Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.alten Zeit spotteten, und doch kann man nicht läugnen, daß dieselbe kleine Staats- Wir wenden uns jetzt zu einigen neuen Erscheinungen im Gebiet der Literatur¬ alten Zeit spotteten, und doch kann man nicht läugnen, daß dieselbe kleine Staats- Wir wenden uns jetzt zu einigen neuen Erscheinungen im Gebiet der Literatur¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0529" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94970"/> <p xml:id="ID_1556" prev="#ID_1555"> alten Zeit spotteten, und doch kann man nicht läugnen, daß dieselbe kleine Staats-<lb/> klugheit dnrch ihre Zähigkeit und Ausdauer die größten Thaten überlebt und sie dadurch<lb/> gewissermaßen überwunden hat. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> Wir wenden uns jetzt zu einigen neuen Erscheinungen im Gebiet der Literatur¬<lb/> geschichte. — Die SchiUer-Goethe'schen Xenien, erläutert von Julius Saupe.,<lb/> (Leipzig, I. I. Weber.) — Der Verfasser hat sich schon früher durch die Schrift:<lb/> „Schiller und sein väterliches Haus" vortheilhaft bekannt gemacht. Das gegenwärtige<lb/> Werk scheint zwar durch die vorhergehenden Werke von Düntzcr und Boas über den<lb/> nämlichen Gegenstand einigermaßen entbehrlich gemacht zu werden, es ist aber an sich<lb/> sehr gut gearbeitet, sehr vollständig, mit zweckmäßigen biographischen und anderen Notizen<lb/> versehen und bequem sowol zum Nachschlagen, als zur Lecture. Wie es mit jedem<lb/> Gegenstand zu gehen Pflegt, auf den man Fleiß und Mühe verwandt hat, so scheint<lb/> auch der Verfasser die Bedeutung dieser literarhistorischen Periode zu überschätzen; er<lb/> stellt sie geradezu im Parallele mit Luther's Wittenberger Thesen. , Für uns ist eS<lb/> eigentlich doch nur ein Symbol für den Geist jener Zeit, der in dergleichen den<lb/> Mittelpunkt seines Sinnens und Trachtens finden konnte. Es ist uns zwar sehr in¬<lb/> teressant, die Kühnheit zu betrachten, mit der Goethe und Schiller allem Mittelmäßigen<lb/> und Schlechten den Krieg erMrte», wenn auch so Manches mit unterlief, dem man<lb/> nicht in jeder Beziehung beipflichten kann; einen weitern Werth haben aber diese Xenien<lb/> für uns nicht mehr, denn was in denselben angedeutet ist, finden wir in dem Brief¬<lb/> wechsel der beiden Dichter viel schärfer und vollständiger ausgesprochen. Wenn man<lb/> sich auch heut zu Tage vorstellen könnte, daß wieder einmal ein Paar Geister von ähnlicher<lb/> Bedeutung und Verhältniß zu ihren Mitbewerbern aufträten, und eine ähnliche Polemik<lb/> eröffneten, so würde sich das Interesse dasür doch lediglich auf den Kreis der eigent-<lb/> liehen Literaten einschränken, das Volk würde davon nicht mehr berührt werden. Und<lb/> es ist besser, daß es so ist. — — Vorlesungen über Goethe's Torquato<lb/> Tasso, von Ludwig Eckardt. (Bern, Fischer) Die Vorlesungen, die von<lb/> Professor Troxler eingeführt werden, zeichnen sich durch sorgfältige Arbeit, durch warme<lb/> Liebe zum Gegenstand und durch große Receptivität sür die verschiedenartigsten Gesichts¬<lb/> punkte aus. Die Freunde des Dichters werden durch diese Lecture ihre Kenntniß über<lb/> verschiedene aus den Dichter bezügliche Gegenstände erweitern und in ihrer Verehrung<lb/> gefördert werden. Ob auch das Verständniß des Drama's dabei gewinnen wird,<lb/> erscheint uns zweifelhaft. Wir glauben, daß man Goethe am besten versteht, wenn<lb/> man sich nicht die Mühe giebt, mehr hineindichten zu wollen, als wirklich darin<lb/> ist- Unsre wett ausgedehnte Speculation hat in uns die Neigung hervorgerufen, bei<lb/> jedem Gedicht nach speculativem Inhalt zu suchen. Wir wollen die Empfindungen,<lb/> die das Kunstwerk in uns erregt, in eine allgemein giltige Form gebracht wissen. Man hat<lb/> in Tasso ein Bild vom Gegensatz des Weidmanns und des Poeten, vom Gegensatz<lb/> der fteie» Empfindung und der Convenienz gesucht, und noch mehreres Andere. Man<lb/> hat dabei immer übersehe», daß Goethe eigentlich ein ganz individuelles Verhältniß<lb/> schildert. Tasso ist nicht der absolute Dichter. Antonio nicht der absolute Weltmann.<lb/> Goethe hat die beiden Seiten seiner eigenen Natur in diesen beiden Personen aus ein¬<lb/> ander gelegt, jeder von ihnen eine möglichst charakteristische Erscheinung geliehen, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0529]
