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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Kein Soldat durfte Reih' und Glied verlassen > wie auch die offenen Läden zu
beiden Seiten locken mochten. Dem General Uork konnte Alles nicht rasch genug
gehen, und er trieb, schalt und spornte beständig zu Eile an. Staunend sahen
die Bürger der Stadt diesen rastlosen endlosen Zug: Non üieu, brih est,
peräu, hörte man mehr als einmal. Bei Claye hielt der König über das erste
Corps Revue; man sagt, den König habe der Anblick nicht sehr erfreut, er habe
gesagt: "sehen schlecht aus, schmuzige Leute," und sei zurückgeeilt; darauf habe
Z)ort auf der Stelle Kehrt! und Marsch! befohlen. Schmuck sahen die Truppen
nach dem anstrengenden Winterfeldzug freilich nicht aus; "die Geschütze zum
Theil mit Rädern von Bauernwagen, das Riemenzeug mit Stricken geflickt, die
Leute mit ungeschvrnem Haar und Bart, die Kleidung im besten Fall durch zahl¬
reiche Flecken heil, theilweise im Bivouak versengt, theils durch allerlei Beutestücken
ergänzt, nicht wenige mit zerrissenen Hosen, schuhlosen Füßen ze." Aber sie hatten
sich doch den Weg vom Rhein nach Paris erkämpft.

Am 30. früh Morgens begann der Sturm auf Paris zunächst vor Paulin
und Romainville, dann gegen den Montmartre; als Aork's Truppen sich gegen
den Hügel in Marsch setzten, kamen die Boten des Waffenstillstands herangesprengt.
Uork und Kleist bivouakirten auf deren Montmartre, die stolze, nun gedemüthigte
Stadt, die ganz Europa Gesetze vorgeschrieben hatte, zu ihren Füßen. "Als die
Truppen oben an der Windmühle standen, die Infanterie Gewehr bei Fuß, die Rei¬
terei zum Theil unter abgesessen, kommt mit einem Mal Oberst Below mit seinen
Litthauern herauf, reitet in langem Zuge gemächlich den hohen Kamm entlang, zeigt
ihnen Paris, und als Uork nicht wenig erstaunt und ungehalten nachreiten
und fragen läßt, was das bedeute, entgegnet Below: das habe er seinen Leuten
schon in Tilsit versprochen: man wisse doch nicht, ob sie sonst Paris zu sehen
bekämen." Sie hätten es auch nicht zu sehen bekommen ; Uvrk's Truppen waren
nicht sauber genug, um den Parisern vorgeführt werden zu können, und mußten
um die Stadt herum marschiren.




Nach Beendigung des Feldzuges von 1813 war Uork General der Infanterie
geworden; die Schlacht an der Katzbach hatte ihm den schwarzen Adlerorden gebracht,
jetzt am Tage des Einzugs in Paris erhielt er das Großkreuz des eisernen Kreuzes.
Als weitere Auszeichnung erhielt er den Titel Graf Uork v. Wartenbnrg und die
Domäne Kleinöls, auch wurde ihm der Befehl über die in Frankreich zurück¬
bleibenden Truppen übertragen. Später begleitete er seinen König nach England
und übernahm dann den Oberbefehl über alle Truppen und Festungen in Schlesien,
was ihm als eine kränkende Zurücksetzung erschien. Er nahm einen rührenden
Abschied von seinem Corps, mit dem er zehn stegreiche Schlachten und Gefechte
geschlagen und dem Feinde 223 Kanonen abgenommen hatte. Als man ihn,


Kein Soldat durfte Reih' und Glied verlassen > wie auch die offenen Läden zu
beiden Seiten locken mochten. Dem General Uork konnte Alles nicht rasch genug
gehen, und er trieb, schalt und spornte beständig zu Eile an. Staunend sahen
die Bürger der Stadt diesen rastlosen endlosen Zug: Non üieu, brih est,
peräu, hörte man mehr als einmal. Bei Claye hielt der König über das erste
Corps Revue; man sagt, den König habe der Anblick nicht sehr erfreut, er habe
gesagt: „sehen schlecht aus, schmuzige Leute," und sei zurückgeeilt; darauf habe
Z)ort auf der Stelle Kehrt! und Marsch! befohlen. Schmuck sahen die Truppen
nach dem anstrengenden Winterfeldzug freilich nicht aus; „die Geschütze zum
Theil mit Rädern von Bauernwagen, das Riemenzeug mit Stricken geflickt, die
Leute mit ungeschvrnem Haar und Bart, die Kleidung im besten Fall durch zahl¬
reiche Flecken heil, theilweise im Bivouak versengt, theils durch allerlei Beutestücken
ergänzt, nicht wenige mit zerrissenen Hosen, schuhlosen Füßen ze." Aber sie hatten
sich doch den Weg vom Rhein nach Paris erkämpft.

Am 30. früh Morgens begann der Sturm auf Paris zunächst vor Paulin
und Romainville, dann gegen den Montmartre; als Aork's Truppen sich gegen
den Hügel in Marsch setzten, kamen die Boten des Waffenstillstands herangesprengt.
Uork und Kleist bivouakirten auf deren Montmartre, die stolze, nun gedemüthigte
Stadt, die ganz Europa Gesetze vorgeschrieben hatte, zu ihren Füßen. „Als die
Truppen oben an der Windmühle standen, die Infanterie Gewehr bei Fuß, die Rei¬
terei zum Theil unter abgesessen, kommt mit einem Mal Oberst Below mit seinen
Litthauern herauf, reitet in langem Zuge gemächlich den hohen Kamm entlang, zeigt
ihnen Paris, und als Uork nicht wenig erstaunt und ungehalten nachreiten
und fragen läßt, was das bedeute, entgegnet Below: das habe er seinen Leuten
schon in Tilsit versprochen: man wisse doch nicht, ob sie sonst Paris zu sehen
bekämen." Sie hätten es auch nicht zu sehen bekommen ; Uvrk's Truppen waren
nicht sauber genug, um den Parisern vorgeführt werden zu können, und mußten
um die Stadt herum marschiren.




Nach Beendigung des Feldzuges von 1813 war Uork General der Infanterie
geworden; die Schlacht an der Katzbach hatte ihm den schwarzen Adlerorden gebracht,
jetzt am Tage des Einzugs in Paris erhielt er das Großkreuz des eisernen Kreuzes.
Als weitere Auszeichnung erhielt er den Titel Graf Uork v. Wartenbnrg und die
Domäne Kleinöls, auch wurde ihm der Befehl über die in Frankreich zurück¬
bleibenden Truppen übertragen. Später begleitete er seinen König nach England
und übernahm dann den Oberbefehl über alle Truppen und Festungen in Schlesien,
was ihm als eine kränkende Zurücksetzung erschien. Er nahm einen rührenden
Abschied von seinem Corps, mit dem er zehn stegreiche Schlachten und Gefechte
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/466>, abgerufen am 20.10.2024.