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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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oder gar wünschenswert scheinen wird, die Politiker aber werden nicht so lange warten,
sie werden dem Kaiser den Hof machen/und als Höflinge den Einfluß wieder zu ge.
wirren suchen, den sie als Minister und Gesetzgeber und Diplomaten verloren haben.
Man wird den Kaiser verheirathen, um durch seine Frau besser zu seinem Ohre
zu gelangen, man wird bei seinem Kammerdiener antichambrircn, um die Laune des
Herrn und so den günstigen Zeitpunkt für gewisse Einflüsterungen zu erlauschen,
man wird seinen präsumptivcn Nachfolger zu umgarnen suchen. Kurz, alle Ele¬
mente werden aufgebracht werden, die geeignet sein können, den Kaiser von seinen
demokratisch revolutionairen Hallucinationen zu heilen. Man wird ihm begreiflich machen,
wie solche unkaiscrliche Ideen wol gut genug sür den Prätendenten und Kronbewerber
gewesen, wie aber der Monarch, das gekrönte Haupt, andere Pflichten habe. Sie kom¬
men auch bereits herangeflogen, wie die Zugvogel, all die politischen Perasiten, die kei¬
nen Teller irgend einer Regierung voll sehen können, ohne sich zu Tische zu laden, um
dem Imperator ihre Bewunderung, ihre Reue über die Vergangenheit zu Füßen zu legen.
Dupin thut alles Mögliche, um sein Gewissen eines Momentes vergessen zu machen,
und es ist möglich, daß man schon aus der Rücksicht, die Tuilerien nicht ohne Calem-
bourg zu lassen, dem Supplicanten ein gnädiges Ohr leihen werde. Schmerzlich für
den großen Mann muß blos sein, daß ihm Cormcnin zuvorgekommen. Die Pagen
strömen dem Kaiser aus allen Familien zu, und wo nur eine Stelle, eine Sinecure oder
auch nur ein Hofplätzchcn im Salon Miene macht, leer zu sein, fallen die Competcnten
darüber her, wie die originalen Packträger um ein landendes Dampfboot.. Der Kaiser
läßt gewähren, der Spectakel freut ihn, obgleich er ihm nicht neu sein kann, und er
ist klug genug zu berechnen, welchen Nutzen er aus der Gemeinheit dieser Leute schöpft"
kann. Mittlerweile wird der Hof gebildet, die Chargen vertheilt, denn es gilt, bald
eine Kaiserin kaiserlich zu empfangen, und da muß denn auch Alles bereit sein. Wie
die Braut heißen soll, ist vorläufig noch Staatsgeheimnis?, allein eine Braut muß kom¬
men und sollte sie aus Amerika geholt werden. Man sagt aber, der Kaiser wolle nicht
in den Tuilerien bleiben und sich mit seiner kaiserlichen Gemahlin in die Gemächer der
Elysves zurückbegeben. Sollte dem Manne so schnell bange geworden sein?


Theater.
"'

-- Das neue siinfactigeLustspiel von Moritz Hey trieb: "Prinz Lies¬
chen, ging in diesen Tagen über die Leipziger Bühne. Wenn die Ausnahme desselben
von Seiten des Publicums, welches sonst an eine große Pietät sowol gegen eingeborne
Dichter, als gegen Dichter, deren frühere Arbeiten ein bedeutendes Talent zeigten, ge¬
wöhnt ist, nicht so war, wie man es bei dem Dichter des "Tiberius Gracchus" hätte
voraussetzen sollen, so war wenigstens zum Theil ein Umstand daran schuld, auf den
wir einen Augenblick unsre Aufmerksamkeit richten müssen, so widerwärtig es auch ist.
Das Publicum fängt nämlich an, der gemeinen Lobhudeleien müde zu werden, mit
denen Freunde und Verehrer irgend eines Dichters jedes neue Werk desselben aus¬
zuposaunen pflegen. Es ist dieses Unwesen jetzt so arg eingerissen, daß man sich wol
versucht fühlen könnte, einmal ein sehr ernstes Wort darüber zu sprechen. Zwar kam
schon zur Zeit, der romantischen Schule das Cliquenwesen in Deutschland auf, allein
wenigstens in der Regel ging die Empfehlung poetischer Werke doch von solchen Män¬
nern aus, die wenigstens einigen Beruf zur Kritik hatten, wenn sie auch in einseitiger
Vorliebe oder Abneigung besangen waren. Man mag bei den Kritikern der romantischen
Schule das Endurtheil verwerfen, es wurde doch immer auf eine geistvolle Weise dieser
oder jener Gesichtspunkt hervorgehoben, der, wenn auch falsch angewendet, an sich doch
beachtungswerth war; heut zu Tage aber schaaren sich, um einer andern, noch schlim¬
mern Depravation zu geschweige", um jedes Talent eine Reihe dienstbeflissener Anhänger
die keinen andern Beruf zur Kritik haben, als daß sie in dieser oder jener Kneipe mit
irgend einem Dichter angestoßen haben. Der eigenthümliche Zustand unsrer Journalistik
macht es möglich, daß diese völlig unberufenen Beurtheiln- auch stets Organe finden.


