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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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lischen aus gehört, daß diejenige Presse die gefährlichste sei, welche mit kalter
Ruhe und scheinbar absichtlos die Mängel des Bestehenden zusammenstelle, um
den Leser seine Schlüsse selber ziehen zu lassen. Dies aber geschieht durchweg
im ganzen Handbuche der Hygieine, und dabei ist die Sprache so edel und gebildet,
der Styl so schön und klar, daß man sich fortwährend zum Weiterlesen verführt
fühlt. -

Nach Form und Herkommen wohlbestallten Kritikervcrfahrens haben wir den
geneigten Leser einige Blicke in die Vorrede und das Schlnßcapitcl thun lassen.
Wir könnten also auf dem Büchertische nach einem andern Opfer suchen, nachdem
wir etwelche überflüssige Gedanken losgeworden und vom positiven Inhalte des
Handbuchs der Hygieine sehr wenig Anschauung gegeben haben. Aber zwischen
Vorwort und Schlußcapitel liegt hier ein so reiches Material der Erfahrung und
Belehrung, daß die eigenen wohlweisen Ncbenreflexionen vollkommen zurücktreten
müssen, um auf diese Fälle wenigstens hinzudeuten.

Vornehmlich mögen uichtmedicinischen, doch sonst strebsamen Menschen die
Belehrungendes ersten Abschnittes "vom Menschen,.seinen wechselnden Zuständen
und Bedürfnissen" empfohlen sein. Der eben nicht seltene ärztliche Schlendrian
aber dürfte durch die folgenden Abschnitte über die meteorologischen, hydrologischen
und tellurischen Einflüsse und Zustände mancherlei Anregn"., dazu bekommen,
außer deu Erscheinungen am Object im Krankenbett anch noch einige andere
Unistände und Umgebungen seiner genauen Aufmerksamkeit zu würdigen. Ist's
doch als stände über jedem einzelnen Paragraphen von Neuem der Erfahrungs-
satz der Vorrede: "Weil z. B. Aerzte mit all den Gesundheitsbedingungen
und Bedürfnissen des Menschen unter diesen oder jenen Umständen mit ,den
Gesetzen, nach denen Alles um uns und in uns ans unser Wohlbefinden nach
Körper wie Geist einwirkt, selten bekannt genug gewesen, mußten sie auch weniger
tüchtige Diener der Gesundheit und in vieler Hinsicht selbst weniger glück¬
liche Forscher im Gebiete der Krankheiten und deren Entstehungsweise sein". --

Die "Diätetik im engern Sinne" unterscheidet sich von ähnlichen Behandlun¬
gen desselben Gegenswudes in den gewöhnlichen Hand-, Lehr- und Hilfsbüchern
der Makrobiotik vorzugsweise vortheilhaft dadurch, daß sie gewisse, um einmal
M Gewohnheit gewordene Luxusbedürsnisse nicht eben nur als solche mit vorueh-
wer Geringschätzung anblickt, sondern als wirkliche Lebenserscheinungen auffaßt,
deren relative Schädlichkeit oder Nützlichkeit wahrhaft praktischer Beurtheilung
unterworfen wird. "Wir finden, sagt außerdem der Verf., daß nicht blos die
jeweilige Cultur des Bodens, sondern auch der jeweilige Culturzustand seiner
Bevölkerung, die ganze Bildungs- und Civilisationsstufe eiues Volkes, wie seine
gewerbliche und commercielle Entwickelung und -- in innigster Wechselbeziehung
damit -- daß seiue jeweiligen staatlichen Einrichtungen und Regierungsformen zusammt
dem öffentlichen Rechtszustand vom entschiedensten Einfluß auf die Art und Fülle


Grenzboten. III. 18S2. 63

lischen aus gehört, daß diejenige Presse die gefährlichste sei, welche mit kalter
Ruhe und scheinbar absichtlos die Mängel des Bestehenden zusammenstelle, um
den Leser seine Schlüsse selber ziehen zu lassen. Dies aber geschieht durchweg
im ganzen Handbuche der Hygieine, und dabei ist die Sprache so edel und gebildet,
der Styl so schön und klar, daß man sich fortwährend zum Weiterlesen verführt
fühlt. -

Nach Form und Herkommen wohlbestallten Kritikervcrfahrens haben wir den
geneigten Leser einige Blicke in die Vorrede und das Schlnßcapitcl thun lassen.
Wir könnten also auf dem Büchertische nach einem andern Opfer suchen, nachdem
wir etwelche überflüssige Gedanken losgeworden und vom positiven Inhalte des
Handbuchs der Hygieine sehr wenig Anschauung gegeben haben. Aber zwischen
Vorwort und Schlußcapitel liegt hier ein so reiches Material der Erfahrung und
Belehrung, daß die eigenen wohlweisen Ncbenreflexionen vollkommen zurücktreten
müssen, um auf diese Fälle wenigstens hinzudeuten.

