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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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gegen seinen Patron. Dieser ergriff sofort Gajewski's Hand und rief: "Was,
zum Henker, ist Dir denn in den Kopf gekommen, daß Du Dich mit mir schlagen
willst? Ich habe mich gestellt, .damit Du nicht denken sollst, ich fürchte mich, oder
achte Dich zu gering; aber dabei muß es auch sein Bewenden haben. Ich gebe
zu, daß ich Dich in der Hitze beleidigt habe ; dafür bitte ich Dich jetzt um Ver¬
zeihung, und bist Du damit noch nicht zufrieden, so komme mit aus den Hof;
dort will ich Dir vor allen Gästen Abbitte thun."

"Ich habe gegen den Herrn Oberst durchaus keinen Groll," versetzte mit
einem tiefen Bückling der Alte, "und es handelt sich hier auch, wie ich bereits
schriftlich zu sagen die Ehre hatte, durchaus nicht um meine unbedeutende Person,
sondern um deu Schimpf, welcher der Uniform angethan worden ist, und den ich
auf ihr uicht sitzen lassen darf. Hier kann nur Blut sühnen, und das, sei es
auch nur ein Tropfen, muß ich von Ihnen haben."

Mit diesen Worten schritt er zum Wagen und zog unter dem Heu einen
alten, rostigen Säbel hervor, der in einer Scheide von Fischhaut stak und an
welchem einige verschossene Schnüre herunterhingen.

"Aber so nimm doch nur Vernunft an," rief der Oberst, "wie konnte ich es
denn über mein Gewissen bringen, mich mit Dir zu schlagen? Du bist ein alter
Mann, dem in früheren Jahren schon der Krieg die Knochen mürbe gemacht hat,
ich dagegen ein noch ziemlich rüstiger Bursche, der, wie du weißt, mit dem Säbel
umzugehen versteht. Ich würde Dich ja beim ersten Gang niederhauen."

"Wie Gott will und die heilige Jungfrau," erwiderte unterwürfig der Alte.
Mein Blut ist ja auch kein Wasser, und so wollen wir denn in des Herrn Na¬
men an's Werk gehen." "

Nachdem er dies gesagt hatte, zog er die Klinge aus der Scheide, betrachtete
die auf derselbe" befindlichen Rostflecke, nickte lächelnd mit dem Kopfe und sprach:
"Bist eingerostet, alter Freund; hast lange mit der Welt nichts zu schaffen gehabt"'
nahm einen Büschel Heu, fuhr damit ein paar Mal über die Klinge weg und
sagte dann mit der größten Gemüthsruhe: So, nun ist's besser; -- die Leute
behaupten ja immer, der Rost schade dem Blute."

"Holla, nur keinen Hohn, Herr von Gajewski, rief jetzt erzürnt und ganz
roth im Gesichte der Oberst. Vergessen Sie nicht, daß Ihr Blut nicht über
mich kommen darf. Zur Sache also!"

"In Gottes Namen," entgegnete der Alte, machte mit dem Säbel das
Zeichen des Kreuzes vor sich auf den Boden, drückte die Mütze, welche er bis
dahin ehrerbietig in der Hand gehalten hatte, auf's Ohr, und erwartete den
Beginn des Kampfes.

Der Oberst, eben so erbost, als ungeduldig und nichts eifriger wünschend,
als die Sache möglichst schnell abgemacht zu sehen, ging im Gefühl seiner Kraft
und Ueberlegenheit dem Gegner rücksichtslos zu Leibe; doch der Alte zeigte bald,


gegen seinen Patron. Dieser ergriff sofort Gajewski's Hand und rief: „Was,
zum Henker, ist Dir denn in den Kopf gekommen, daß Du Dich mit mir schlagen
willst? Ich habe mich gestellt, .damit Du nicht denken sollst, ich fürchte mich, oder
achte Dich zu gering; aber dabei muß es auch sein Bewenden haben. Ich gebe
zu, daß ich Dich in der Hitze beleidigt habe ; dafür bitte ich Dich jetzt um Ver¬
zeihung, und bist Du damit noch nicht zufrieden, so komme mit aus den Hof;
dort will ich Dir vor allen Gästen Abbitte thun."

„Ich habe gegen den Herrn Oberst durchaus keinen Groll," versetzte mit
einem tiefen Bückling der Alte, „und es handelt sich hier auch, wie ich bereits
schriftlich zu sagen die Ehre hatte, durchaus nicht um meine unbedeutende Person,
sondern um deu Schimpf, welcher der Uniform angethan worden ist, und den ich
auf ihr uicht sitzen lassen darf. Hier kann nur Blut sühnen, und das, sei es
auch nur ein Tropfen, muß ich von Ihnen haben."

Mit diesen Worten schritt er zum Wagen und zog unter dem Heu einen
alten, rostigen Säbel hervor, der in einer Scheide von Fischhaut stak und an
welchem einige verschossene Schnüre herunterhingen.

„Aber so nimm doch nur Vernunft an," rief der Oberst, „wie konnte ich es
denn über mein Gewissen bringen, mich mit Dir zu schlagen? Du bist ein alter
Mann, dem in früheren Jahren schon der Krieg die Knochen mürbe gemacht hat,
ich dagegen ein noch ziemlich rüstiger Bursche, der, wie du weißt, mit dem Säbel
umzugehen versteht. Ich würde Dich ja beim ersten Gang niederhauen."

