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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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reich dem Byzantinischen Reich zuführte, konnte der Präsident blos eine Gelegen¬
heit abwarten, dieselbe unter einem Schlage der Autorität vom Gewichte von sechs
Millionen Stimmen zu vernichten. Louis Napoleon hat es gethan, aber er
folgte nicht dem Beispiele seiner Vorgänger, er rief das allgemeine Stimmrecht
an (in der bekannten Weise). Der gordische Knoten war also unter dem
Beifalle des Landes von diesem modernen Alexander zerhauen, und Prinz Napoleon
steht von jenem Moment in der ersten Reihe der berühmtesten Staatsmänner
und Politiker. Louis Bonaparte hat das Scepter verdient, das die Bourbonen
schon so oft aus ihren ungeschickten Händen entwischen ließen. Er hat bei seiner
Constitution die Ideen des Kaisers zu Rathe gezogen, und so ist diese in der
That das ne"n plus ultra aller vergangenen und bestehenden Verfassungen
geworden. Er hat keine Abstractionen gemacht, er hat die Verfassung des Jahres
VIII mit Erfolg den Bedürfnissen unsrer Zeit angepaßt. Sie läßt Nichts zu
wünschen übrig, und selbst die englische Verfassung weit hinter sich. (Folgt wieder
ein Vergleich zwischen England und Frankreich.) Der Hauptvorzug ist immer
noch die Ausübung des allgemeinen Stimmrechtes la mimiöre que vous
eormaissW. Aus den bisherigen Entwickelungen folgert der Verfasser, daß "Frank¬
reich sich zum Morgen des Reiches-von Napoleon zurückgeführt sieht, und daß
die Restauration, die Julianstalt und selbst die Februarrevolution, für uus,
die wir ihm deren Nachwelt sind, blos zu vorübergehenden Zufällen herabsinken,
zu ephemeren Parenthesen in der Ordnung der Ereignisse, zu Regierungen des
Antagonismus, beruhend auf schlechten Grundlagen und untergraben von immer¬
währenden Agenten der Zerstörung. Es ist daher verständig, es ist daher natür¬
lich, das Regime des Kaisers wieder aufzunehmen in dem, was es Heilsames und
Großartiges hatte, mit Ausnahme des Krieges, der heute unnütz, mit
Ausnahme des Despotismus, dessen vielleicht zu absolute Aus¬
übung in den Händen des Kaisers eine Nothwendigkeit jener Zeit gewesen, blos
eine Folge der europäischen Kriege."

Napoleon's Geschichte wäre erst zu schreiben, denn es ließe sich nachweisen,
daß der Kaiser zu allen seinen Kriegen, selbst zum Feldzuge nach Rußland, ge¬
zwungen worden war. Die royalistischen Verschwörungen haben ihn dazu ge¬
nöthigt. "Das Blut kocht Einem in den Adern, wenn man bedenkt, daß der
größte Mann, der große Politiker, der größte Monarch der Welt einer Intrigue
erlegen sei, und daß Fouchv und Talleyrand, das Verbrechen und das Laster,
die thätigen Agenten seines Falles gewesen."

"Die Lage ist heute nicht mehr dieselbe, und der Prinzprästdent der Republik kaun
keine bedeutsameren Beweise seiner friedlichen Absichten geben, als indem er thut, was
er eben im Legriffe ist, eine Reserve zu bilden, die ihm erlaubt, den Efsectivstand der
Armee zu vermindern." Die Parteien sollen daher aufhören, immer wieder von
Kriegszehnten zu sprechen. "Ein Feind, der entwaffnet, ist nicht zu fürchten!"


reich dem Byzantinischen Reich zuführte, konnte der Präsident blos eine Gelegen¬
heit abwarten, dieselbe unter einem Schlage der Autorität vom Gewichte von sechs
Millionen Stimmen zu vernichten. Louis Napoleon hat es gethan, aber er
folgte nicht dem Beispiele seiner Vorgänger, er rief das allgemeine Stimmrecht
an (in der bekannten Weise). Der gordische Knoten war also unter dem
Beifalle des Landes von diesem modernen Alexander zerhauen, und Prinz Napoleon
steht von jenem Moment in der ersten Reihe der berühmtesten Staatsmänner
und Politiker. Louis Bonaparte hat das Scepter verdient, das die Bourbonen
schon so oft aus ihren ungeschickten Händen entwischen ließen. Er hat bei seiner
Constitution die Ideen des Kaisers zu Rathe gezogen, und so ist diese in der
That das ne»n plus ultra aller vergangenen und bestehenden Verfassungen
geworden. Er hat keine Abstractionen gemacht, er hat die Verfassung des Jahres
VIII mit Erfolg den Bedürfnissen unsrer Zeit angepaßt. Sie läßt Nichts zu
wünschen übrig, und selbst die englische Verfassung weit hinter sich. (Folgt wieder
ein Vergleich zwischen England und Frankreich.) Der Hauptvorzug ist immer
noch die Ausübung des allgemeinen Stimmrechtes la mimiöre que vous
eormaissW. Aus den bisherigen Entwickelungen folgert der Verfasser, daß „Frank¬
reich sich zum Morgen des Reiches-von Napoleon zurückgeführt sieht, und daß
die Restauration, die Julianstalt und selbst die Februarrevolution, für uus,
die wir ihm deren Nachwelt sind, blos zu vorübergehenden Zufällen herabsinken,
zu ephemeren Parenthesen in der Ordnung der Ereignisse, zu Regierungen des
Antagonismus, beruhend auf schlechten Grundlagen und untergraben von immer¬
währenden Agenten der Zerstörung. Es ist daher verständig, es ist daher natür¬
lich, das Regime des Kaisers wieder aufzunehmen in dem, was es Heilsames und
Großartiges hatte, mit Ausnahme des Krieges, der heute unnütz, mit
Ausnahme des Despotismus, dessen vielleicht zu absolute Aus¬
übung in den Händen des Kaisers eine Nothwendigkeit jener Zeit gewesen, blos
eine Folge der europäischen Kriege."

Napoleon's Geschichte wäre erst zu schreiben, denn es ließe sich nachweisen,
daß der Kaiser zu allen seinen Kriegen, selbst zum Feldzuge nach Rußland, ge¬
zwungen worden war. Die royalistischen Verschwörungen haben ihn dazu ge¬
nöthigt. „Das Blut kocht Einem in den Adern, wenn man bedenkt, daß der
größte Mann, der große Politiker, der größte Monarch der Welt einer Intrigue
erlegen sei, und daß Fouchv und Talleyrand, das Verbrechen und das Laster,
die thätigen Agenten seines Falles gewesen."

„Die Lage ist heute nicht mehr dieselbe, und der Prinzprästdent der Republik kaun
keine bedeutsameren Beweise seiner friedlichen Absichten geben, als indem er thut, was
er eben im Legriffe ist, eine Reserve zu bilden, die ihm erlaubt, den Efsectivstand der
Armee zu vermindern." Die Parteien sollen daher aufhören, immer wieder von
Kriegszehnten zu sprechen. „Ein Feind, der entwaffnet, ist nicht zu fürchten!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/100>, abgerufen am 20.06.2024.