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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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erwarten. -- "Der Staat, das ist ein Unsinn." sagte der Präger Professor der Sta¬
tistik Novack seinen Schülern, "was Staat, der Kaiser ist der Staat." -- I/else v'est moi
ist eine herausfordernde Prahlerei eines jungen Menschen, dem keine Jungfräulichkeit
seines Hofes zu widerstehen vermochte; -- aber "der Kaiser ist der Staat", das ist ein staats¬
rechtliches Axiom, das nichts Persönliches hat, daS ist allgemein, unsichtbar, und das
liegt in der Natur der Sache. So versteht es unsre weise Negierung, so will es die
neue Verfassung. Das ist auch viel bequemer und moralischer, denn da der Kaiser
Alles darf, was er will, ist auch Alles gesetzlich, was er thut. Das Budget zu poliren.
war bisher eines der vielen constitutionellen Vorurtheile, das diesen Act als Garantie
betrachten ließ. Der Kaiser will, daß man ihm das Budget vn Mo zugestehe und sich
weiter nicht um die Rechnung kümmere. I." Krsvb as vivu und la volontv nationale
müssen ein stärkerer Hört sein, als ein Paar Deputirte, die schon aus purer Lust an
Rechenexempeln immer Etwas auszusetzen finden. Die öffentlichen Arbeiten, so wie die
ganze Administration -- in einem wohl eingerichteten Staate ist alles administrativ, auch
die Guillotine und die Deportation -- können vernünftiger Weise auch nur vom sou-
verainen Monarchen abhängen. Handelsverträge, Krieg und Frieden einem Kaiser
abdisputircn zu wollen, hieße ihm nach Krone und Scepter greifen. Sein Recht auf
Begnadigung und folglich aus Verurtheilung bezweifeln zu wollen -- die Magistratur
ist ja auch nur ein Zweig der Administration -- hieße republikanische Gelüste an den
Tag legen, und das wäre doch jetzt wahrhaftig post lest" vantsre. Die Leute, die sich
anders denn aus Parteirücksichten oder aus persönlichem Hochmuthe so unerläßlichen
Veränderungen widersetzten, das heißt jene, die ehrlich eine Bürgschaft in der sogenannten
Controle, oder vielmehr eine Controle in einer solchen papiernen Bürgschaft sehen, sind
Spießbürger und Dummköpfe. Damit eine konstitutionelle Bürgschaft eine wahrhaftige
Controle, das heißt Selbstregierung, genannt werden könne, muß der ganze Inbe¬
griff der staatlichen Institutionen, die Summe der politischen Intelligenz und das
Wesen der politischen Sitten eines Landes der Art sein, daß die Regierung blos ein
Ausdruck des Willens der Gesammtheit sein kann. Nicht weil es das Gesetz so
will, sondern weil die Sitten ein solches Gesetz als selbstverständliches Corollarium
setzen. Darum erhält sich England und seine Constitution inmitten aller Stürme
der Zeiten. Das Gesetz beschreibt immer neue Kreise um die sich ändernden Ideen
und Sitten, diese treiben jene und nicht umgekehrt, diese wachsen und jene wachsen
blos mit und nach diesen. Wenn aber in Frankreich die Männer, die bisher dem
schonungslosesten Absolutismus das Wort geführt, nun dennoch zurückschrecken vor den
Consequenzen ihres eigenen Systems, so geschieht das nicht blos, -- wie man anzu¬
nehmen bewogen sein könnte -- weil der Absolutismus nicht Legitimität oder Organis¬
mus heißt. Die Leute fürchten im Kaiser den Socialisten, den rücksichtslosen Verändere!,
um sie nicht zu sehr zu kränken, wenn ich sagte, den Reformator. Diese Leute sind
dem ehemaligen Präsidenten nahe genug gestanden um zu wissen, daß er sein Kaiser¬
reich nur durch materielle Zugeständnisse an die Massen zu erhalten suchen werde. In
der Hand eines solchen Mannes, dessen bestes Wort der europäische Krieg und darum
das erste die aus sorialistischcn Veränderungen gelegene Popularität sein dürste, ist die
unumschränkte Verfügung mit dem öffentlichen Schatze und alles was sich hieranknüpft,
wirklich ein gefährlicher Hebel. Persönliche Vergeudung und Verschleuderung, das fürchten
unsere weisen Politiker am wenigsten, dabei könnte vielmehr noch Etwas für sie ab¬
fallen, das wäre nicht gar so fürchterlich. Sie erschrecken vor so radicalen Umänderungen,
daß sie später einmal selbst nur Socialisten werden müßten, wenn sie nicht für immer
auf jede Betheiligung an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten verzichten sollen.
Doch was will man jetzt thun als sich in das Unvermeidliche fügen? Ja wol, der Herr
befiehlt und die Unterthanen gehorchen, so stehen die Dinge jetzt. Die politischen Ka¬
balen werden sich aber durch die augenblickliche Niederlage nicht zurückschrecken lassen.
