Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.zugethan erweisen, wenn jene Ehrlichkeit ganz fehlt, die in Deutschland oder bei Wenn man aus dem fruchtbaren und blühenden, heitern Neapel mit seiner zugethan erweisen, wenn jene Ehrlichkeit ganz fehlt, die in Deutschland oder bei Wenn man aus dem fruchtbaren und blühenden, heitern Neapel mit seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94871"/> <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295"> zugethan erweisen, wenn jene Ehrlichkeit ganz fehlt, die in Deutschland oder bei<lb/> allen germanischen Nationen fast Jedem angeboren ist? Der Handel Neapels mit<lb/> dem Auslande, z. B. die Fabriken und viele andere Geschäfte, sind fast ganz in<lb/> den Händen von Deutschen und Schweizern; auch die Handwerker dieser Nation<lb/> kommen in der Regel vortrefflich fort, blos weil sie eines unverhältnismäßig<lb/> bessern Rufes genießen, als die Neapolitaner selbst. Nichts ist. häufiger bei<lb/> neapolitanischen Kaufleuten als betrügerische Baugueröute, bei denen der aus¬<lb/> wärtige Gläubiger immer genöthigt ist, von vorn herein anzunehmen, was sein<lb/> Schuldner bietet, weil er weiß, daß er bei einem Proceß gar nichts kriegt,<lb/> was Wunder also, wenn er lieber mit.einerrn deutschen oder schweizer Manne<lb/> zu thun hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1297" next="#ID_1298"> Wenn man aus dem fruchtbaren und blühenden, heitern Neapel mit seiner<lb/> prächtigen Cultur, die vielleicht nur von der lombardischen überboten wird, nach<lb/> dem verödeten Kirchenstaat und dem trübseligen Rom zurückkehrt, so ist der Ab¬<lb/> stand allerdings groß, und spricht entschieden für die Verwaltung des erster»;<lb/> anch dürste es schwer sein, einen Staat zu finden, der immer so sehr den Ein¬<lb/> druck gänzlichen Verfalls, vollständiger Auflösung machte, 'als der Kirchenstaat,<lb/> in dem nahezu alle Elemente erstorben scheinen, die ein Land zusammenhalten,<lb/> dessen Negierung ohne die französische und östreichische Bescchnng nicht einen Tag<lb/> die Gewalt sich erhalten konnte. — Es ist unbegreiflich, wie eine solche Zerrüttung<lb/> so lange dauern kann, denn bekanntlich währt wenigstens -der.finanzielle Ruin<lb/> schon 3 Jahrhunderte, in denen der Staat fast beständig in Geldverlegenheit,<lb/> beständig in den Händen der Wucherer und Juden war. Obwol in Rom schier<lb/> Jedermann irgendwie an den herrschenden Mißbräuchen interessirt ist, ein Amt<lb/> hat oder will, Almosen kriegt oder Pensionen bezieht, so ist doch selbst da die<lb/> Mißstimmung so vorherrschend, daß ich sogar Beamte genng kenne, von denen<lb/> ich überzeugt bin, daß sie den Umsturz der gegenwärtigen Ordnung mit dem<lb/> größten Vergnügen sehen würden. Die päpstliche Regierung, die fortwährend<lb/> neue prachtvolle Kirchen banen oder alte restauriren läßt in Rom, wo man deren<lb/> Hunderte zu viel hat, ist aber doch uicht im Stande, auch nur den gewöhnlichsten.Er¬<lb/> fordernissen einer Verwaltung zu genügen. Die Schulen sind im elendesten Zustande,<lb/> die Straßen noch schlimmer, und wie es mit der Sicherheit auf denselben bestellt,<lb/> mögen Sie daraus entnehmen, daß z. B. vor einiger Zeit zwischen hier und Civita-<lb/> Vecchia keine halbe Stunde von einem französischen Posten ein französischer General<lb/> mit seinem Adjutanten vollständig ausgeplündert wurde, und so vor einigen Tagen<lb/> anch wieder zwei junge Maler meiner Bekanntschaft auf der Straße nach Viterbo,<lb/> ein Paar Miglien von leMrem Orte, wo 1ö00 Franzosen liegen, rein ausgezogen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
zugethan erweisen, wenn jene Ehrlichkeit ganz fehlt, die in Deutschland oder bei
allen germanischen Nationen fast Jedem angeboren ist? Der Handel Neapels mit
dem Auslande, z. B. die Fabriken und viele andere Geschäfte, sind fast ganz in
den Händen von Deutschen und Schweizern; auch die Handwerker dieser Nation
kommen in der Regel vortrefflich fort, blos weil sie eines unverhältnismäßig
bessern Rufes genießen, als die Neapolitaner selbst. Nichts ist. häufiger bei
neapolitanischen Kaufleuten als betrügerische Baugueröute, bei denen der aus¬
wärtige Gläubiger immer genöthigt ist, von vorn herein anzunehmen, was sein
Schuldner bietet, weil er weiß, daß er bei einem Proceß gar nichts kriegt,
was Wunder also, wenn er lieber mit.einerrn deutschen oder schweizer Manne
zu thun hat.
Wenn man aus dem fruchtbaren und blühenden, heitern Neapel mit seiner
prächtigen Cultur, die vielleicht nur von der lombardischen überboten wird, nach
dem verödeten Kirchenstaat und dem trübseligen Rom zurückkehrt, so ist der Ab¬
stand allerdings groß, und spricht entschieden für die Verwaltung des erster»;
anch dürste es schwer sein, einen Staat zu finden, der immer so sehr den Ein¬
druck gänzlichen Verfalls, vollständiger Auflösung machte, 'als der Kirchenstaat,
in dem nahezu alle Elemente erstorben scheinen, die ein Land zusammenhalten,
dessen Negierung ohne die französische und östreichische Bescchnng nicht einen Tag
die Gewalt sich erhalten konnte. — Es ist unbegreiflich, wie eine solche Zerrüttung
so lange dauern kann, denn bekanntlich währt wenigstens -der.finanzielle Ruin
schon 3 Jahrhunderte, in denen der Staat fast beständig in Geldverlegenheit,
beständig in den Händen der Wucherer und Juden war. Obwol in Rom schier
Jedermann irgendwie an den herrschenden Mißbräuchen interessirt ist, ein Amt
hat oder will, Almosen kriegt oder Pensionen bezieht, so ist doch selbst da die
Mißstimmung so vorherrschend, daß ich sogar Beamte genng kenne, von denen
ich überzeugt bin, daß sie den Umsturz der gegenwärtigen Ordnung mit dem
größten Vergnügen sehen würden. Die päpstliche Regierung, die fortwährend
neue prachtvolle Kirchen banen oder alte restauriren läßt in Rom, wo man deren
Hunderte zu viel hat, ist aber doch uicht im Stande, auch nur den gewöhnlichsten.Er¬
fordernissen einer Verwaltung zu genügen. Die Schulen sind im elendesten Zustande,
die Straßen noch schlimmer, und wie es mit der Sicherheit auf denselben bestellt,
mögen Sie daraus entnehmen, daß z. B. vor einiger Zeit zwischen hier und Civita-
Vecchia keine halbe Stunde von einem französischen Posten ein französischer General
mit seinem Adjutanten vollständig ausgeplündert wurde, und so vor einigen Tagen
anch wieder zwei junge Maler meiner Bekanntschaft auf der Straße nach Viterbo,
ein Paar Miglien von leMrem Orte, wo 1ö00 Franzosen liegen, rein ausgezogen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |