Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Pommern, das am Meere gelegene, erklärt Einer als gleichbedeutend mit Bohw- Seit dem -12. Jahrhunderte, wo das Christenthum nach Pommern kam, Während in Thüringen, Sachsen ze. Stadt- und Landbewohner dieselbe Pommern, das am Meere gelegene, erklärt Einer als gleichbedeutend mit Bohw- Seit dem -12. Jahrhunderte, wo das Christenthum nach Pommern kam, Während in Thüringen, Sachsen ze. Stadt- und Landbewohner dieselbe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94504"/> <p xml:id="ID_148" prev="#ID_147"> Pommern, das am Meere gelegene, erklärt Einer als gleichbedeutend mit Bohw-<lb/> herrn, d. h. Baumbesitzer»; ähnliche abenteuerliche Deutungen siudeu sich mehrere.<lb/> Viele Familiennamen sind ebenfalls wendisch, wie ja auch die pommerschen Her¬<lb/> zöge, die Bogisleffe, auf Deutsch Gottesruhm, einen solchen führten. Als der<lb/> Bischof Otto im 12. Jahrhunderte auf Wollin einen Bauern taufte, der ihn<lb/> erschlagen wollte, sprach dieser die Worte: Bog bahl ze., Gott sei gelobt, daß<lb/> ich Dich nicht getödtet habe, weshalb er den Namen Bogdaht erhielt, noch heute<lb/> giebt es diesen Bauernamen auf Wollin. Auf Rügen starb die letzte wendisch<lb/> redende Bauerfrau in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus, und heute<lb/> findet man nur hinter Stolpe in einem kleinen Striche, in Cassuben, die letzten<lb/> Wenden in Pommern, die durch eine wendische Bibel, einen wendischen Kate¬<lb/> chismus, durch wendische Gebräuche und Trachten ihren slavischen Ursprung<lb/> erhalten und bekunden. Sie sind besonders mit Erdarbeiten vertraut und tüch¬<lb/> tige Gartenarbeiter. Wer sich ans Physiognomien versteht, findet hänstg in den<lb/> Gesichtszügen wendische Abstammung ausgesprochen. Die vielen vorhandenen<lb/> Gräber und Wendenkirchhöfe, von den Bauern Pottberge genannt, sind ebenfalls<lb/> wendische Merkzeichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Seit dem -12. Jahrhunderte, wo das Christenthum nach Pommern kam,<lb/> begann mit der Gründung deutscher Kloster, die Germanisirung des Landes dnrch<lb/> niedersächsische Ansiedler aus Ostfriesland, Westphalen ze., welche mit eiserner<lb/> Zunge, d. h. mit dem eisernen Pfluge, das Evangelium eines verständigen Acker¬<lb/> baues verpflanzte». Die Jägerdörfer an der Ostsee sind von ihnen bevölkert,<lb/> sie.führen hochdeutsche Namen, welche sich aus Hagen endigen, wie Sassenhagen,<lb/> Arndtshagen, so daß die Vorsylben gewöhnlich den Namen des ersten Anbaners<lb/> ausdrücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_150" next="#ID_151"> Während in Thüringen, Sachsen ze. Stadt- und Landbewohner dieselbe<lb/> Sprache reden, ist in Pommern Stadt und Land durch die hoch- und platt¬<lb/> deutsche Sprache getrennt. Das pommersche Hochdeutsch läßt die Diphthongen<lb/> nicht zu ihrer vollen Bedeutung kommen, verkürzt und verstümmelt die Endsilben,<lb/> ein Gebrauch, der sich fortsetzt, je mehr man der Stadt der reinen Vernunft und<lb/> Deutsch-Rußland sich nähert, wo das Hochdeutsche immer karger und tonloser<lb/> wird. Unser Gesanglehrer, ein Sachse, war stets in Verzweiflung, wenn seine<lb/> Schüler Himmel schlechtweg und uicht Hihmel sangen, er strich verzweifelnd seine<lb/> Geige, um die fehlende Dehnung des i herauszubringen, aber den Knaben erschien<lb/> dies als'eine gezierte Dehnung, sie machten Opposition, weil sie von der Wiege<lb/> an ihr kurzes i nicht anders gehört und gesprochen hatten. Der jetzige Bischof<lb/> von Pommern, ein geborner Erfurter, pflegt bei den Prüfuugspredigten der Can-<lb/> didaten auf die Einseitigkeit dieser pommerschen Aussprache aufmerksam zu macheu,<lb/> ohne zu wissen, daß der Erfurter Dialekt den Pommern eben so provinziell<lb/> erscheint. Das verdorbene pommersche Hochdeutsch mit seinem ick (ich), wat,<lb/> x</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Pommern, das am Meere gelegene, erklärt Einer als gleichbedeutend mit Bohw-
herrn, d. h. Baumbesitzer»; ähnliche abenteuerliche Deutungen siudeu sich mehrere.
