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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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rien und seine Herrscherin ans die Geburt des königliche" Kindes setzten. Jsabella
kam (im Juli) mit einem todten Knaben nieder. An die Stelle des allgemeinen
Jubels trat "das düstere Gepräge der Trauer. Die Volksstimme, leicht geneigt,
hinter jedem öffentlichen Unglück ein großes Verbrechen zu wittern, trug sich mit
Beschuldigungen gegen die Königin-Mutter, zu abgeschmackt, um einer Wider¬
legung zu bedürfen, aber bezeichnend für den Ruf, dessen jene Fran in Spanien
genoß. '

Im August löste das Ministerium die Cortes auf. Seit der Einführung
der Repräsentativverfassung in Spanien war keine Legislatur von so langer
Dauer gewesen; gewählt im Herbst 18i6, hatte sie vier Sessionen erlebt und es
bis zu einer beinahe vierjährigen Existenz gebracht, also nur ein Jahr weniger,
als die in der 184ü stattgehabten Session von drei'auf fünf Jahre erhöhte
Wahlperiode. Die allgemeine" Wahlen fanden Anfangs September statt und er¬
gaben-- ma" ka"n es nickt anders nennen -- ein bedauerliches Resultat. Herr
SartonnS, dem, als Minister des Immer", die Leitung der Wahloperationen ob¬
lag, hatte i" Auwe"d"ng administrativer Einflüsse und gouvcruementaler Ein¬
schüchterung sich selbst übertroffen. Die Opposition, welche, Progressisteu.und
liberale Moderados zusammengerechnet, in der ausgelösten Deputirtenkammer un¬
gefähr ein Drittel der aus 3i9 Mitgliedern bestehenden Versammlung gebildet
hatte, wurde auf die winzige Zahl von vierzehn heruntergebracht. Die Fraction
der liberale" Moderadoö, eine Verbindung der ausgezeichnetsten parlamentarischen
Talente, aber ohne feste Parteibasis im Wahlkörper, blieb völlig auf dem Platze.
Von mehr als fünfzig der zu ihr zählenden Abgeordneten gelang es keinem ein¬
zigen, seine Wahl durchzusetzen. Die erwähnten vierzehn Oppositionöwahlen ge¬
hörten den Prvgressisten an. Aber selbst diese hatten, außer Madoz, keinen
ihrer parlamentarischen Chefs in den neuen Kongreß gebracht; Olvzaga (der schon
vor Ertheilung der Amnestie unangefochten nach Spanien zurückgekehrt war) und
Cortina sahen sich von der Vertretung ausgeschlossen. Ein solches Ergebniß war
nicht der wirkliche Ausdruck der in der Wählerschaft vorhandenen Meinungen; dick
Einwirkung der Regierung ans die Wahlen trat zu deutlich darin hervor. Was
das Ministerium im Parlament gewann, verlor es dreifach in der öffentlichen
Meinung, und an einer so zusammengebrachten Versammlung konnte es keine sichere '
Stütze gegen die Intrigue" der ihm feindlichen Camarilla zu finde" hoffen. Es
schien anch aus mehreren Anzeichen hervorzugehen, daß das Cabinet selbst über
diesen unerwarteten und seine Wünsche und Berechnungen weit übersteigenden
Ausfall der Wahlen betroffen war. Anfangs November wurden die Cortes er¬
öffnet. Dem äußern Anscheine nach schien die Macht des Narvaez jeder An¬
fechtung Trotz bieten zu können, aber in der Wirklichkeit war der Boden, auf
dem sie stand, von alleu Seiten unterminirt. Das kleine Häuflein der Pro¬
gressisteu im Kongreß und die wenigen dieser Partei angehörenden Mitglieder


rien und seine Herrscherin ans die Geburt des königliche» Kindes setzten. Jsabella
kam (im Juli) mit einem todten Knaben nieder. An die Stelle des allgemeinen
Jubels trat "das düstere Gepräge der Trauer. Die Volksstimme, leicht geneigt,
hinter jedem öffentlichen Unglück ein großes Verbrechen zu wittern, trug sich mit
Beschuldigungen gegen die Königin-Mutter, zu abgeschmackt, um einer Wider¬
legung zu bedürfen, aber bezeichnend für den Ruf, dessen jene Fran in Spanien
genoß. '

Im August löste das Ministerium die Cortes auf. Seit der Einführung
der Repräsentativverfassung in Spanien war keine Legislatur von so langer
Dauer gewesen; gewählt im Herbst 18i6, hatte sie vier Sessionen erlebt und es
bis zu einer beinahe vierjährigen Existenz gebracht, also nur ein Jahr weniger,
als die in der 184ü stattgehabten Session von drei'auf fünf Jahre erhöhte
Wahlperiode. Die allgemeine» Wahlen fanden Anfangs September statt und er¬
gaben— ma» ka»n es nickt anders nennen — ein bedauerliches Resultat. Herr
SartonnS, dem, als Minister des Immer», die Leitung der Wahloperationen ob¬
lag, hatte i» Auwe»d»ng administrativer Einflüsse und gouvcruementaler Ein¬
schüchterung sich selbst übertroffen. Die Opposition, welche, Progressisteu.und
liberale Moderados zusammengerechnet, in der ausgelösten Deputirtenkammer un¬
gefähr ein Drittel der aus 3i9 Mitgliedern bestehenden Versammlung gebildet
hatte, wurde auf die winzige Zahl von vierzehn heruntergebracht. Die Fraction
der liberale» Moderadoö, eine Verbindung der ausgezeichnetsten parlamentarischen
Talente, aber ohne feste Parteibasis im Wahlkörper, blieb völlig auf dem Platze.
Von mehr als fünfzig der zu ihr zählenden Abgeordneten gelang es keinem ein¬
zigen, seine Wahl durchzusetzen. Die erwähnten vierzehn Oppositionöwahlen ge¬
hörten den Prvgressisten an. Aber selbst diese hatten, außer Madoz, keinen
ihrer parlamentarischen Chefs in den neuen Kongreß gebracht; Olvzaga (der schon
vor Ertheilung der Amnestie unangefochten nach Spanien zurückgekehrt war) und
Cortina sahen sich von der Vertretung ausgeschlossen. Ein solches Ergebniß war
nicht der wirkliche Ausdruck der in der Wählerschaft vorhandenen Meinungen; dick
Einwirkung der Regierung ans die Wahlen trat zu deutlich darin hervor. Was
das Ministerium im Parlament gewann, verlor es dreifach in der öffentlichen
Meinung, und an einer so zusammengebrachten Versammlung konnte es keine sichere '
Stütze gegen die Intrigue» der ihm feindlichen Camarilla zu finde» hoffen. Es
schien anch aus mehreren Anzeichen hervorzugehen, daß das Cabinet selbst über
diesen unerwarteten und seine Wünsche und Berechnungen weit übersteigenden
Ausfall der Wahlen betroffen war. Anfangs November wurden die Cortes er¬
öffnet. Dem äußern Anscheine nach schien die Macht des Narvaez jeder An¬
fechtung Trotz bieten zu können, aber in der Wirklichkeit war der Boden, auf
dem sie stand, von alleu Seiten unterminirt. Das kleine Häuflein der Pro¬
gressisteu im Kongreß und die wenigen dieser Partei angehörenden Mitglieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/356>, abgerufen am 22.12.2024.