Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.dings in vieler Beziehung lächerlicher, als das einseitige Princip der Bourgeoisie, Wenn wir den Gegensatz zwischen dem constitutionellen und dem demokratischen Ans einen weitern sehr wichtigen Umstand, die eigenthümliche zersplitterte Grenzboten. III. t8S2.57
dings in vieler Beziehung lächerlicher, als das einseitige Princip der Bourgeoisie, Wenn wir den Gegensatz zwischen dem constitutionellen und dem demokratischen Ans einen weitern sehr wichtigen Umstand, die eigenthümliche zersplitterte Grenzboten. III. t8S2.57
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94902"/> <p xml:id="ID_1370" prev="#ID_1369"> dings in vieler Beziehung lächerlicher, als das einseitige Princip der Bourgeoisie,<lb/> wie wir sie in Nordamerika antreffen, aber nicht häßlicher, und das parlamenta¬<lb/> rische Leben ist recht dazu geeignet, eine Ausgleichung eintreten zu lassen. Wir<lb/> behalten uns vor, auf diesen Punkt in einem anderen Aufsatz näher einzugehen,<lb/> und bemerken hier nnr, daß in Bezug auf die Erweiterung Preußens es durchaus<lb/> M der Natur der Sache liegt, daß wir zunächst die homogenen Elemente anzu¬<lb/> sehen suchen. Der angestrebte Zollverein mit Hannover, Oldenburg und Mecklen¬<lb/> burg, wo die nämlichen Culturverhältnisse herrschen (beiläufig anch die nämliche<lb/> Religion), beruht uicht blos auf finanziellen Gründen, geschieht nicht blos im<lb/> Interesse der Spiritnsfabrikation, sondern sein eigentlicher Grund ist der Jnstinct, der<lb/> das Verwandte anzieht. Der Jnstinct hat sich jetzt stärker entwickelt, als zu der<lb/> Zeit, wo der alte Zollverein geschlossen wurde, und darum glauben wir, daß<lb/> eine Vernachlässigung desselben im gegenwärtigen Augenblick zu dem Sturz der<lb/> Regierung führen muß, auch wenn sie noch so sehr in den reactionairen Kreisen<lb/> Popnlair ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1371"> Wenn wir den Gegensatz zwischen dem constitutionellen und dem demokratischen<lb/> Princip im letzten Grnnde aufsuchen, so dürfte er nicht in irgend welcher Form<lb/> liegen, selbst uicht im Gegensatz der Monarchie und der Republik, sondern darin,<lb/> daß in der Demokratie die Masse entscheidet, während im constitutionellen Leben<lb/> die Herrschaft in den Händen der gebildeten Classen ruht. In den ersten waltet<lb/> die Leidenschaft, die sich vom Augenblick hinreißen läßt und nur zufällig das<lb/> Richtige trifft, während in den zweiten die Ueberlegung und eine traditionelle<lb/> conservative sittliche Gesinnung die Grundlage bildet. Gern gestehen wir zu —<lb/> es ist ja das Hauptargumcnt der Demokraten — daß eine Scheidelinie schwer<lb/> ZU ziehen ist, so wie es anch seine Schwierigkeit hat, zu bestimmen, mit dem<lb/> Verlust des wievielten Haares der Kahlkopf anfängt. Deshalb ist die Kahlköpsig-<lb/> keit doch keine bloße Abstraction. Hier einen entscheidenden Schritt zu thun, ist<lb/> uicht die Sache der allgemeinen staatlichen, sondern der provinciellen und Com-<lb/> Mnnalverfassung. Sich einer Mitwirkung an derselben nicht zu entziehen, muß<lb/> wol für den Liberalismus ein wesentlicher Gesichtspunkt bleibe».</p><lb/> <p xml:id="ID_1372"> Ans einen weitern sehr wichtigen Umstand, die eigenthümliche zersplitterte<lb/> Lage Preußens, die es in tausend, aus seiner eigenen Verfassung heraus nicht zu<lb/> bestimmende Rechtsverhältnisse zwängt und dadurch sein constilutionelles Leben<lb/> Uvthwendig erschwert, kommen wir bei einer andern Gelegenheit zurück.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. t8S2.57</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
dings in vieler Beziehung lächerlicher, als das einseitige Princip der Bourgeoisie,
wie wir sie in Nordamerika antreffen, aber nicht häßlicher, und das parlamenta¬
rische Leben ist recht dazu geeignet, eine Ausgleichung eintreten zu lassen. Wir
behalten uns vor, auf diesen Punkt in einem anderen Aufsatz näher einzugehen,
und bemerken hier nnr, daß in Bezug auf die Erweiterung Preußens es durchaus
M der Natur der Sache liegt, daß wir zunächst die homogenen Elemente anzu¬
sehen suchen. Der angestrebte Zollverein mit Hannover, Oldenburg und Mecklen¬
burg, wo die nämlichen Culturverhältnisse herrschen (beiläufig anch die nämliche
Religion), beruht uicht blos auf finanziellen Gründen, geschieht nicht blos im
Interesse der Spiritnsfabrikation, sondern sein eigentlicher Grund ist der Jnstinct, der
das Verwandte anzieht. Der Jnstinct hat sich jetzt stärker entwickelt, als zu der
Zeit, wo der alte Zollverein geschlossen wurde, und darum glauben wir, daß
eine Vernachlässigung desselben im gegenwärtigen Augenblick zu dem Sturz der
Regierung führen muß, auch wenn sie noch so sehr in den reactionairen Kreisen
Popnlair ist.
Wenn wir den Gegensatz zwischen dem constitutionellen und dem demokratischen
Princip im letzten Grnnde aufsuchen, so dürfte er nicht in irgend welcher Form
liegen, selbst uicht im Gegensatz der Monarchie und der Republik, sondern darin,
daß in der Demokratie die Masse entscheidet, während im constitutionellen Leben
die Herrschaft in den Händen der gebildeten Classen ruht. In den ersten waltet
die Leidenschaft, die sich vom Augenblick hinreißen läßt und nur zufällig das
Richtige trifft, während in den zweiten die Ueberlegung und eine traditionelle
conservative sittliche Gesinnung die Grundlage bildet. Gern gestehen wir zu —
es ist ja das Hauptargumcnt der Demokraten — daß eine Scheidelinie schwer
ZU ziehen ist, so wie es anch seine Schwierigkeit hat, zu bestimmen, mit dem
Verlust des wievielten Haares der Kahlkopf anfängt. Deshalb ist die Kahlköpsig-
keit doch keine bloße Abstraction. Hier einen entscheidenden Schritt zu thun, ist
uicht die Sache der allgemeinen staatlichen, sondern der provinciellen und Com-
Mnnalverfassung. Sich einer Mitwirkung an derselben nicht zu entziehen, muß
wol für den Liberalismus ein wesentlicher Gesichtspunkt bleibe».
Ans einen weitern sehr wichtigen Umstand, die eigenthümliche zersplitterte
Lage Preußens, die es in tausend, aus seiner eigenen Verfassung heraus nicht zu
bestimmende Rechtsverhältnisse zwängt und dadurch sein constilutionelles Leben
Uvthwendig erschwert, kommen wir bei einer andern Gelegenheit zurück.
Grenzboten. III. t8S2.57
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