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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Das Getränk besteht aus dem gegohrenen Saft der Fliederbeere mit Ingwer oder
Neuerwürze, manchmal anch mit spanischem Pfeffer gewürzt. Die Abnehmer
sind ärmere Arbeiter und die Straßenjugend. Der Umsatz ist nicht sehr bedeutend.

London ganz eigenthümlich sind die Purlmen. Puri ist heißes Bier mit Gin,
Zucker und Ingwer gewürzt, und wird hauptsächlich auf der Themse an die Schiffer
verkauft. Der Purlman braucht eine Concession von der Gilde der Waterme",
und hat zur Betreibung seines Gewerbes genane Kenntniß des Flusses und Ge-
schicklichkeit im Lenken eines Bootes unbedingt nothwendig, denn der sogenannte
Pook der Themse (die Gegend, wo die Kohlenschiffe anlegen) ist oft so gedrängt
voll von Schiffen, und die zahlreichen Dampfer winden sich mit solcher Schnellig¬
keit durch das Gewühl der langsameren Fahrzeuge, daß der ungeschickte Schiffer
beständig Gefahr läuft, daß sein Boot wie eine Nußschaale zerquetscht wird. Die
Purlmen stehen jedoch durch lange Uebung den Watermen in der Leitung der
Boote kaum nach, und man kann sie zu jeder Zeit mit ihren breitgebauteu Fahr¬
zeugen sich durch das dichteste Gewühl arbeiten sehen, wie sie manchmal von einer
schwerfälligen holländischen Galliote vorbeischießen, manchmal vorsichtig ein Dampf-
boot vvrbcibrausen lassen, bis sie endlich die weniger unruhigen Gewässer zwischen
den vor Anker liegenden Schiffen erreichen. Außer dem Boote braucht der
Purlman zum Betriebe seines Geschäfts ein oder zwei kleine Faß Bier, eine
blecherne Flasche zum Gin, eine sogenannte Fenerkieke und eine große Glocke,
nicht der unwichtigste Theil seiner Ausrüstung. Er legt seine zwei Fäßchen Bier
mit offenem Spund und angeschraubtem Hahn im Hintertheil des Bootes auf
einen Bock, und mit der Ginflasche, einem Topfe, um das Bier zu wärmen, einigen
Maßen neben sich, und die einen schwarzen Rauch empvrsendende Kohlenpfanne in
der Mitte des Bootes, stößt er frühzeitig des Morgens vom Ufer ab, und ruht
manchmal auf den Rudern, um mit der großen Glocke seine Ankunft anzuzeigen.
Wer nnn am Bord der Schisse sich zu erquicken wünscht, ruft "?ur1 aKo^I",
und der Purlman greift rasch wieder zum Ruder und liegt bald ueben dem
Schiffe. Seine Glocke verrichtet auch sonst zuweilen einen andern wichtigen Dienst.
Im Winter während der häufigen dicken Nebel fahren sogar die gewöhnlichen
Watermen manchmal stundenlang in der Irre herum. Ist die Richtung einmal
verloren, so wird ihr Rufen nicht gehört oder nicht beachtet. Die Glocke des
Purlmans dagegen dringt durch deu dicken, Nebel; ist er nahe genug, um den
Anruf seiner Kunden zu hören, so findet er den Weg durch wiederholtes Läuten,
das immer durch neue Rufe beantwortet wird, und bald glänzt sein Feuer durch
den grauen Schleier, und er gleitet geräuschlos an das Fahrzeug, das ihn braucht,
Hera". Da er genau weiß, wo jedes Schiff seines Districts liegt, kann er dem
Verirrten die Richtung leicht angeben. Im Ganzen sind -140 Concessionen für
Purlmen ausgegeben, aber nur 33 werdeu benutzt. Nach Abzug aller Kosten
beträgt der Jahresgewinn jedes Einzelnen im Durchschnitt 60 Pfund.