oder gar wünschenswert scheinen wird, die Politiker aber werden nicht so lange warten,
sie werden dem Kaiser den Hof machen/und als Höflinge den Einfluß wieder zu ge.
wirren suchen, den sie als Minister und Gesetzgeber und Diplomaten verloren haben.
Man wird den Kaiser verheirathen, um durch seine Frau besser zu seinem Ohre
zu gelangen, man wird bei seinem Kammerdiener antichambrircn, um die Laune des
Herrn und so den günstigen Zeitpunkt für gewisse Einflüsterungen zu erlauschen,
man wird seinen präsumptivcn Nachfolger zu umgarnen suchen. Kurz, alle Ele¬
mente werden aufgebracht werden, die geeignet sein können, den Kaiser von seinen
demokratisch revolutionairen Hallucinationen zu heilen. Man wird ihm begreiflich machen,
wie solche unkaiscrliche Ideen wol gut genug sür den Prätendenten und Kronbewerber
gewesen, wie aber der Monarch, das gekrönte Haupt, andere Pflichten habe. Sie kom¬
men auch bereits herangeflogen, wie die Zugvogel, all die politischen Perasiten, die kei¬
nen Teller irgend einer Regierung voll sehen können, ohne sich zu Tische zu laden, um
dem Imperator ihre Bewunderung, ihre Reue über die Vergangenheit zu Füßen zu legen.
Dupin thut alles Mögliche, um sein Gewissen eines Momentes vergessen zu machen,
und es ist möglich, daß man schon aus der Rücksicht, die Tuilerien nicht ohne Calem-
bourg zu lassen, dem Supplicanten ein gnädiges Ohr leihen werde. Schmerzlich für
den großen Mann muß blos sein, daß ihm Cormcnin zuvorgekommen. Die Pagen
strömen dem Kaiser aus allen Familien zu, und wo nur eine Stelle, eine Sinecure oder
auch nur ein Hofplätzchcn im Salon Miene macht, leer zu sein, fallen die Competcnten
darüber her, wie die originalen Packträger um ein landendes Dampfboot.. Der Kaiser
läßt gewähren, der Spectakel freut ihn, obgleich er ihm nicht neu sein kann, und er
ist klug genug zu berechnen, welchen Nutzen er aus der Gemeinheit dieser Leute schöpft»
kann. Mittlerweile wird der Hof gebildet, die Chargen vertheilt, denn es gilt, bald
eine Kaiserin kaiserlich zu empfangen, und da muß denn auch Alles bereit sein. Wie
die Braut heißen soll, ist vorläufig noch Staatsgeheimnis?, allein eine Braut muß kom¬
men und sollte sie aus Amerika geholt werden. Man sagt aber, der Kaiser wolle nicht
in den Tuilerien bleiben und sich mit seiner kaiserlichen Gemahlin in die Gemächer der
Elysves zurückbegeben. Sollte dem Manne so schnell bange geworden sein?


Theater.
"'

— Das neue siinfactigeLustspiel von Moritz Hey trieb: „Prinz Lies¬
chen, ging in diesen Tagen über die Leipziger Bühne. Wenn die Ausnahme desselben
von Seiten des Publicums, welches sonst an eine große Pietät sowol gegen eingeborne
Dichter, als gegen Dichter, deren frühere Arbeiten ein bedeutendes Talent zeigten, ge¬
wöhnt ist, nicht so war, wie man es bei dem Dichter des „Tiberius Gracchus" hätte
voraussetzen sollen, so war wenigstens zum Theil ein Umstand daran schuld, auf den
wir einen Augenblick unsre Aufmerksamkeit richten müssen, so widerwärtig es auch ist.
Das Publicum fängt nämlich an, der gemeinen Lobhudeleien müde zu werden, mit
denen Freunde und Verehrer irgend eines Dichters jedes neue Werk desselben aus¬
zuposaunen pflegen. Es ist dieses Unwesen jetzt so arg eingerissen, daß man sich wol
versucht fühlen könnte, einmal ein sehr ernstes Wort darüber zu sprechen. Zwar kam
schon zur Zeit, der romantischen Schule das Cliquenwesen in Deutschland auf, allein
wenigstens in der Regel ging die Empfehlung poetischer Werke doch von solchen Män¬
nern aus, die wenigstens einigen Beruf zur Kritik hatten, wenn sie auch in einseitiger
Vorliebe oder Abneigung besangen waren. Man mag bei den Kritikern der romantischen
Schule das Endurtheil verwerfen, es wurde doch immer auf eine geistvolle Weise dieser
oder jener Gesichtspunkt hervorgehoben, der, wenn auch falsch angewendet, an sich doch
beachtungswerth war; heut zu Tage aber schaaren sich, um einer andern, noch schlim¬
mern Depravation zu geschweige«, um jedes Talent eine Reihe dienstbeflissener Anhänger
die keinen andern Beruf zur Kritik haben, als daß sie in dieser oder jener Kneipe mit
irgend einem Dichter angestoßen haben. Der eigenthümliche Zustand unsrer Journalistik
macht es möglich, daß diese völlig unberufenen Beurtheiln- auch stets Organe finden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/527>, abgerufen am 27.09.2024.