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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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war ja heute ein großes deutsches Fest, ein deutsches Kaffeepickenick, wozu Jeder
seinen Theil beigetragen hatte, um seine Reisegefährten zu ehren und ein Denkmal
aufzubauen für jene Zeiten, wo die Steeragebewohner friedlich, heiter und froh
eine große Familie bildeten -- vielleicht noch eine Woche und die Familie war
nach allen Himmelsrichtungen aus einander gesprengt.

In der Fischerei, die sich aber weniger aus Fische, als auf alle nur möglichen
Gegenstände bezog, welche im Meereschwammen, wurde ich getreulich durch einen
jungen deutschen Kaufmann unterstützt. Dieser hatte von einer der 8t<zeiÄss"z-1-Mes
ein kleines Netz zum Geschenk erhalten, und ich hatte mir von Draht ein mit
vielen Haken versehenes Instrument zurecht gemacht, welches ich an einer, Schnur
befestigt nach den Gegenständen warf, die ich zu erHaschen wünschte. Viele Würfe
verfehlten allerdings ihren Zweck, und wenn ein Wurf einmal mißlungen war, so war
gewöhnlich ein zweiter Wurf nutzlos, indem der Gegenstand sich während der Zeit
aus meinem Bereiche entfernt hatte. Dessen ungeachtet gelang es mir, mehrere
Arten von Seetang, LeaveeÄ von den Matrosen genannt, aufzufischen. An
manchen Stellen war diese Fischerei sehr leicht, da wir durch breite schwimmende
Inseln, oder durch lauge, unabsehbare, schnurgerade Linien, die nur aus diesen
Seaweed bestanden, hindurchsegelten. Mein Gefährte fing unterdessen fliegende
Fische und Blasenquallen, von den Seeleute" ?ol'tussue8"z wen ok v^ar genannt.
Letztere entzückten das Auge durch die Farbenpracht und den Atlasglanz, welchen die
auf dem Wasser schwimmende Blase entsendet, überraschten aber noch mehr durch
die langen blauen und rothen Fäden, welche wie Perlenschnüre von den Blasen
in das Meer hinabhingen und die berührende Hand dafür, daß sie dieselben
ihrem Elemente entrissen hatte, mit einer Entzündung straften. Vor uns her
erhoben sich vou Zeit zu Zeit Schaaren von fliegenden Fischen, um sich nach einem
Fluge von 100 bis 200 Fuß, sobald sie dem feindlichen Schiffe entgangen zu
sein glaubten, wie aufgescheuchte Sperlinge an einer andern Stelle wieder nieder¬
zulassen. Diese in Herden gesellig lebenden Fische waren blau und weiß, und
von 2 -- 3 Zoll Länge; eine andere Art war von der Größe der Heringe und
lebte einsam.

Das Island of Pirch war hinter uns, und wir segelten eben um Cap Se.
Antonio herum, um das westindische Jnselmeer aus immer zu verlassen und in
nordwestlicher Richtung der Mündung des Mississippi und dem Festlande von
Amerika zuzusteuern, als der Tod dem jungen Leben eines Kindes ein Ende
setzte, welchem, schon krank auf das Schiff gebracht, nicht vergönnt war, die neue
Heimath seiner Aeltern und Geschwister mit eigenen Augen zu sehen. Obgleich
wir sicher hoffen durften, daß wir in wenigen Tagen die Küste des Festlandes
erreichen würden, so gab doch der Capitain den Bitten der Aeltern, welche ihr
dahingeschiedenes Kind der Mutter Erde, und uicht dem unsteten wässerigen
Elemente anzuvertrauen wünschten, nicht nach, und die Aeltern sahen sich genöthigt,


war ja heute ein großes deutsches Fest, ein deutsches Kaffeepickenick, wozu Jeder
seinen Theil beigetragen hatte, um seine Reisegefährten zu ehren und ein Denkmal
aufzubauen für jene Zeiten, wo die Steeragebewohner friedlich, heiter und froh
eine große Familie bildeten — vielleicht noch eine Woche und die Familie war
nach allen Himmelsrichtungen aus einander gesprengt.

In der Fischerei, die sich aber weniger aus Fische, als auf alle nur möglichen
Gegenstände bezog, welche im Meereschwammen, wurde ich getreulich durch einen
jungen deutschen Kaufmann unterstützt. Dieser hatte von einer der 8t<zeiÄss«z-1-Mes
ein kleines Netz zum Geschenk erhalten, und ich hatte mir von Draht ein mit
vielen Haken versehenes Instrument zurecht gemacht, welches ich an einer, Schnur
befestigt nach den Gegenständen warf, die ich zu erHaschen wünschte. Viele Würfe
verfehlten allerdings ihren Zweck, und wenn ein Wurf einmal mißlungen war, so war
gewöhnlich ein zweiter Wurf nutzlos, indem der Gegenstand sich während der Zeit
aus meinem Bereiche entfernt hatte. Dessen ungeachtet gelang es mir, mehrere
Arten von Seetang, LeaveeÄ von den Matrosen genannt, aufzufischen. An
manchen Stellen war diese Fischerei sehr leicht, da wir durch breite schwimmende
Inseln, oder durch lauge, unabsehbare, schnurgerade Linien, die nur aus diesen
Seaweed bestanden, hindurchsegelten. Mein Gefährte fing unterdessen fliegende
Fische und Blasenquallen, von den Seeleute» ?ol'tussue8«z wen ok v^ar genannt.
Letztere entzückten das Auge durch die Farbenpracht und den Atlasglanz, welchen die
auf dem Wasser schwimmende Blase entsendet, überraschten aber noch mehr durch
die langen blauen und rothen Fäden, welche wie Perlenschnüre von den Blasen
in das Meer hinabhingen und die berührende Hand dafür, daß sie dieselben
ihrem Elemente entrissen hatte, mit einer Entzündung straften. Vor uns her
erhoben sich vou Zeit zu Zeit Schaaren von fliegenden Fischen, um sich nach einem
Fluge von 100 bis 200 Fuß, sobald sie dem feindlichen Schiffe entgangen zu
sein glaubten, wie aufgescheuchte Sperlinge an einer andern Stelle wieder nieder¬
zulassen. Diese in Herden gesellig lebenden Fische waren blau und weiß, und
von 2 — 3 Zoll Länge; eine andere Art war von der Größe der Heringe und
lebte einsam.

Das Island of Pirch war hinter uns, und wir segelten eben um Cap Se.
Antonio herum, um das westindische Jnselmeer aus immer zu verlassen und in
nordwestlicher Richtung der Mündung des Mississippi und dem Festlande von
Amerika zuzusteuern, als der Tod dem jungen Leben eines Kindes ein Ende
setzte, welchem, schon krank auf das Schiff gebracht, nicht vergönnt war, die neue
Heimath seiner Aeltern und Geschwister mit eigenen Augen zu sehen. Obgleich
wir sicher hoffen durften, daß wir in wenigen Tagen die Küste des Festlandes
erreichen würden, so gab doch der Capitain den Bitten der Aeltern, welche ihr
dahingeschiedenes Kind der Mutter Erde, und uicht dem unsteten wässerigen
Elemente anzuvertrauen wünschten, nicht nach, und die Aeltern sahen sich genöthigt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/64>, abgerufen am 20.10.2024.