Das Getränk besteht aus dem gegohrenen Saft der Fliederbeere mit Ingwer oder
Neuerwürze, manchmal anch mit spanischem Pfeffer gewürzt. Die Abnehmer
sind ärmere Arbeiter und die Straßenjugend. Der Umsatz ist nicht sehr bedeutend.

London ganz eigenthümlich sind die Purlmen. Puri ist heißes Bier mit Gin,
Zucker und Ingwer gewürzt, und wird hauptsächlich auf der Themse an die Schiffer
verkauft. Der Purlman braucht eine Concession von der Gilde der Waterme»,
und hat zur Betreibung seines Gewerbes genane Kenntniß des Flusses und Ge-
schicklichkeit im Lenken eines Bootes unbedingt nothwendig, denn der sogenannte
Pook der Themse (die Gegend, wo die Kohlenschiffe anlegen) ist oft so gedrängt
voll von Schiffen, und die zahlreichen Dampfer winden sich mit solcher Schnellig¬
keit durch das Gewühl der langsameren Fahrzeuge, daß der ungeschickte Schiffer
beständig Gefahr läuft, daß sein Boot wie eine Nußschaale zerquetscht wird. Die
Purlmen stehen jedoch durch lange Uebung den Watermen in der Leitung der
Boote kaum nach, und man kann sie zu jeder Zeit mit ihren breitgebauteu Fahr¬
zeugen sich durch das dichteste Gewühl arbeiten sehen, wie sie manchmal von einer
schwerfälligen holländischen Galliote vorbeischießen, manchmal vorsichtig ein Dampf-
boot vvrbcibrausen lassen, bis sie endlich die weniger unruhigen Gewässer zwischen
den vor Anker liegenden Schiffen erreichen. Außer dem Boote braucht der
Purlman zum Betriebe seines Geschäfts ein oder zwei kleine Faß Bier, eine
blecherne Flasche zum Gin, eine sogenannte Fenerkieke und eine große Glocke,
nicht der unwichtigste Theil seiner Ausrüstung. Er legt seine zwei Fäßchen Bier
mit offenem Spund und angeschraubtem Hahn im Hintertheil des Bootes auf
einen Bock, und mit der Ginflasche, einem Topfe, um das Bier zu wärmen, einigen
Maßen neben sich, und die einen schwarzen Rauch empvrsendende Kohlenpfanne in
der Mitte des Bootes, stößt er frühzeitig des Morgens vom Ufer ab, und ruht
manchmal auf den Rudern, um mit der großen Glocke seine Ankunft anzuzeigen.
Wer nnn am Bord der Schisse sich zu erquicken wünscht, ruft „?ur1 aKo^I",
und der Purlman greift rasch wieder zum Ruder und liegt bald ueben dem
Schiffe. Seine Glocke verrichtet auch sonst zuweilen einen andern wichtigen Dienst.
Im Winter während der häufigen dicken Nebel fahren sogar die gewöhnlichen
Watermen manchmal stundenlang in der Irre herum. Ist die Richtung einmal
verloren, so wird ihr Rufen nicht gehört oder nicht beachtet. Die Glocke des
Purlmans dagegen dringt durch deu dicken, Nebel; ist er nahe genug, um den
Anruf seiner Kunden zu hören, so findet er den Weg durch wiederholtes Läuten,
das immer durch neue Rufe beantwortet wird, und bald glänzt sein Feuer durch
den grauen Schleier, und er gleitet geräuschlos an das Fahrzeug, das ihn braucht,
Hera». Da er genau weiß, wo jedes Schiff seines Districts liegt, kann er dem
Verirrten die Richtung leicht angeben. Im Ganzen sind -140 Concessionen für
Purlmen ausgegeben, aber nur 33 werdeu benutzt. Nach Abzug aller Kosten
beträgt der Jahresgewinn jedes Einzelnen im Durchschnitt 60 Pfund.