Das Land wird ruhig bleiben und das Kaiserreich ertragen so lange es ihm erträglich


erwarten. — „Der Staat, das ist ein Unsinn." sagte der Präger Professor der Sta¬
tistik Novack seinen Schülern, „was Staat, der Kaiser ist der Staat." — I/else v'est moi
ist eine herausfordernde Prahlerei eines jungen Menschen, dem keine Jungfräulichkeit
seines Hofes zu widerstehen vermochte; — aber „der Kaiser ist der Staat", das ist ein staats¬
rechtliches Axiom, das nichts Persönliches hat, daS ist allgemein, unsichtbar, und das
liegt in der Natur der Sache. So versteht es unsre weise Negierung, so will es die
neue Verfassung. Das ist auch viel bequemer und moralischer, denn da der Kaiser
Alles darf, was er will, ist auch Alles gesetzlich, was er thut. Das Budget zu poliren.
war bisher eines der vielen constitutionellen Vorurtheile, das diesen Act als Garantie
betrachten ließ. Der Kaiser will, daß man ihm das Budget vn Mo zugestehe und sich
weiter nicht um die Rechnung kümmere. I.» Krsvb as vivu und la volontv nationale
müssen ein stärkerer Hört sein, als ein Paar Deputirte, die schon aus purer Lust an
Rechenexempeln immer Etwas auszusetzen finden. Die öffentlichen Arbeiten, so wie die
ganze Administration — in einem wohl eingerichteten Staate ist alles administrativ, auch
die Guillotine und die Deportation — können vernünftiger Weise auch nur vom sou-
verainen Monarchen abhängen. Handelsverträge, Krieg und Frieden einem Kaiser
abdisputircn zu wollen, hieße ihm nach Krone und Scepter greifen. Sein Recht auf
Begnadigung und folglich aus Verurtheilung bezweifeln zu wollen — die Magistratur
ist ja auch nur ein Zweig der Administration — hieße republikanische Gelüste an den
Tag legen, und das wäre doch jetzt wahrhaftig post lest» vantsre. Die Leute, die sich
anders denn aus Parteirücksichten oder aus persönlichem Hochmuthe so unerläßlichen
Veränderungen widersetzten, das heißt jene, die ehrlich eine Bürgschaft in der sogenannten
Controle, oder vielmehr eine Controle in einer solchen papiernen Bürgschaft sehen, sind
Spießbürger und Dummköpfe. Damit eine konstitutionelle Bürgschaft eine wahrhaftige
Controle, das heißt Selbstregierung, genannt werden könne, muß der ganze Inbe¬
griff der staatlichen Institutionen, die Summe der politischen Intelligenz und das
Wesen der politischen Sitten eines Landes der Art sein, daß die Regierung blos ein
Ausdruck des Willens der Gesammtheit sein kann. Nicht weil es das Gesetz so
will, sondern weil die Sitten ein solches Gesetz als selbstverständliches Corollarium
setzen. Darum erhält sich England und seine Constitution inmitten aller Stürme
der Zeiten. Das Gesetz beschreibt immer neue Kreise um die sich ändernden Ideen
und Sitten, diese treiben jene und nicht umgekehrt, diese wachsen und jene wachsen
blos mit und nach diesen. Wenn aber in Frankreich die Männer, die bisher dem
schonungslosesten Absolutismus das Wort geführt, nun dennoch zurückschrecken vor den
Consequenzen ihres eigenen Systems, so geschieht das nicht blos, — wie man anzu¬
nehmen bewogen sein könnte — weil der Absolutismus nicht Legitimität oder Organis¬
mus heißt. Die Leute fürchten im Kaiser den Socialisten, den rücksichtslosen Verändere!,
um sie nicht zu sehr zu kränken, wenn ich sagte, den Reformator. Diese Leute sind
dem ehemaligen Präsidenten nahe genug gestanden um zu wissen, daß er sein Kaiser¬
reich nur durch materielle Zugeständnisse an die Massen zu erhalten suchen werde. In
der Hand eines solchen Mannes, dessen bestes Wort der europäische Krieg und darum
das erste die aus sorialistischcn Veränderungen gelegene Popularität sein dürste, ist die
unumschränkte Verfügung mit dem öffentlichen Schatze und alles was sich hieranknüpft,
wirklich ein gefährlicher Hebel. Persönliche Vergeudung und Verschleuderung, das fürchten
unsere weisen Politiker am wenigsten, dabei könnte vielmehr noch Etwas für sie ab¬
fallen, das wäre nicht gar so fürchterlich. Sie erschrecken vor so radicalen Umänderungen,
daß sie später einmal selbst nur Socialisten werden müßten, wenn sie nicht für immer
auf jede Betheiligung an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten verzichten sollen.
Doch was will man jetzt thun als sich in das Unvermeidliche fügen? Ja wol, der Herr
befiehlt und die Unterthanen gehorchen, so stehen die Dinge jetzt. Die politischen Ka¬
balen werden sich aber durch die augenblickliche Niederlage nicht zurückschrecken lassen.
Das Land wird ruhig bleiben und das Kaiserreich ertragen so lange es ihm erträglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/526>, abgerufen am 19.10.2024.