alten Zeit spotteten, und doch kann man nicht läugnen, daß dieselbe kleine Staats-
klugheit dnrch ihre Zähigkeit und Ausdauer die größten Thaten überlebt und sie dadurch
gewissermaßen überwunden hat. —
Wir wenden uns jetzt zu einigen neuen Erscheinungen im Gebiet der Literatur¬
geschichte. — Die SchiUer-Goethe'schen Xenien, erläutert von Julius Saupe.,
(Leipzig, I. I. Weber.) — Der Verfasser hat sich schon früher durch die Schrift:
„Schiller und sein väterliches Haus" vortheilhaft bekannt gemacht. Das gegenwärtige
Werk scheint zwar durch die vorhergehenden Werke von Düntzcr und Boas über den
nämlichen Gegenstand einigermaßen entbehrlich gemacht zu werden, es ist aber an sich
sehr gut gearbeitet, sehr vollständig, mit zweckmäßigen biographischen und anderen Notizen
versehen und bequem sowol zum Nachschlagen, als zur Lecture. Wie es mit jedem
Gegenstand zu gehen Pflegt, auf den man Fleiß und Mühe verwandt hat, so scheint
auch der Verfasser die Bedeutung dieser literarhistorischen Periode zu überschätzen; er
stellt sie geradezu im Parallele mit Luther's Wittenberger Thesen. , Für uns ist eS
eigentlich doch nur ein Symbol für den Geist jener Zeit, der in dergleichen den
Mittelpunkt seines Sinnens und Trachtens finden konnte. Es ist uns zwar sehr in¬
teressant, die Kühnheit zu betrachten, mit der Goethe und Schiller allem Mittelmäßigen
und Schlechten den Krieg erMrte», wenn auch so Manches mit unterlief, dem man
nicht in jeder Beziehung beipflichten kann; einen weitern Werth haben aber diese Xenien
für uns nicht mehr, denn was in denselben angedeutet ist, finden wir in dem Brief¬
wechsel der beiden Dichter viel schärfer und vollständiger ausgesprochen. Wenn man
sich auch heut zu Tage vorstellen könnte, daß wieder einmal ein Paar Geister von ähnlicher
Bedeutung und Verhältniß zu ihren Mitbewerbern aufträten, und eine ähnliche Polemik
eröffneten, so würde sich das Interesse dasür doch lediglich auf den Kreis der eigent-
liehen Literaten einschränken, das Volk würde davon nicht mehr berührt werden. Und
es ist besser, daß es so ist. — — Vorlesungen über Goethe's Torquato
Tasso, von Ludwig Eckardt. (Bern, Fischer) Die Vorlesungen, die von
Professor Troxler eingeführt werden, zeichnen sich durch sorgfältige Arbeit, durch warme
Liebe zum Gegenstand und durch große Receptivität sür die verschiedenartigsten Gesichts¬
punkte aus. Die Freunde des Dichters werden durch diese Lecture ihre Kenntniß über
verschiedene aus den Dichter bezügliche Gegenstände erweitern und in ihrer Verehrung
gefördert werden. Ob auch das Verständniß des Drama's dabei gewinnen wird,
erscheint uns zweifelhaft. Wir glauben, daß man Goethe am besten versteht, wenn
man sich nicht die Mühe giebt, mehr hineindichten zu wollen, als wirklich darin
ist- Unsre wett ausgedehnte Speculation hat in uns die Neigung hervorgerufen, bei
jedem Gedicht nach speculativem Inhalt zu suchen. Wir wollen die Empfindungen,
die das Kunstwerk in uns erregt, in eine allgemein giltige Form gebracht wissen. Man hat
in Tasso ein Bild vom Gegensatz des Weidmanns und des Poeten, vom Gegensatz
der fteie» Empfindung und der Convenienz gesucht, und noch mehreres Andere. Man
hat dabei immer übersehe», daß Goethe eigentlich ein ganz individuelles Verhältniß
schildert. Tasso ist nicht der absolute Dichter. Antonio nicht der absolute Weltmann.
Goethe hat die beiden Seiten seiner eigenen Natur in diesen beiden Personen aus ein¬
ander gelegt, jeder von ihnen eine möglichst charakteristische Erscheinung geliehen, und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |