Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.daraus eine Tuchfabrik an, wird reich und endlich Bürgermeister, aber er ist stech Wenn man alle diese Werke in der von Bettine und den Gebrüdern Grimm daraus eine Tuchfabrik an, wird reich und endlich Bürgermeister, aber er ist stech Wenn man alle diese Werke in der von Bettine und den Gebrüdern Grimm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94759"/> <p xml:id="ID_966" prev="#ID_965"> daraus eine Tuchfabrik an, wird reich und endlich Bürgermeister, aber er ist stech<lb/> und hinfällig und -dem Sterben nahe, bis ihn der Schwarzkünstler Faust, ein<lb/> wüster, großsprecherischer und boshafter Trunkenbold, durch ein nen erfundenes<lb/> chemisches Experiment herstellt und verjüngt, indem er das übcrschwellende Blut<lb/> eines überkräftigen Knaben in seine matten Adern leitet. Dieser Knabe Conrad<lb/> ist gleichfalls ein Hohenstauffenkind, der von den Kronenwächtern beauftragt wurde,<lb/> den Kaiser Maximilian zu ermorden, und da er das Geheiß nicht vollziehen<lb/> wollte, um ihrer Rache zu entgehen, Maurergesell wurde. Berthold lernt reiten,<lb/> wird in einer Deputation zum Kaiser geschickt und sieht dort so stattlich ans, daß<lb/> eine Prinzeß ihn für den Kurfürsten von Brandenburg hält. Er heirathet end¬<lb/> lich die Tochter seiner alten Geliebten Apollonia, die ihm noch immer zugethan<lb/> ist und daher der eifersüchtigen Tochter manches Herzeleid bereitet. Diese selbst<lb/> ist in einem züchtigen Einverständnis; mit dem jungen Conrad, dem sie heimlich<lb/> Schinken zusteckt. Von da an dreht sich die Geschichte um einen Brunnen,<lb/> den Bertholds wirthschaftliche Schwiegermutter gern neben dem Hanse haben<lb/> möchte. Um dies zu bewerkstelligen, verlebt er als Bürgermeister die Rechte der<lb/> freien Reichsstadt, indem er wider ihren Willen eine Gasse versperrt. Diese<lb/> Gesetzlosigkeit erregt in ihm die Stimme des Gewissens und zieht viel häusliches<lb/> Elend und Eifersucht nach sich. Später macht Berthold mit seiner Frau auch einen<lb/> Besuch auf dem Stammschloß der Hohenstauffen, wo es aber sehr unheimlich hergeht.<lb/> Der Eine trachtet dem Andern beständig nach dem Leben. Dort erfahren wir<lb/> Näheres von den Krouenwächtern, die sich in ihren Mußestunden im Holzschnittstyl von<lb/> der Urzeit der Hohenstauffen unterhalten. In jener Urzeit legten sich die Könige, selbst<lb/> wenn sie incognito reisten, mit der Krone auf dem Haupt zu Bett, und wurden<lb/> daran erkannt, wenn die Mütze he-rnnterstel, die sie darüber gezogen hatten. —^<lb/> Zum Schluß wird Berthold von Faust ermordet.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Wenn man alle diese Werke in der von Bettine und den Gebrüdern Grimm<lb/> besorgten Gesammtausgabe überliefe, so kann man sich doch eines unbehagliche»,<lb/> sast unheimlichen Gefühls nicht erwehren. Auch der hellste Verstand und das<lb/> beste Herz schützt vor Tollheit nicht, wenigstens in Deutschland nicht. Dichter<lb/> wie Arnim sind recht dazu geeignet, uus über die Verworrenheit unserer Zustände<lb/> aufzuklären. Nur an einem Leben, wo kein Verhältniß dem andern scharf ge¬<lb/> schlossen und in bestimmten Umrissen.gegenübersteht, läßt sich eine solche Verwilde¬<lb/> rung der Gedanken und Empfindungen begreifen. Wenn wir die Romantik<lb/> bekämpfen, so ist es nicht eine bestimmte Weise des Denkens und Empfindens,<lb/> sondern gerade der Mangel aller Bestimmtheit, der dem Zufall die Herrschaft<lb/> überläßt. Uns dem Reich des Zufalls zu entreißen, ist die Aufgabe unsrer<lb/> jetzigen Bildung, und in dieser Aufgabe ist der Kritik eine nicht unbedeutende<lb/> Rolle zugetheilt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
daraus eine Tuchfabrik an, wird reich und endlich Bürgermeister, aber er ist stech
und hinfällig und -dem Sterben nahe, bis ihn der Schwarzkünstler Faust, ein
wüster, großsprecherischer und boshafter Trunkenbold, durch ein nen erfundenes
chemisches Experiment herstellt und verjüngt, indem er das übcrschwellende Blut
eines überkräftigen Knaben in seine matten Adern leitet. Dieser Knabe Conrad
ist gleichfalls ein Hohenstauffenkind, der von den Kronenwächtern beauftragt wurde,
den Kaiser Maximilian zu ermorden, und da er das Geheiß nicht vollziehen
wollte, um ihrer Rache zu entgehen, Maurergesell wurde. Berthold lernt reiten,
wird in einer Deputation zum Kaiser geschickt und sieht dort so stattlich ans, daß
eine Prinzeß ihn für den Kurfürsten von Brandenburg hält. Er heirathet end¬
lich die Tochter seiner alten Geliebten Apollonia, die ihm noch immer zugethan
ist und daher der eifersüchtigen Tochter manches Herzeleid bereitet. Diese selbst
ist in einem züchtigen Einverständnis; mit dem jungen Conrad, dem sie heimlich
Schinken zusteckt. Von da an dreht sich die Geschichte um einen Brunnen,
den Bertholds wirthschaftliche Schwiegermutter gern neben dem Hanse haben
möchte. Um dies zu bewerkstelligen, verlebt er als Bürgermeister die Rechte der
freien Reichsstadt, indem er wider ihren Willen eine Gasse versperrt. Diese
Gesetzlosigkeit erregt in ihm die Stimme des Gewissens und zieht viel häusliches
Elend und Eifersucht nach sich. Später macht Berthold mit seiner Frau auch einen
Besuch auf dem Stammschloß der Hohenstauffen, wo es aber sehr unheimlich hergeht.
Der Eine trachtet dem Andern beständig nach dem Leben. Dort erfahren wir
Näheres von den Krouenwächtern, die sich in ihren Mußestunden im Holzschnittstyl von
der Urzeit der Hohenstauffen unterhalten. In jener Urzeit legten sich die Könige, selbst
wenn sie incognito reisten, mit der Krone auf dem Haupt zu Bett, und wurden
daran erkannt, wenn die Mütze he-rnnterstel, die sie darüber gezogen hatten. —^
Zum Schluß wird Berthold von Faust ermordet.
Wenn man alle diese Werke in der von Bettine und den Gebrüdern Grimm
besorgten Gesammtausgabe überliefe, so kann man sich doch eines unbehagliche»,
sast unheimlichen Gefühls nicht erwehren. Auch der hellste Verstand und das
beste Herz schützt vor Tollheit nicht, wenigstens in Deutschland nicht. Dichter
wie Arnim sind recht dazu geeignet, uus über die Verworrenheit unserer Zustände
aufzuklären. Nur an einem Leben, wo kein Verhältniß dem andern scharf ge¬
schlossen und in bestimmten Umrissen.gegenübersteht, läßt sich eine solche Verwilde¬
rung der Gedanken und Empfindungen begreifen. Wenn wir die Romantik
bekämpfen, so ist es nicht eine bestimmte Weise des Denkens und Empfindens,
sondern gerade der Mangel aller Bestimmtheit, der dem Zufall die Herrschaft
überläßt. Uns dem Reich des Zufalls zu entreißen, ist die Aufgabe unsrer
jetzigen Bildung, und in dieser Aufgabe ist der Kritik eine nicht unbedeutende
Rolle zugetheilt.
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