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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Mischt werden, und wollen nur, damit der Leser sich einen Begriff von der
Größe des Umsatzes machen kann, mittheile", daß man 300,000 Bushel Aepfel
und Birnen, 60 Mill. Pfd. Kartoffeln, 30 Mill. Köpfe Kohl u. s. w. jährlich
ans ihren Theil rechnet.

Trotz ihrer Bedeutung wird diese Industrie mit sehr geringem Capital im
Gange erhalten. Höchstens ein Viertel der Costers handelt mit eigenem Gelde.
Einige borgen das Geld zum Einkauf, andere die Waare selbst, oder wenigstens
den Karren oder den Korb, in dem sie ihre Waare hernmhöken, manche sogar
Wage, Gewicht und Maß. Der Zinsfuß, den der Borgende zu zahlen hat, ist
gleichmäßig, aber sehr hoch, nämlich 20^ pr. Woche, oder 1040 "/<, pr. Jahr.
Ein Karren kostet 1 öd. oder 1 8k. 6 ä. pr. Woche zu borgen, und kostet neu
höchstens 2V2 Pfd. Die Gefahr des Verlustes ist nicht sehr groß, da, wenn
ein Costermongcr einmal nicht bezahlt, er gleich überall den Credit verliert; aber
eben weil die Zinsen einen so bedeutenden Theil des wöchentlichen Gewinns weg¬
nehmen, kann sich der Schuldner selten aus den Klauen des Wucherers losmachen,
zumal da er auch sonst selten geneigt ist, seine Ausgaben für Vergnügungen ein¬
zuschränken. Sie bringen es selten zu etwas, und haben ihr Leben lang mit
der Noth zu kämpfen, obgleich der Wochenverdienst durchschnittlich bis zu -Is und
20 öd. steigt.

Zunächst den die Haushaltung versorgenden Costermongers kommen diejenigen,
welche zubereitete Eßwaren für den obdachlosen Theil der Straßenbevölkerung
oder für die Arbeiter feilbieten, welche zu entfernt wohnen, um sich von zu Haust
-versorgen zu können. Darunter gehören die wandernden Thee- und Kaffeescheuken,
die Händler mit gebratenen Kartoffeln und Kastanien, mit verschiedenen Wurstsvrlcn
und Fleischpasteten, mit kohlensauren Getränken, mit Aal- und Erbsensuppen und
Schafsfüßen, sogar mit Eis. Die Austern-, Seekrebse- und Muschclhäudler kann
man ebenfalls mit in diese Kategorie rechnen. Ihnen am nächsten stehen die
Händler mit Wasserkrcsse und grünem Vogelfutter, die ärmsten von den Straßen¬
händlern, da wenig Halfpence zum Anlagecapital genügen. Meistens sind es sehr
kleine Kinder, oder alte Männer und Franc", die zu schwach zu einer andern
Arbeit sind, aber doch nicht in'ö Armenhaus wollen. Sie müssen sehr frühzeitig
auf der Straße sein, um ihre Kresse an die auf die Arbeit eilenden Handwerker
verkaufen zu können, die sie als Beikost zum Frühstück essen.

Im Winter beginnt der Farringdvnkressenmarkt lange vor Tagesanbruch. Die
Straßen sind leer, die Fensterläden geschlossen, kaum begegnet man einigen ver¬
späteten Nachtschwärmern auf der Straße. Wenn man an einem Polizeimann
vorbeigeht, beleuchtet er einen mit der Laterne, als traue er uns nichts Gutes
zu. Die Läden auf Farriugdoumarkt sind noch fest zu, aber die Gaslampen über
dem eisernen Gitterthor brennen hell, und dann und wann hört man einen ge¬
dämpften Hahnenschrei aus dem verschlossenen Laden eines Vogelhändlers. Jetzt


Mischt werden, und wollen nur, damit der Leser sich einen Begriff von der
Größe des Umsatzes machen kann, mittheile», daß man 300,000 Bushel Aepfel
und Birnen, 60 Mill. Pfd. Kartoffeln, 30 Mill. Köpfe Kohl u. s. w. jährlich
ans ihren Theil rechnet.

Trotz ihrer Bedeutung wird diese Industrie mit sehr geringem Capital im
Gange erhalten. Höchstens ein Viertel der Costers handelt mit eigenem Gelde.
Einige borgen das Geld zum Einkauf, andere die Waare selbst, oder wenigstens
den Karren oder den Korb, in dem sie ihre Waare hernmhöken, manche sogar
Wage, Gewicht und Maß. Der Zinsfuß, den der Borgende zu zahlen hat, ist
gleichmäßig, aber sehr hoch, nämlich 20^ pr. Woche, oder 1040 "/<, pr. Jahr.
Ein Karren kostet 1 öd. oder 1 8k. 6 ä. pr. Woche zu borgen, und kostet neu
höchstens 2V2 Pfd. Die Gefahr des Verlustes ist nicht sehr groß, da, wenn
ein Costermongcr einmal nicht bezahlt, er gleich überall den Credit verliert; aber
eben weil die Zinsen einen so bedeutenden Theil des wöchentlichen Gewinns weg¬
nehmen, kann sich der Schuldner selten aus den Klauen des Wucherers losmachen,
zumal da er auch sonst selten geneigt ist, seine Ausgaben für Vergnügungen ein¬
zuschränken. Sie bringen es selten zu etwas, und haben ihr Leben lang mit
der Noth zu kämpfen, obgleich der Wochenverdienst durchschnittlich bis zu -Is und
20 öd. steigt.

