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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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der durch seine Heirath mit der Gräfin Tachcr in verwandtschaftlicher Verbindung
mit den Bonaparte's stand, gestaltete sich ans das Freundschaftlichstel Man über¬
häufte sich gegenseitig mit Orden, Ehrengeschenken und diplomatischen Artigkeiten.
Die französische Negierung bestrebte sich bei jeder Gelegenheit, die Interessen
Spaniens zu vertreten und zu schlitzen, insofern sie mit ihren eigenen nicht col-
lidirtcn. Diese Freundschaft eines so übermächtigen Nachbars hatte indeß auch
ihre bedenkliche Seite; sie konnte leicht zur völligen Abhängigkeit führen. Eine
Versöhnung mit England wurde je mehr und mehr wünschenswerth; seinerseits
strebte auch das Cabinet von S. James gleichfalls die Verbindung mit Spanien
wieder anzuknüpfen, der Handelsbeziehungen wegen und um nicht das dortige
politische Terrain gänzlich an Frankreich zu verlieren. Der König von Belgien
übernahm es, die Aussöhnung zu Stande zu bringen. Nach längeren Vorunter-
hantzlungen einigte man sich über das zu beobachtende Verfahren. Das Cabinet
von Madrid erklärte den Wunsch, die Verbindung mit England wieder herzu¬
stellen, das Londoner kam dem entgegen und bemerkte, daß es Bulwer wieder
hinschicken würde, falls er nicht anderweitig verwendet wäre (natürlich war es
abgemacht, daß er nicht kommen dürfe), und betraute Lord Howden mit dem
spanischen Gesandtschaftsposten, eine sehr passende Wahl, da Lord Howden, der
in dem Unabhängigkeitskriege gegen Napoleon unter Wellington in Spanien ge¬
fochten hatte, dort allgemeiner Hochschätzung genoß. Spanischerscits wurde Jsturiz
wieder nach London geschickt. Dieses, beide Theile zufrieden stellende Resultat
kam im Mai 1860 zu Stande.

Die Wichtigkeit der wiederhergestellten Verbindung > mit England leuchtete
ein, als wenige Wochen darauf die werthvollste spanische Kolonie, Cuba, durch
amerikanische Freibeuterzüge bedroht wurde. Diese große Insel, deren Reichthum
und Bevölkerung, seitdem das Mutterland nach dem Verlust des amerikanischen
Continents seine ganze Sorgfalt ihr zugewendet, mit ausnehmender Schnelligkeit
gewachsen ist, erregte die Begierde der mächtigen Nachbarrepublik, die durch den
glücklichen Erfolg des mexikanischen Kriegs die Bahn der Eroberungen betreten
hatte. Besonders in den südlichen Staaten war der Enthusiasmus für die Er¬
werbung Cuba's sehr groß, wenn man so ein Gefühl benennen darf, das seine
Wurzel in der Speculation der großen Plantagenbefltzcr ans die Pflanzungen
Cuba's und auf den Eintritt eines neuen Sclavcnstaatcs in die Union hatte.
Mit dem Gelde derselben wurden die populairen Leidenschaften genährt und die
seit deu mexikanischen Feldzügen zahlreichen, kriegsgeübten Abenteurer angeworben.
Denn man war auf einen völkerrechtswidrigen Ueberfall angewiesen, mit dem ver¬
schönernden Ausdrucke "Annexation" genannt. Ein offener Krieg gegen Spa¬
nien zur Eroberung Cuba's wäre an der Opposition der nördlichen freien Staaten
gescheitert und hätte unausbleiblich die Intervention der beiden großen europäi¬
schen Seemächte zu Gunsten des bedrohten Theils zur Folge gehabt. Schon im


der durch seine Heirath mit der Gräfin Tachcr in verwandtschaftlicher Verbindung
mit den Bonaparte's stand, gestaltete sich ans das Freundschaftlichstel Man über¬
häufte sich gegenseitig mit Orden, Ehrengeschenken und diplomatischen Artigkeiten.
Die französische Negierung bestrebte sich bei jeder Gelegenheit, die Interessen
Spaniens zu vertreten und zu schlitzen, insofern sie mit ihren eigenen nicht col-
lidirtcn. Diese Freundschaft eines so übermächtigen Nachbars hatte indeß auch
ihre bedenkliche Seite; sie konnte leicht zur völligen Abhängigkeit führen. Eine
Versöhnung mit England wurde je mehr und mehr wünschenswerth; seinerseits
strebte auch das Cabinet von S. James gleichfalls die Verbindung mit Spanien
wieder anzuknüpfen, der Handelsbeziehungen wegen und um nicht das dortige
politische Terrain gänzlich an Frankreich zu verlieren. Der König von Belgien
übernahm es, die Aussöhnung zu Stande zu bringen. Nach längeren Vorunter-
hantzlungen einigte man sich über das zu beobachtende Verfahren. Das Cabinet
von Madrid erklärte den Wunsch, die Verbindung mit England wieder herzu¬
stellen, das Londoner kam dem entgegen und bemerkte, daß es Bulwer wieder
hinschicken würde, falls er nicht anderweitig verwendet wäre (natürlich war es
abgemacht, daß er nicht kommen dürfe), und betraute Lord Howden mit dem
spanischen Gesandtschaftsposten, eine sehr passende Wahl, da Lord Howden, der
in dem Unabhängigkeitskriege gegen Napoleon unter Wellington in Spanien ge¬
fochten hatte, dort allgemeiner Hochschätzung genoß. Spanischerscits wurde Jsturiz
wieder nach London geschickt. Dieses, beide Theile zufrieden stellende Resultat
kam im Mai 1860 zu Stande.

Die Wichtigkeit der wiederhergestellten Verbindung > mit England leuchtete
ein, als wenige Wochen darauf die werthvollste spanische Kolonie, Cuba, durch
amerikanische Freibeuterzüge bedroht wurde. Diese große Insel, deren Reichthum
und Bevölkerung, seitdem das Mutterland nach dem Verlust des amerikanischen
Continents seine ganze Sorgfalt ihr zugewendet, mit ausnehmender Schnelligkeit
gewachsen ist, erregte die Begierde der mächtigen Nachbarrepublik, die durch den
glücklichen Erfolg des mexikanischen Kriegs die Bahn der Eroberungen betreten
hatte. Besonders in den südlichen Staaten war der Enthusiasmus für die Er¬
werbung Cuba's sehr groß, wenn man so ein Gefühl benennen darf, das seine
Wurzel in der Speculation der großen Plantagenbefltzcr ans die Pflanzungen
Cuba's und auf den Eintritt eines neuen Sclavcnstaatcs in die Union hatte.
Mit dem Gelde derselben wurden die populairen Leidenschaften genährt und die
seit deu mexikanischen Feldzügen zahlreichen, kriegsgeübten Abenteurer angeworben.
Denn man war auf einen völkerrechtswidrigen Ueberfall angewiesen, mit dem ver¬
schönernden Ausdrucke „Annexation" genannt. Ein offener Krieg gegen Spa¬
nien zur Eroberung Cuba's wäre an der Opposition der nördlichen freien Staaten
gescheitert und hätte unausbleiblich die Intervention der beiden großen europäi¬
schen Seemächte zu Gunsten des bedrohten Theils zur Folge gehabt. Schon im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/354>, abgerufen am 22.12.2024.