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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Die Pfaffen brauchen ihn zu diesem Kommissionsgeschäft, weil er durch gut ange¬
brachte Witze und geschickte burleske Wendungen im Styl des Pater Abraham die
für dergleichen mehr empfängliche Menge ergötzt und zur Freigebigkeit anreizt.

Was hier noth thäte, viel mehr als alle Konstitutionen, das wären bessere
Schulen und eine moralische Erziehung des Volks, dessen Begriffe von Sitt¬
lichkeit und dessen Ehrgefühl auf einer traurigen Stufe stehen, trotz der glücklichen
Naturanlagen und der unbestreitbaren Gutmüthigkeit desselben, die es oft den
Kindern ähnlich macht. Unter diesem glücklichen Himmel, wo es auch dem Aermsten
so wohl ist, daß er selten an etwas Anderes denkt, als an Genüsse oder die
Mittel, sie sich möglichst leicht zu verschaffen, wird es obsi immer schwer halten,
Antheil und eifrige Theilnahme an der Politik in der Weise zu wecken, dazu geht
es ihm wie gesagt viel zu gut, das ist ihm viel zu langweilig; sie wird es höch¬
stens einmal.zu einer kurzen Aufwallung bringen. -- Für die Erhaltung der
Ruhe und Ordnung genügen die vier Schweizer-Regimenter vollkommen, da die
Neapolitaner bekanntlich keine Vorliebe für kriegerische Lorbeer" haben und ihnen
die unzerstörbare Ruhe und kalte Bravour dieser Soldaten nicht wenig imponirt.
Bekanntlich sind sehr viele Deutsche darunter, und ich hatte Gelegenheit, eine
Menge derselben zu sprechen, die fast alle dnrch die Bewegungen des Jahres 49
Hieher verschlagen wurden, nachdem sie sich an der badischen Revoluiion bcthei-
"ge, "ut dadurch zur Flucht uach der Schweiz genöthigt morden. Auch Preußen
haf ich, meist Handwerksgesellen, die demokratischen Vereinen angehört hatten.
Die meisten dieser Leute erweckten in mir das tiefste Mitleid, da sie nichts als
Opfer der Demagogie waren und dies' meist auch recht gut einsahen. Heimweh
Und Schmerz über das zerstörte Lebe" nagten an ihnen, die Thränen standen den
Meisten in den Augen, wenn sie nnr von Deutschland, dem geliebten Vaterland,
sprachen, das ihnen hier im sonnigsten Lichte erschien. Die Verzweiflung hat
Biele zum Selbstmord getrieben, es gab zeitweise keine Nacht, wo sich nicht
einer oder der andere in der Caserne die Kugel dnrch den Kopf jagte, andere
ergaben sich dem Tant oder versuchten zu desertiren und verfielen der Galeere.
Die deutschen Regierungen würden ein gutes Werk thun, wenn sie diesen Ver¬
führten die Heimkehr erleichterten,- die ihren Irrthum bereits längst eingesehen
und bereut haben. -- Wenn ich Ihnen im Vorstehenden eine von der gewöhnlich
-in Deutsehland cnrsuenden, ziemlich verschiedene Ansicht über die neapolitanischen
Zustände anssprack, s" verwahre ich mich wie gesagt dagegen, daß ich Altes
selber gut finde oder von Anderen loben gehört habe, aber die geringsten Ge¬
brechen der Verwaltung bangen eben doch meist mit dem Charakter der ganzen
Bevölkerung auf's Genaueste zusammen. Allerdings wird über die Korruption
der Verwaltungsbeamten, scher die Bestechlichkeit der Justiz viel geklagt,, allein
wo seil der König ehrliche Leute hernehmen, wenn die ungeheure Mehrheit des
Volkes der Betrügerei und der Bestechlichkeit, auch im Privatverkehr beständig sich


Grenzboten, III. 18ö2. ' L3

Die Pfaffen brauchen ihn zu diesem Kommissionsgeschäft, weil er durch gut ange¬
brachte Witze und geschickte burleske Wendungen im Styl des Pater Abraham die
für dergleichen mehr empfängliche Menge ergötzt und zur Freigebigkeit anreizt.

