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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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hänglichkeit an eine bestimmte Partei hätte voraussetzen können, und der Gang
der Ereignisse gegen den Schluß seiner Laufbahn trug noch mehr dazu bei, die
alten Parteiunterschiede verschwinden zu machen. Obgleich ursprünglich ein Con-
servativer, war ^>er Herzog doch kein heftiger Gegner der Whigs. Er wußte,
daß, wie er sich bei Gelegenheit der Reformbill ausdrückte, "die Regierung der
Königin fortgeführt werden müsse," und die Regierung der Königin ließ sich viel
leichter mit dem Beistand, als uuter der, wenn auch stillschweigenden Mißbilligung
eines so ausgezeichneten Unterthans fortführen. So that er denn sein Bestes
bei Allen ohne Unterschied, und erfüllte seine Pflichten fast mit derselben Hin¬
gebung, mochte ein Whig- oder ein Toryministerium am Ruder sein, und in
allen Fällen, wo kein Anderer Rath wußte, wurde der Herzog von Wellington
in das Cabinet der Königin berufen. Aber er war nicht blos ein Rathgeber, --
er war auch eine Autorität. Er hatte nicht blos das allgemeine Recht, die
Wahrheit zu sagen, sondern ihm war auch das Vorrecht vorbehalten, die Krone
oder das Parlament zur Anerkennung derselben zu bewegen. Dadurch war er
sowol Peel, wie den Whigs ein unschätzbarer Bundesgenosse im Oberhause, und
stets, wenn die Privatinteressen der Pairie mit den allgemeinen Interessen des
Landes in Widerspruch geriethen, erhob, er seine gewaltige Stimme, und bewog
die Widerwilligen zum Nachgeben. Nur durch seinen Einfluß gelang es, die
Getreidebill im Oberhaus zur Annahme zu bringen.

Ein gesunder Sinn für das Wahre und Rechte, ein instinctmäßiges Pflicht¬
gefühl war die starke Grundlage des Charakters Wellington's. Nichts war blen¬
dend an ihm, sondern Alles war schlicht, solid und vou nachhaltiger, männlicher
Kraft. Enthusiasmus war ihm fremd, und er mißtraute ihm bei Anderen; er
meinte, er nehme sich nur schön im Buche aus; selbst von seinen Soldaten ver¬
langte er "Ruhe im Gefecht, nicht ungestüme Tapferkeit." Ueberhaupt war er
fern von jeder idealistischen Anschauung, ein reiner Praktiker anch im politi¬
schen Leben. Auf politische Consequenz und principielles Handeln gab er Nichts,
und er erkannte als Princip seines Handelns nur' das Wohl des Staates an.
"Wenn die Welt durch Principien regiert würde," sagte er, "so wäre Nichts
leichter, als selbst die größten Staatsgeschäfte zu leiten; aber in allen Fällen habe
ein weiser Mann nur die geringste von zwei Schwierigkeiten, die ihm aufstießen,
zu wählen." Aber freilich gehörte dieses strenge Pflichtgefühl, der hohe moralische
Standpunkt des Herzogs dazu, um hier uicht in Willkür zu verfallen und in
dürresten Empirismus zu vertrocknen. Im Grunde gab dieses hohe Pflichtgefühl
seinem Charakter mehr, als ihm der Schwung der Begeisterung geben konnte,
denn wenn ihm durch den Mangel des letztem auch alles Glänzende und den
großen Häuser Blendende abging, so besaß er dafür in jenem einen um so siche¬
rern und zuverlässigem Führer, den keine Leidenschaft über Ziel und Weg verblen¬
den konnte. Von Wichtigkeit für ihn war seine enge und langjährige politische


hänglichkeit an eine bestimmte Partei hätte voraussetzen können, und der Gang
der Ereignisse gegen den Schluß seiner Laufbahn trug noch mehr dazu bei, die
alten Parteiunterschiede verschwinden zu machen. Obgleich ursprünglich ein Con-
servativer, war ^>er Herzog doch kein heftiger Gegner der Whigs. Er wußte,
daß, wie er sich bei Gelegenheit der Reformbill ausdrückte, „die Regierung der
Königin fortgeführt werden müsse," und die Regierung der Königin ließ sich viel
leichter mit dem Beistand, als uuter der, wenn auch stillschweigenden Mißbilligung
eines so ausgezeichneten Unterthans fortführen. So that er denn sein Bestes
bei Allen ohne Unterschied, und erfüllte seine Pflichten fast mit derselben Hin¬
gebung, mochte ein Whig- oder ein Toryministerium am Ruder sein, und in
allen Fällen, wo kein Anderer Rath wußte, wurde der Herzog von Wellington
in das Cabinet der Königin berufen. Aber er war nicht blos ein Rathgeber, —
er war auch eine Autorität. Er hatte nicht blos das allgemeine Recht, die
Wahrheit zu sagen, sondern ihm war auch das Vorrecht vorbehalten, die Krone
oder das Parlament zur Anerkennung derselben zu bewegen. Dadurch war er
sowol Peel, wie den Whigs ein unschätzbarer Bundesgenosse im Oberhause, und
stets, wenn die Privatinteressen der Pairie mit den allgemeinen Interessen des
Landes in Widerspruch geriethen, erhob, er seine gewaltige Stimme, und bewog
die Widerwilligen zum Nachgeben. Nur durch seinen Einfluß gelang es, die
Getreidebill im Oberhaus zur Annahme zu bringen.

Ein gesunder Sinn für das Wahre und Rechte, ein instinctmäßiges Pflicht¬
gefühl war die starke Grundlage des Charakters Wellington's. Nichts war blen¬
dend an ihm, sondern Alles war schlicht, solid und vou nachhaltiger, männlicher
Kraft. Enthusiasmus war ihm fremd, und er mißtraute ihm bei Anderen; er
meinte, er nehme sich nur schön im Buche aus; selbst von seinen Soldaten ver¬
langte er „Ruhe im Gefecht, nicht ungestüme Tapferkeit." Ueberhaupt war er
fern von jeder idealistischen Anschauung, ein reiner Praktiker anch im politi¬
schen Leben. Auf politische Consequenz und principielles Handeln gab er Nichts,
und er erkannte als Princip seines Handelns nur' das Wohl des Staates an.
„Wenn die Welt durch Principien regiert würde," sagte er, „so wäre Nichts
leichter, als selbst die größten Staatsgeschäfte zu leiten; aber in allen Fällen habe
ein weiser Mann nur die geringste von zwei Schwierigkeiten, die ihm aufstießen,
zu wählen." Aber freilich gehörte dieses strenge Pflichtgefühl, der hohe moralische
Standpunkt des Herzogs dazu, um hier uicht in Willkür zu verfallen und in
dürresten Empirismus zu vertrocknen. Im Grunde gab dieses hohe Pflichtgefühl
seinem Charakter mehr, als ihm der Schwung der Begeisterung geben konnte,
denn wenn ihm durch den Mangel des letztem auch alles Glänzende und den
großen Häuser Blendende abging, so besaß er dafür in jenem einen um so siche¬
rern und zuverlässigem Führer, den keine Leidenschaft über Ziel und Weg verblen¬
den konnte. Von Wichtigkeit für ihn war seine enge und langjährige politische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/231>, abgerufen am 19.10.2024.