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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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des Senats ersetzten durch die äußerste Heftigkeit ihrer Angriffe, was ihnen an
Zahl abging. Die Opposition wählte sich ein Feld, wo sie des größten Scan-
dals und der Aufregung des Publicums gewiß war. Mit Hinblick auf die ver¬
zögerte Regulirung der Staatsschuld ward das Ministerium der Verschleuderung
der öffentlichen Gelder angeklagt; der mit allerdings übertriebenen Aufwande
vollführte Ausbau des ^satro äst Orients zu einem neuen Is-rtro real, und die
verschwenderischen für das Personal desselben gemachten > Ausgaben boten unter
vielem Anderen den beliebtesten Stoss dar. Unter den Progresfisten führte her
General Prim das große Wort, ein Mann vou ebenso glänzenden als zweideu¬
tigen Antecedentien, dessen Laufbahn aus den' mannichfachsten Wechselfällen zwi¬
schen revolutionären Unternehmungen und Comploten und rücksichtsloser Hinge-
gebnng an die Zwecke der Gewalt, hauptsächlich an die Projekte Marie Chri¬
stine's, zusammengesetzt ist. Neben dieser scandalsüchligen Opposition der Pro¬
gresfisten ging die noch gehässigere Feindseligkeit, die einzelne von Narvaez belei¬
digte Moderadoü ihm in den Cortes entgegenstellten. Vor Allem machte sich
hierin der General Pavia, Mitglied des Senates, bemerkbar, der dem Minister-
Vräsidenteu unversöhnlichen Groll wegen seiner wenig ehrenvollen Entlassung vom
Oberbefehl in Katalonien nachtrug. Im Kongreß spielte ans ähnlichen Motiven
der junge General Ortega eine entsprechende Rolle. Narvaez, erbittert über die
Kleinlichkeit der gegen ihn gerichteten Angriffe, erbitterter noch über deren Wiederhall
in der öffentlichen Meinung, verlor die sichere und stolze Haltung, die er früher gewich¬
tigeren Gegnern gegenüber bewahrt hatte. Bald stand nnter seinen eigenen Kollegen
sein gefährlichster Feind auf. Während alle Welt über Verschwendung schrie und
die Regulirung der Schuld das unausgesetzte Thema der Oppositionsredner und
der antiministeriellen Presse war, erhob sich ein schwerer Zwiespalt zwischen dem
Finanzminister Bravo Murillo und dem Herzog v. Valencia über Ersparungen
im Budget des Krieges. Die Summe, um die es sich handelte, war nicht
bedeutend. B. Murillo verlangte die Streichung und Verkürzung einiger Posten
im Gesammtbetrag von etwa 3,000,000'Realen (noch nicht 330,000 Thlr.), die
Narvaez hartnäckig verweigerte. Der Finanzminister schied hierauf unter dem
Beifall der prvgressistischcn Opposition aus dem Cabinet. In seine Stelle trat
Seijas Lozauo, statt dessen Herr Calderon Collautes Münster des Handels und
Unterrichts wurde (Anfang Dec,). Die neue Besetzung des Finanzministeriums war
ckeiue glückliche. S. Lozano begann seine Amtsführung mit Acten eines so drei¬
sten Nepotismus, daß zu einer Zeit, wo die> Jmmoralität der Verwaltung der
tägliche Vorwurf der Opposition war, die öffentliche Meinung sich selbst in
Spanien darüber scandalisirte.

Die Gerüchte von Ministerkriseu tauchten unterdessen von Neuem auf. Der
Glaube an die Macht des Herzogs v. Valencia war allenthalben erschüttert.
Zwar wechselten der Ministerpräsident und Bravo Murillo im Kongreß Erklärun-


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des Senats ersetzten durch die äußerste Heftigkeit ihrer Angriffe, was ihnen an
Zahl abging. Die Opposition wählte sich ein Feld, wo sie des größten Scan-
dals und der Aufregung des Publicums gewiß war. Mit Hinblick auf die ver¬
zögerte Regulirung der Staatsschuld ward das Ministerium der Verschleuderung
der öffentlichen Gelder angeklagt; der mit allerdings übertriebenen Aufwande
vollführte Ausbau des ^satro äst Orients zu einem neuen Is-rtro real, und die
verschwenderischen für das Personal desselben gemachten > Ausgaben boten unter
vielem Anderen den beliebtesten Stoss dar. Unter den Progresfisten führte her
General Prim das große Wort, ein Mann vou ebenso glänzenden als zweideu¬
tigen Antecedentien, dessen Laufbahn aus den' mannichfachsten Wechselfällen zwi¬
schen revolutionären Unternehmungen und Comploten und rücksichtsloser Hinge-
gebnng an die Zwecke der Gewalt, hauptsächlich an die Projekte Marie Chri¬
stine's, zusammengesetzt ist. Neben dieser scandalsüchligen Opposition der Pro¬
gresfisten ging die noch gehässigere Feindseligkeit, die einzelne von Narvaez belei¬
digte Moderadoü ihm in den Cortes entgegenstellten. Vor Allem machte sich
hierin der General Pavia, Mitglied des Senates, bemerkbar, der dem Minister-
Vräsidenteu unversöhnlichen Groll wegen seiner wenig ehrenvollen Entlassung vom
Oberbefehl in Katalonien nachtrug. Im Kongreß spielte ans ähnlichen Motiven
der junge General Ortega eine entsprechende Rolle. Narvaez, erbittert über die
Kleinlichkeit der gegen ihn gerichteten Angriffe, erbitterter noch über deren Wiederhall
in der öffentlichen Meinung, verlor die sichere und stolze Haltung, die er früher gewich¬
tigeren Gegnern gegenüber bewahrt hatte. Bald stand nnter seinen eigenen Kollegen
sein gefährlichster Feind auf. Während alle Welt über Verschwendung schrie und
die Regulirung der Schuld das unausgesetzte Thema der Oppositionsredner und
der antiministeriellen Presse war, erhob sich ein schwerer Zwiespalt zwischen dem
Finanzminister Bravo Murillo und dem Herzog v. Valencia über Ersparungen
im Budget des Krieges. Die Summe, um die es sich handelte, war nicht
bedeutend. B. Murillo verlangte die Streichung und Verkürzung einiger Posten
im Gesammtbetrag von etwa 3,000,000'Realen (noch nicht 330,000 Thlr.), die
Narvaez hartnäckig verweigerte. Der Finanzminister schied hierauf unter dem
Beifall der prvgressistischcn Opposition aus dem Cabinet. In seine Stelle trat
Seijas Lozauo, statt dessen Herr Calderon Collautes Münster des Handels und
Unterrichts wurde (Anfang Dec,). Die neue Besetzung des Finanzministeriums war
ckeiue glückliche. S. Lozano begann seine Amtsführung mit Acten eines so drei¬
sten Nepotismus, daß zu einer Zeit, wo die> Jmmoralität der Verwaltung der
tägliche Vorwurf der Opposition war, die öffentliche Meinung sich selbst in
Spanien darüber scandalisirte.

Die Gerüchte von Ministerkriseu tauchten unterdessen von Neuem auf. Der
Glaube an die Macht des Herzogs v. Valencia war allenthalben erschüttert.
Zwar wechselten der Ministerpräsident und Bravo Murillo im Kongreß Erklärun-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/357>, abgerufen am 22.12.2024.