Vornehmlich mögen uichtmedicinischen, doch sonst strebsamen Menschen die
Belehrungendes ersten Abschnittes „vom Menschen,.seinen wechselnden Zuständen
und Bedürfnissen" empfohlen sein. Der eben nicht seltene ärztliche Schlendrian
aber dürfte durch die folgenden Abschnitte über die meteorologischen, hydrologischen
und tellurischen Einflüsse und Zustände mancherlei Anregn»., dazu bekommen,
außer deu Erscheinungen am Object im Krankenbett anch noch einige andere
Unistände und Umgebungen seiner genauen Aufmerksamkeit zu würdigen. Ist's
doch als stände über jedem einzelnen Paragraphen von Neuem der Erfahrungs-
satz der Vorrede: „Weil z. B. Aerzte mit all den Gesundheitsbedingungen
und Bedürfnissen des Menschen unter diesen oder jenen Umständen mit ,den
Gesetzen, nach denen Alles um uns und in uns ans unser Wohlbefinden nach
Körper wie Geist einwirkt, selten bekannt genug gewesen, mußten sie auch weniger
tüchtige Diener der Gesundheit und in vieler Hinsicht selbst weniger glück¬
liche Forscher im Gebiete der Krankheiten und deren Entstehungsweise sein". —

Die „Diätetik im engern Sinne" unterscheidet sich von ähnlichen Behandlun¬
gen desselben Gegenswudes in den gewöhnlichen Hand-, Lehr- und Hilfsbüchern
der Makrobiotik vorzugsweise vortheilhaft dadurch, daß sie gewisse, um einmal
M Gewohnheit gewordene Luxusbedürsnisse nicht eben nur als solche mit vorueh-
wer Geringschätzung anblickt, sondern als wirkliche Lebenserscheinungen auffaßt,
deren relative Schädlichkeit oder Nützlichkeit wahrhaft praktischer Beurtheilung
unterworfen wird. „Wir finden, sagt außerdem der Verf., daß nicht blos die
jeweilige Cultur des Bodens, sondern auch der jeweilige Culturzustand seiner
Bevölkerung, die ganze Bildungs- und Civilisationsstufe eiues Volkes, wie seine
gewerbliche und commercielle Entwickelung und — in innigster Wechselbeziehung
damit — daß seiue jeweiligen staatlichen Einrichtungen und Regierungsformen zusammt
dem öffentlichen Rechtszustand vom entschiedensten Einfluß auf die Art und Fülle


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[0509] lischen aus gehört, daß diejenige Presse die gefährlichste sei, welche mit kalter Ruhe und scheinbar absichtlos die Mängel des Bestehenden zusammenstelle, um den Leser seine Schlüsse selber ziehen zu lassen. Dies aber geschieht durchweg im ganzen Handbuche der Hygieine, und dabei ist die Sprache so edel und gebildet, der Styl so schön und klar, daß man sich fortwährend zum Weiterlesen verführt fühlt. - Nach Form und Herkommen wohlbestallten Kritikervcrfahrens haben wir den geneigten Leser einige Blicke in die Vorrede und das Schlnßcapitcl thun lassen. Wir könnten also auf dem Büchertische nach einem andern Opfer suchen, nachdem wir etwelche überflüssige Gedanken losgeworden und vom positiven Inhalte des Handbuchs der Hygieine sehr wenig Anschauung gegeben haben. Aber zwischen Vorwort und Schlußcapitel liegt hier ein so reiches Material der Erfahrung und Belehrung, daß die eigenen wohlweisen Ncbenreflexionen vollkommen zurücktreten müssen, um auf diese Fälle wenigstens hinzudeuten. Vornehmlich mögen uichtmedicinischen, doch sonst strebsamen Menschen die Belehrungendes ersten Abschnittes „vom Menschen,.seinen wechselnden Zuständen und Bedürfnissen" empfohlen sein. Der eben nicht seltene ärztliche Schlendrian aber dürfte durch die folgenden Abschnitte über die meteorologischen, hydrologischen und tellurischen Einflüsse und Zustände mancherlei Anregn»., dazu bekommen, außer deu Erscheinungen am Object im Krankenbett anch noch einige andere Unistände und Umgebungen seiner genauen Aufmerksamkeit zu würdigen. Ist's doch als stände über jedem einzelnen Paragraphen von Neuem der Erfahrungs- satz der Vorrede: „Weil z. B. Aerzte mit all den Gesundheitsbedingungen und Bedürfnissen des Menschen unter diesen oder jenen Umständen mit ,den Gesetzen, nach denen Alles um uns und in uns ans unser Wohlbefinden nach Körper wie Geist einwirkt, selten bekannt genug gewesen, mußten sie auch weniger tüchtige Diener der Gesundheit und in vieler Hinsicht selbst weniger glück¬ liche Forscher im Gebiete der Krankheiten und deren Entstehungsweise sein". — Die „Diätetik im engern Sinne" unterscheidet sich von ähnlichen Behandlun¬ gen desselben Gegenswudes in den gewöhnlichen Hand-, Lehr- und Hilfsbüchern der Makrobiotik vorzugsweise vortheilhaft dadurch, daß sie gewisse, um einmal M Gewohnheit gewordene Luxusbedürsnisse nicht eben nur als solche mit vorueh- wer Geringschätzung anblickt, sondern als wirkliche Lebenserscheinungen auffaßt, deren relative Schädlichkeit oder Nützlichkeit wahrhaft praktischer Beurtheilung unterworfen wird. „Wir finden, sagt außerdem der Verf., daß nicht blos die jeweilige Cultur des Bodens, sondern auch der jeweilige Culturzustand seiner Bevölkerung, die ganze Bildungs- und Civilisationsstufe eiues Volkes, wie seine gewerbliche und commercielle Entwickelung und — in innigster Wechselbeziehung damit — daß seiue jeweiligen staatlichen Einrichtungen und Regierungsformen zusammt dem öffentlichen Rechtszustand vom entschiedensten Einfluß auf die Art und Fülle Grenzboten. III. 18S2. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/509>, abgerufen am 22.12.2024.