Was hier noth thäte, viel mehr als alle Konstitutionen, das wären bessere
Schulen und eine moralische Erziehung des Volks, dessen Begriffe von Sitt¬
lichkeit und dessen Ehrgefühl auf einer traurigen Stufe stehen, trotz der glücklichen
Naturanlagen und der unbestreitbaren Gutmüthigkeit desselben, die es oft den
Kindern ähnlich macht. Unter diesem glücklichen Himmel, wo es auch dem Aermsten
so wohl ist, daß er selten an etwas Anderes denkt, als an Genüsse oder die
Mittel, sie sich möglichst leicht zu verschaffen, wird es obsi immer schwer halten,
Antheil und eifrige Theilnahme an der Politik in der Weise zu wecken, dazu geht
es ihm wie gesagt viel zu gut, das ist ihm viel zu langweilig; sie wird es höch¬
stens einmal.zu einer kurzen Aufwallung bringen. — Für die Erhaltung der
Ruhe und Ordnung genügen die vier Schweizer-Regimenter vollkommen, da die
Neapolitaner bekanntlich keine Vorliebe für kriegerische Lorbeer» haben und ihnen
die unzerstörbare Ruhe und kalte Bravour dieser Soldaten nicht wenig imponirt.
Bekanntlich sind sehr viele Deutsche darunter, und ich hatte Gelegenheit, eine
Menge derselben zu sprechen, die fast alle dnrch die Bewegungen des Jahres 49
Hieher verschlagen wurden, nachdem sie sich an der badischen Revoluiion bcthei-
"ge, »ut dadurch zur Flucht uach der Schweiz genöthigt morden. Auch Preußen
haf ich, meist Handwerksgesellen, die demokratischen Vereinen angehört hatten.
Die meisten dieser Leute erweckten in mir das tiefste Mitleid, da sie nichts als
Opfer der Demagogie waren und dies' meist auch recht gut einsahen. Heimweh
Und Schmerz über das zerstörte Lebe» nagten an ihnen, die Thränen standen den
Meisten in den Augen, wenn sie nnr von Deutschland, dem geliebten Vaterland,
sprachen, das ihnen hier im sonnigsten Lichte erschien. Die Verzweiflung hat
Biele zum Selbstmord getrieben, es gab zeitweise keine Nacht, wo sich nicht
einer oder der andere in der Caserne die Kugel dnrch den Kopf jagte, andere
ergaben sich dem Tant oder versuchten zu desertiren und verfielen der Galeere.
Die deutschen Regierungen würden ein gutes Werk thun, wenn sie diesen Ver¬
führten die Heimkehr erleichterten,- die ihren Irrthum bereits längst eingesehen
und bereut haben. — Wenn ich Ihnen im Vorstehenden eine von der gewöhnlich
-in Deutsehland cnrsuenden, ziemlich verschiedene Ansicht über die neapolitanischen
Zustände anssprack, s» verwahre ich mich wie gesagt dagegen, daß ich Altes
selber gut finde oder von Anderen loben gehört habe, aber die geringsten Ge¬
brechen der Verwaltung bangen eben doch meist mit dem Charakter der ganzen
Bevölkerung auf's Genaueste zusammen. Allerdings wird über die Korruption
der Verwaltungsbeamten, scher die Bestechlichkeit der Justiz viel geklagt,, allein
wo seil der König ehrliche Leute hernehmen, wenn die ungeheure Mehrheit des
Volkes der Betrügerei und der Bestechlichkeit, auch im Privatverkehr beständig sich


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[0429] Die Pfaffen brauchen ihn zu diesem Kommissionsgeschäft, weil er durch gut ange¬ brachte Witze und geschickte burleske Wendungen im Styl des Pater Abraham die für dergleichen mehr empfängliche Menge ergötzt und zur Freigebigkeit anreizt. Was hier noth thäte, viel mehr als alle Konstitutionen, das wären bessere Schulen und eine moralische Erziehung des Volks, dessen Begriffe von Sitt¬ lichkeit und dessen Ehrgefühl auf einer traurigen Stufe stehen, trotz der glücklichen Naturanlagen und der unbestreitbaren Gutmüthigkeit desselben, die es oft den Kindern ähnlich macht. Unter diesem glücklichen Himmel, wo es auch dem Aermsten so wohl ist, daß er selten an etwas Anderes denkt, als an Genüsse oder die Mittel, sie sich möglichst leicht zu verschaffen, wird es obsi immer schwer halten, Antheil und eifrige Theilnahme an der Politik in der Weise zu wecken, dazu geht es ihm wie gesagt viel zu gut, das ist ihm viel zu langweilig; sie wird es höch¬ stens einmal.zu einer kurzen Aufwallung bringen. — Für die Erhaltung der Ruhe und Ordnung genügen die vier Schweizer-Regimenter vollkommen, da die Neapolitaner bekanntlich keine Vorliebe für kriegerische Lorbeer» haben und ihnen die unzerstörbare Ruhe und kalte Bravour dieser Soldaten nicht wenig imponirt. Bekanntlich sind sehr viele Deutsche darunter, und ich hatte Gelegenheit, eine Menge derselben zu sprechen, die fast alle dnrch die Bewegungen des Jahres 49 Hieher verschlagen wurden, nachdem sie sich an der badischen Revoluiion bcthei- "ge, »ut dadurch zur Flucht uach der Schweiz genöthigt morden. Auch Preußen haf ich, meist Handwerksgesellen, die demokratischen Vereinen angehört hatten. Die meisten dieser Leute erweckten in mir das tiefste Mitleid, da sie nichts als Opfer der Demagogie waren und dies' meist auch recht gut einsahen. Heimweh Und Schmerz über das zerstörte Lebe» nagten an ihnen, die Thränen standen den Meisten in den Augen, wenn sie nnr von Deutschland, dem geliebten Vaterland, sprachen, das ihnen hier im sonnigsten Lichte erschien. Die Verzweiflung hat Biele zum Selbstmord getrieben, es gab zeitweise keine Nacht, wo sich nicht einer oder der andere in der Caserne die Kugel dnrch den Kopf jagte, andere ergaben sich dem Tant oder versuchten zu desertiren und verfielen der Galeere. Die deutschen Regierungen würden ein gutes Werk thun, wenn sie diesen Ver¬ führten die Heimkehr erleichterten,- die ihren Irrthum bereits längst eingesehen und bereut haben. — Wenn ich Ihnen im Vorstehenden eine von der gewöhnlich -in Deutsehland cnrsuenden, ziemlich verschiedene Ansicht über die neapolitanischen Zustände anssprack, s» verwahre ich mich wie gesagt dagegen, daß ich Altes selber gut finde oder von Anderen loben gehört habe, aber die geringsten Ge¬ brechen der Verwaltung bangen eben doch meist mit dem Charakter der ganzen Bevölkerung auf's Genaueste zusammen. Allerdings wird über die Korruption der Verwaltungsbeamten, scher die Bestechlichkeit der Justiz viel geklagt,, allein wo seil der König ehrliche Leute hernehmen, wenn die ungeheure Mehrheit des Volkes der Betrügerei und der Bestechlichkeit, auch im Privatverkehr beständig sich Grenzboten, III. 18ö2. ' L3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/429>, abgerufen am 22.12.2024.