Zunächst den die Haushaltung versorgenden Costermongers kommen diejenigen,
welche zubereitete Eßwaren für den obdachlosen Theil der Straßenbevölkerung
oder für die Arbeiter feilbieten, welche zu entfernt wohnen, um sich von zu Haust
-versorgen zu können. Darunter gehören die wandernden Thee- und Kaffeescheuken,
die Händler mit gebratenen Kartoffeln und Kastanien, mit verschiedenen Wurstsvrlcn
und Fleischpasteten, mit kohlensauren Getränken, mit Aal- und Erbsensuppen und
Schafsfüßen, sogar mit Eis. Die Austern-, Seekrebse- und Muschclhäudler kann
man ebenfalls mit in diese Kategorie rechnen. Ihnen am nächsten stehen die
Händler mit Wasserkrcsse und grünem Vogelfutter, die ärmsten von den Straßen¬
händlern, da wenig Halfpence zum Anlagecapital genügen. Meistens sind es sehr
kleine Kinder, oder alte Männer und Franc», die zu schwach zu einer andern
Arbeit sind, aber doch nicht in'ö Armenhaus wollen. Sie müssen sehr frühzeitig
auf der Straße sein, um ihre Kresse an die auf die Arbeit eilenden Handwerker
verkaufen zu können, die sie als Beikost zum Frühstück essen.

Im Winter beginnt der Farringdvnkressenmarkt lange vor Tagesanbruch. Die
Straßen sind leer, die Fensterläden geschlossen, kaum begegnet man einigen ver¬
späteten Nachtschwärmern auf der Straße. Wenn man an einem Polizeimann
vorbeigeht, beleuchtet er einen mit der Laterne, als traue er uns nichts Gutes
zu. Die Läden auf Farriugdoumarkt sind noch fest zu, aber die Gaslampen über
dem eisernen Gitterthor brennen hell, und dann und wann hört man einen ge¬
dämpften Hahnenschrei aus dem verschlossenen Laden eines Vogelhändlers. Jetzt


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[0470] Mischt werden, und wollen nur, damit der Leser sich einen Begriff von der Größe des Umsatzes machen kann, mittheile», daß man 300,000 Bushel Aepfel und Birnen, 60 Mill. Pfd. Kartoffeln, 30 Mill. Köpfe Kohl u. s. w. jährlich ans ihren Theil rechnet. Trotz ihrer Bedeutung wird diese Industrie mit sehr geringem Capital im Gange erhalten. Höchstens ein Viertel der Costers handelt mit eigenem Gelde. Einige borgen das Geld zum Einkauf, andere die Waare selbst, oder wenigstens den Karren oder den Korb, in dem sie ihre Waare hernmhöken, manche sogar Wage, Gewicht und Maß. Der Zinsfuß, den der Borgende zu zahlen hat, ist gleichmäßig, aber sehr hoch, nämlich 20^ pr. Woche, oder 1040 "/<, pr. Jahr. Ein Karren kostet 1 öd. oder 1 8k. 6 ä. pr. Woche zu borgen, und kostet neu höchstens 2V2 Pfd. Die Gefahr des Verlustes ist nicht sehr groß, da, wenn ein Costermongcr einmal nicht bezahlt, er gleich überall den Credit verliert; aber eben weil die Zinsen einen so bedeutenden Theil des wöchentlichen Gewinns weg¬ nehmen, kann sich der Schuldner selten aus den Klauen des Wucherers losmachen, zumal da er auch sonst selten geneigt ist, seine Ausgaben für Vergnügungen ein¬ zuschränken. Sie bringen es selten zu etwas, und haben ihr Leben lang mit der Noth zu kämpfen, obgleich der Wochenverdienst durchschnittlich bis zu -Is und 20 öd. steigt. Zunächst den die Haushaltung versorgenden Costermongers kommen diejenigen, welche zubereitete Eßwaren für den obdachlosen Theil der Straßenbevölkerung oder für die Arbeiter feilbieten, welche zu entfernt wohnen, um sich von zu Haust -versorgen zu können. Darunter gehören die wandernden Thee- und Kaffeescheuken, die Händler mit gebratenen Kartoffeln und Kastanien, mit verschiedenen Wurstsvrlcn und Fleischpasteten, mit kohlensauren Getränken, mit Aal- und Erbsensuppen und Schafsfüßen, sogar mit Eis. Die Austern-, Seekrebse- und Muschclhäudler kann man ebenfalls mit in diese Kategorie rechnen. Ihnen am nächsten stehen die Händler mit Wasserkrcsse und grünem Vogelfutter, die ärmsten von den Straßen¬ händlern, da wenig Halfpence zum Anlagecapital genügen. Meistens sind es sehr kleine Kinder, oder alte Männer und Franc», die zu schwach zu einer andern Arbeit sind, aber doch nicht in'ö Armenhaus wollen. Sie müssen sehr frühzeitig auf der Straße sein, um ihre Kresse an die auf die Arbeit eilenden Handwerker verkaufen zu können, die sie als Beikost zum Frühstück essen. Im Winter beginnt der Farringdvnkressenmarkt lange vor Tagesanbruch. Die Straßen sind leer, die Fensterläden geschlossen, kaum begegnet man einigen ver¬ späteten Nachtschwärmern auf der Straße. Wenn man an einem Polizeimann vorbeigeht, beleuchtet er einen mit der Laterne, als traue er uns nichts Gutes zu. Die Läden auf Farriugdoumarkt sind noch fest zu, aber die Gaslampen über dem eisernen Gitterthor brennen hell, und dann und wann hört man einen ge¬ dämpften Hahnenschrei aus dem verschlossenen Laden eines Vogelhändlers. Jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/470>, abgerufen am 22.12.2024.