvil uncl
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man ihnen den Gütertransport an? — Weil v» nräoiMeKo un<Z oKrNvds
sua. — Ja. Und als freie Bürger haben wir ein Gesetz discutirt und ange¬
nommen, welches der Klugheit, Wirksamkeit, Ordnung und Ehrlichkeit frommt,
und dadurch gethan, was wir für Recht anerkannten. Kann daher der Ackerbauer
behaupten, daß Ihr sein Brod verzehrt, oder haben Eure Eltern erst dafür ge¬
arbeitet, ehe sie es Euch darreichte»? — 8i<z Kabou alatur ge-rrbLilot. — Die
schriftliche Darstellung dieser Scenen wird im Vergleich mit der Wirklichkeit steif
und trocken. Man hat dabei nur die Vorstellung eines einzelnen antwortenden
Knaben, allein die Unterredung wurde vou Lehrer und Schüler in der ganzen
Klasse lebhaft verfolgt; denn Alle waren eifrig, Alle fühlten sich hingerissen von
dieser einfachen Unterhaltung des alltäglichen wirklichen Lebens, ihr ganzes geisti¬
ges und moralisches Dasein wurde unwillkürlich von dieser Einfachheit aufgeregt,
die doch in sich Wissenschaft und Moral mit einander verband. Ich gebrauche
das vielleicht etwas materielle Bild: „ihr geistiges und moralisches Dasein wurde
aufgeregt," allein es steht mir noch so deutlich bevor, weil es in dieser, so wie
in den meisten englischen Schulen Gebrauch ist, daß nach erfolgter Frage Keiner
antworten darf, ohne daß der Blick des Lehrers ihn dazu auffordert, aber Alle,
die die Frage beantworte» können, geben dies dadurch zu erkennen, daß sie die
Hand emporstrecken.

Und nun diese äußerste Spannung zu beobachten, wen» häufig nach der
Frage alle Arme cmporgestreckt wurden, gleichsam wie wenn ein Bataillon das
Gewehr fällt und unverwandten Blickes den Lehrer angestarrt, wen er dnrch sei¬
nen zur Antwort auffordernden Blick beglücken werde. Mitunter erscholl doch die
Antwort trotz aller Disciplin, sie fällten das Gewehr und gaben ans einmal Feuer.
Bei schwierigen Fragen sah man oft sich einen Arm erheben, aber wackelnd und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/107>, abgerufen am 24.07.2024.