„Wie Gott will und die heilige Jungfrau," erwiderte unterwürfig der Alte.
Mein Blut ist ja auch kein Wasser, und so wollen wir denn in des Herrn Na¬
men an's Werk gehen." »

Nachdem er dies gesagt hatte, zog er die Klinge aus der Scheide, betrachtete
die auf derselbe» befindlichen Rostflecke, nickte lächelnd mit dem Kopfe und sprach:
„Bist eingerostet, alter Freund; hast lange mit der Welt nichts zu schaffen gehabt"'
nahm einen Büschel Heu, fuhr damit ein paar Mal über die Klinge weg und
sagte dann mit der größten Gemüthsruhe: So, nun ist's besser; — die Leute
behaupten ja immer, der Rost schade dem Blute."

„Holla, nur keinen Hohn, Herr von Gajewski, rief jetzt erzürnt und ganz
roth im Gesichte der Oberst. Vergessen Sie nicht, daß Ihr Blut nicht über
mich kommen darf. Zur Sache also!"

„In Gottes Namen," entgegnete der Alte, machte mit dem Säbel das
Zeichen des Kreuzes vor sich auf den Boden, drückte die Mütze, welche er bis
dahin ehrerbietig in der Hand gehalten hatte, auf's Ohr, und erwartete den
Beginn des Kampfes.

Der Oberst, eben so erbost, als ungeduldig und nichts eifriger wünschend,
als die Sache möglichst schnell abgemacht zu sehen, ging im Gefühl seiner Kraft
und Ueberlegenheit dem Gegner rücksichtslos zu Leibe; doch der Alte zeigte bald,


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[0345] gegen seinen Patron. Dieser ergriff sofort Gajewski's Hand und rief: „Was, zum Henker, ist Dir denn in den Kopf gekommen, daß Du Dich mit mir schlagen willst? Ich habe mich gestellt, .damit Du nicht denken sollst, ich fürchte mich, oder achte Dich zu gering; aber dabei muß es auch sein Bewenden haben. Ich gebe zu, daß ich Dich in der Hitze beleidigt habe ; dafür bitte ich Dich jetzt um Ver¬ zeihung, und bist Du damit noch nicht zufrieden, so komme mit aus den Hof; dort will ich Dir vor allen Gästen Abbitte thun." „Ich habe gegen den Herrn Oberst durchaus keinen Groll," versetzte mit einem tiefen Bückling der Alte, „und es handelt sich hier auch, wie ich bereits schriftlich zu sagen die Ehre hatte, durchaus nicht um meine unbedeutende Person, sondern um deu Schimpf, welcher der Uniform angethan worden ist, und den ich auf ihr uicht sitzen lassen darf. Hier kann nur Blut sühnen, und das, sei es auch nur ein Tropfen, muß ich von Ihnen haben." Mit diesen Worten schritt er zum Wagen und zog unter dem Heu einen alten, rostigen Säbel hervor, der in einer Scheide von Fischhaut stak und an welchem einige verschossene Schnüre herunterhingen. „Aber so nimm doch nur Vernunft an," rief der Oberst, „wie konnte ich es denn über mein Gewissen bringen, mich mit Dir zu schlagen? Du bist ein alter Mann, dem in früheren Jahren schon der Krieg die Knochen mürbe gemacht hat, ich dagegen ein noch ziemlich rüstiger Bursche, der, wie du weißt, mit dem Säbel umzugehen versteht. Ich würde Dich ja beim ersten Gang niederhauen." „Wie Gott will und die heilige Jungfrau," erwiderte unterwürfig der Alte. Mein Blut ist ja auch kein Wasser, und so wollen wir denn in des Herrn Na¬ men an's Werk gehen." » Nachdem er dies gesagt hatte, zog er die Klinge aus der Scheide, betrachtete die auf derselbe» befindlichen Rostflecke, nickte lächelnd mit dem Kopfe und sprach: „Bist eingerostet, alter Freund; hast lange mit der Welt nichts zu schaffen gehabt"' nahm einen Büschel Heu, fuhr damit ein paar Mal über die Klinge weg und sagte dann mit der größten Gemüthsruhe: So, nun ist's besser; — die Leute behaupten ja immer, der Rost schade dem Blute." „Holla, nur keinen Hohn, Herr von Gajewski, rief jetzt erzürnt und ganz roth im Gesichte der Oberst. Vergessen Sie nicht, daß Ihr Blut nicht über mich kommen darf. Zur Sache also!" „In Gottes Namen," entgegnete der Alte, machte mit dem Säbel das Zeichen des Kreuzes vor sich auf den Boden, drückte die Mütze, welche er bis dahin ehrerbietig in der Hand gehalten hatte, auf's Ohr, und erwartete den Beginn des Kampfes. Der Oberst, eben so erbost, als ungeduldig und nichts eifriger wünschend, als die Sache möglichst schnell abgemacht zu sehen, ging im Gefühl seiner Kraft und Ueberlegenheit dem Gegner rücksichtslos zu Leibe; doch der Alte zeigte bald,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/345>, abgerufen am 22.12.2024.