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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Feindes umgehen, sah sich aber bald selbst angegriffen; mit richtigem Urtheil hatte
Typpo Said seine auserlesensten Truppen ihm entgegengeschickt, denn er konnte
hoffen, daß, wenn er das einzige hier befindliche europäische Regiment, das 33.,
über den Haufen rennte, die einheimischen Truppen, von panischen Schrecken
erfüllt, die Flucht ergreifen würden. Aber die Engländer empfingen die An¬
stürmenden mit einem so wohlgezielten Feuer, daß Alles in Verwirrung gerieth,
und ein rascher Angriff der Dragoner die Niederlage vollendeten. Bei der nun
folgenden Belagerung von Seringapatam entwickelte Oberst Wellesley ebenfalls
große Thätigkeit, blieb aber bei der Erstürmung in Reserve, und rückte erst in
die Stadt, um dort die Ordnung wieder herzustellen. Nach Beendigung des
Krieges -- der bekanntlich Typpo Said Krone und Leben kostete -- wurde
Wellesley Statthalter von Seringapatam und Mysore, und erhielt zugleich den
Oberbefehl über die Occupationstruppen. Einige Monate lang war er auf das
Erfolgreichste mit der Einrichtung der nen eroberten, einheimischen Fürsten an¬
vertrauten Provinzen beschäftigt, indem er Beamte und Ofstciere von jedem Range
anstellte, Wege ausbesserte, Communicationen eröffnete, die Beschwerden aller
Klassen von Bewohnern anhörte, und ihnen, wenn sie gerecht waren, abhalf. Diese
Thätigkeit wurde durch einen kurzen Feldzug gegen einen Räuberhäuptling Dhudiah
unterbrochen, der sich mit einer ansehnlichen, aus leichter Reiterei und Artillerie
bestehenden Truppe in einer schwer zugänglichen Gegend festgesetzt hatte, alle Unzu¬
friedenen um sich sammelte, und bei dem.schwankenden Charakter der orientalischen
Verhältnisse leicht so gefährlich werden konnte, wie der kaum vernichtete Feind, denn
selbst Hyder Ali war ursprünglich nicht viel mehr, als ein unternehmender Frei¬
beuter gewesen. Es war der erste Feldzug, den Wellesley allein leitete, und
dieser hatte die Genugthuung, nach zwei Monaten anstrengender Märsche und
geschickter Manöver den aalglatt entschlüpfenden Feind zum Stehen zu zwingen,
und durch einen einzigen kühnen Angriff zu vernichten. Als Trophäe brachten die
siegreichen Truppen die Leiche des in der Schlacht gefallenen Räuberhäuptlings
aus eine Kanone gebunden mit in das Lager. Der rasche Erfolg dieses an sich
unbedeutenden Feldzugs steigerte das Ansehen Wellesley's bei den einheimischen
Höfen, und bei der britischen Regierung sehr bedeutend.

Wir kommen jetzt zu einem Vorfall, welcher Wellesley's Selbstverläugnung,
diese unentbehrlichste Eigenschaft großer Charaktere, -- in ein Helles Licht stellt.
Nelson's Sieg bei Abukir hatte Bonaparte's Armee in Aegypten vom Mutter¬
land abgeschnitten, und er mußte sich seine Hilfsquellen im Lande selbst suchen.
Aber man dachte den gefürchteten Schaaren der Franzosen auch von der ostindischen
Seite eine Armee entgegenzusetzen, und sie vom rothen Meere aus im Rücken
zu fassen. Fest entschieden hatte man sich für diesen Plan noch nicht, aber doch
einstweilen auf Ceylon ein Corps von S000 Mann unter Oberst Wellesley zu¬
sammengezogen, um es nach Umständen nach dem rothen Meere oder Mauritius


Feindes umgehen, sah sich aber bald selbst angegriffen; mit richtigem Urtheil hatte
Typpo Said seine auserlesensten Truppen ihm entgegengeschickt, denn er konnte
hoffen, daß, wenn er das einzige hier befindliche europäische Regiment, das 33.,
über den Haufen rennte, die einheimischen Truppen, von panischen Schrecken
erfüllt, die Flucht ergreifen würden. Aber die Engländer empfingen die An¬
stürmenden mit einem so wohlgezielten Feuer, daß Alles in Verwirrung gerieth,
und ein rascher Angriff der Dragoner die Niederlage vollendeten. Bei der nun
folgenden Belagerung von Seringapatam entwickelte Oberst Wellesley ebenfalls
große Thätigkeit, blieb aber bei der Erstürmung in Reserve, und rückte erst in
die Stadt, um dort die Ordnung wieder herzustellen. Nach Beendigung des
Krieges — der bekanntlich Typpo Said Krone und Leben kostete — wurde
Wellesley Statthalter von Seringapatam und Mysore, und erhielt zugleich den
Oberbefehl über die Occupationstruppen. Einige Monate lang war er auf das
Erfolgreichste mit der Einrichtung der nen eroberten, einheimischen Fürsten an¬
vertrauten Provinzen beschäftigt, indem er Beamte und Ofstciere von jedem Range
anstellte, Wege ausbesserte, Communicationen eröffnete, die Beschwerden aller
Klassen von Bewohnern anhörte, und ihnen, wenn sie gerecht waren, abhalf. Diese
Thätigkeit wurde durch einen kurzen Feldzug gegen einen Räuberhäuptling Dhudiah
unterbrochen, der sich mit einer ansehnlichen, aus leichter Reiterei und Artillerie
bestehenden Truppe in einer schwer zugänglichen Gegend festgesetzt hatte, alle Unzu¬
friedenen um sich sammelte, und bei dem.schwankenden Charakter der orientalischen
Verhältnisse leicht so gefährlich werden konnte, wie der kaum vernichtete Feind, denn
selbst Hyder Ali war ursprünglich nicht viel mehr, als ein unternehmender Frei¬
beuter gewesen. Es war der erste Feldzug, den Wellesley allein leitete, und
dieser hatte die Genugthuung, nach zwei Monaten anstrengender Märsche und
geschickter Manöver den aalglatt entschlüpfenden Feind zum Stehen zu zwingen,
und durch einen einzigen kühnen Angriff zu vernichten. Als Trophäe brachten die
siegreichen Truppen die Leiche des in der Schlacht gefallenen Räuberhäuptlings
aus eine Kanone gebunden mit in das Lager. Der rasche Erfolg dieses an sich
unbedeutenden Feldzugs steigerte das Ansehen Wellesley's bei den einheimischen
Höfen, und bei der britischen Regierung sehr bedeutend.

Wir kommen jetzt zu einem Vorfall, welcher Wellesley's Selbstverläugnung,
diese unentbehrlichste Eigenschaft großer Charaktere, — in ein Helles Licht stellt.
Nelson's Sieg bei Abukir hatte Bonaparte's Armee in Aegypten vom Mutter¬
land abgeschnitten, und er mußte sich seine Hilfsquellen im Lande selbst suchen.
Aber man dachte den gefürchteten Schaaren der Franzosen auch von der ostindischen
Seite eine Armee entgegenzusetzen, und sie vom rothen Meere aus im Rücken
zu fassen. Fest entschieden hatte man sich für diesen Plan noch nicht, aber doch
einstweilen auf Ceylon ein Corps von S000 Mann unter Oberst Wellesley zu¬
sammengezogen, um es nach Umständen nach dem rothen Meere oder Mauritius


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/152>, abgerufen am 21.06.2024.