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[0474] Das Getränk besteht aus dem gegohrenen Saft der Fliederbeere mit Ingwer oder Neuerwürze, manchmal anch mit spanischem Pfeffer gewürzt. Die Abnehmer sind ärmere Arbeiter und die Straßenjugend. Der Umsatz ist nicht sehr bedeutend. London ganz eigenthümlich sind die Purlmen. Puri ist heißes Bier mit Gin, Zucker und Ingwer gewürzt, und wird hauptsächlich auf der Themse an die Schiffer verkauft. Der Purlman braucht eine Concession von der Gilde der Waterme», und hat zur Betreibung seines Gewerbes genane Kenntniß des Flusses und Ge- schicklichkeit im Lenken eines Bootes unbedingt nothwendig, denn der sogenannte Pook der Themse (die Gegend, wo die Kohlenschiffe anlegen) ist oft so gedrängt voll von Schiffen, und die zahlreichen Dampfer winden sich mit solcher Schnellig¬ keit durch das Gewühl der langsameren Fahrzeuge, daß der ungeschickte Schiffer beständig Gefahr läuft, daß sein Boot wie eine Nußschaale zerquetscht wird. Die Purlmen stehen jedoch durch lange Uebung den Watermen in der Leitung der Boote kaum nach, und man kann sie zu jeder Zeit mit ihren breitgebauteu Fahr¬ zeugen sich durch das dichteste Gewühl arbeiten sehen, wie sie manchmal von einer schwerfälligen holländischen Galliote vorbeischießen, manchmal vorsichtig ein Dampf- boot vvrbcibrausen lassen, bis sie endlich die weniger unruhigen Gewässer zwischen den vor Anker liegenden Schiffen erreichen. Außer dem Boote braucht der Purlman zum Betriebe seines Geschäfts ein oder zwei kleine Faß Bier, eine blecherne Flasche zum Gin, eine sogenannte Fenerkieke und eine große Glocke, nicht der unwichtigste Theil seiner Ausrüstung. Er legt seine zwei Fäßchen Bier mit offenem Spund und angeschraubtem Hahn im Hintertheil des Bootes auf einen Bock, und mit der Ginflasche, einem Topfe, um das Bier zu wärmen, einigen Maßen neben sich, und die einen schwarzen Rauch empvrsendende Kohlenpfanne in der Mitte des Bootes, stößt er frühzeitig des Morgens vom Ufer ab, und ruht manchmal auf den Rudern, um mit der großen Glocke seine Ankunft anzuzeigen. Wer nnn am Bord der Schisse sich zu erquicken wünscht, ruft „?ur1 aKo^I", und der Purlman greift rasch wieder zum Ruder und liegt bald ueben dem Schiffe. Seine Glocke verrichtet auch sonst zuweilen einen andern wichtigen Dienst. Im Winter während der häufigen dicken Nebel fahren sogar die gewöhnlichen Watermen manchmal stundenlang in der Irre herum. Ist die Richtung einmal verloren, so wird ihr Rufen nicht gehört oder nicht beachtet. Die Glocke des Purlmans dagegen dringt durch deu dicken, Nebel; ist er nahe genug, um den Anruf seiner Kunden zu hören, so findet er den Weg durch wiederholtes Läuten, das immer durch neue Rufe beantwortet wird, und bald glänzt sein Feuer durch den grauen Schleier, und er gleitet geräuschlos an das Fahrzeug, das ihn braucht, Hera». Da er genau weiß, wo jedes Schiff seines Districts liegt, kann er dem Verirrten die Richtung leicht angeben. Im Ganzen sind -140 Concessionen für Purlmen ausgegeben, aber nur 33 werdeu benutzt. Nach Abzug aller Kosten beträgt der Jahresgewinn jedes Einzelnen im Durchschnitt 60 Pfund.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/474>, abgerufen am 22.12.2024.