Viele Familiennamen sind ebenfalls wendisch, wie ja auch die pommerschen Her¬
zöge, die Bogisleffe, auf Deutsch Gottesruhm, einen solchen führten. Als der
Bischof Otto im 12. Jahrhunderte auf Wollin einen Bauern taufte, der ihn
erschlagen wollte, sprach dieser die Worte: Bog bahl ze., Gott sei gelobt, daß
ich Dich nicht getödtet habe, weshalb er den Namen Bogdaht erhielt, noch heute
giebt es diesen Bauernamen auf Wollin. Auf Rügen starb die letzte wendisch
redende Bauerfrau in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus, und heute
findet man nur hinter Stolpe in einem kleinen Striche, in Cassuben, die letzten
Wenden in Pommern, die durch eine wendische Bibel, einen wendischen Kate¬
chismus, durch wendische Gebräuche und Trachten ihren slavischen Ursprung
erhalten und bekunden. Sie sind besonders mit Erdarbeiten vertraut und tüch¬
tige Gartenarbeiter. Wer sich ans Physiognomien versteht, findet hänstg in den
Gesichtszügen wendische Abstammung ausgesprochen. Die vielen vorhandenen
Gräber und Wendenkirchhöfe, von den Bauern Pottberge genannt, sind ebenfalls
wendische Merkzeichen.
Seit dem -12. Jahrhunderte, wo das Christenthum nach Pommern kam,
begann mit der Gründung deutscher Kloster, die Germanisirung des Landes dnrch
niedersächsische Ansiedler aus Ostfriesland, Westphalen ze., welche mit eiserner
Zunge, d. h. mit dem eisernen Pfluge, das Evangelium eines verständigen Acker¬
baues verpflanzte». Die Jägerdörfer an der Ostsee sind von ihnen bevölkert,
sie.führen hochdeutsche Namen, welche sich aus Hagen endigen, wie Sassenhagen,
Arndtshagen, so daß die Vorsylben gewöhnlich den Namen des ersten Anbaners
ausdrücken.
Während in Thüringen, Sachsen ze. Stadt- und Landbewohner dieselbe
Sprache reden, ist in Pommern Stadt und Land durch die hoch- und platt¬
deutsche Sprache getrennt. Das pommersche Hochdeutsch läßt die Diphthongen
nicht zu ihrer vollen Bedeutung kommen, verkürzt und verstümmelt die Endsilben,
ein Gebrauch, der sich fortsetzt, je mehr man der Stadt der reinen Vernunft und
Deutsch-Rußland sich nähert, wo das Hochdeutsche immer karger und tonloser
wird. Unser Gesanglehrer, ein Sachse, war stets in Verzweiflung, wenn seine
Schüler Himmel schlechtweg und uicht Hihmel sangen, er strich verzweifelnd seine
Geige, um die fehlende Dehnung des i herauszubringen, aber den Knaben erschien
dies als'eine gezierte Dehnung, sie machten Opposition, weil sie von der Wiege
an ihr kurzes i nicht anders gehört und gesprochen hatten. Der jetzige Bischof
von Pommern, ein geborner Erfurter, pflegt bei den Prüfuugspredigten der Can-
didaten auf die Einseitigkeit dieser pommerschen Aussprache aufmerksam zu macheu,
ohne zu wissen, daß der Erfurter Dialekt den Pommern eben so provinziell
erscheint. Das verdorbene pommersche Hochdeutsch mit seinem ick (ich), wat,
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