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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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vorhanden, daß diese sich nach dem Anschlusse an den Zollverein finden werden. Auch
hier steigt freilich sogleich wieder das Bedenken auf, ob Hannover in Betreff des
oberharzischen Eisens mit Preußen wird concurriren können, da hier die für die
Eisenhütten nothwendige ungeheure Quantität von Kohlen erst durch die Köhler
aus dem Holze gewonnen werden muß, Preußen aber am Rhein in de,r Nähe
seiner Eisenhüttten zugleich Kohlengruben hat. Bis jetzt liegt der Absatz des Eisens
so sehr danieder, daß in diesem Augenblicke etwa dreißig Bergleute aus den
ergiebigen Lerbächer Eisengruben zu den Mündenschen Eisenbahnarbeiter geschickt
wurden, um dort Beschäftigung zu erhalten. Aehnlich ist der Absatz bei den üb¬
rigen Eisenhütten, überall sind große Vorräthe aufgehäuft, die Rothehütte, welche
sich durch einen Separatvertrag bereits im Anschluß an den Zollverein befindet,
hat reichlichen Absatz.

Wir kehren zum Schlüsse noch einmal dahin zurück, wo uns der "Harz¬
omnibus" bei unsrer Ankunft ans dem Oberharze abgesetzt hat, und von wo aus
wir unsre Rundschau unternommen haben: nach Zellerfeld und Clausthal. Diese
beiden Hauptstädte des Oberharzes bilden im Grunde nur Eine Stadt, denn sie
sind nur durch einen kleinen Bach geschieden. Eine Wanderung dnrch diese beiden
Städte macht einen eigenthümlichen Eindruck. Die Hänser sind aus Holz gebaut,
nur einzelne ans einer Art von schwarzen Backsteinen, die ans Bergschlacke ge¬
formt sind, und eigenthümlich glänzen. Die Stadt, welche sich wol eine Stunde
lang erst an einem Berge hinab und dann sogleich an einem andern wieder hin¬
aufzieht, ist wie ausgestorben, man ahnt keineswegs, daß dieser Ort 3000 Einw.
mehr als Göttingen zählt, denn die männliche Bevölkerung befindet sich unter der
Erde. Geschäfte werden nicht getrieben und man sieht daher fast Nichts als einige
Eseltreiber aus Goslar und Osterode und ganze Heerden Esel und Maulthiere,
welche das Korn von jenen Städten her heraufgeführt haben. Dazwischen geht
wol auch eine lange Reihe sogenannter Harzträgerinnen einher, welche den Bedarf
an Früchten für ihre Familie in Osterode oder Goslar eingekauft haben und ihn
ans dem Rücken heimtragen. Dieses Harztragen ist die einzige härtere Arbeit de'r
Bergmannsfrauen.

Der rührige Buchhändler Schweiger in Clausthal und der Bergrichter
Neuß zu Zellerfeld versuchten kürzlich die Verwaltung der beiden Städte zu ver¬
einigen. Die jetzt für die hannöverschen Ortschaften bevorstehende Einführung der
neuen Städteordnung, dnrch welche einer wahrhaft vorsündflnthlichen Abhängig¬
keit der Communen ein Ende gemacht werden soll, gab zu diesem Bestreben eine
sehr passende Veranlassung; und nicht leicht ist ein verstandigerer Entschluß gefaßt
worden, als der, so lange es noch Zeit ist, dem Oberharze durch die Herstellung
einer größern Stadt in sich selbst einen Hauptpunkt zu schaffen, um in einem
tüchtigen gewerbfleißigen Bürgerthum nöthigenfalls einen Ersatz für das bisherige
Patriarchalische Verhältniß zum Staate zu finden/ so weit es eben nicht aus der


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vorhanden, daß diese sich nach dem Anschlusse an den Zollverein finden werden. Auch
hier steigt freilich sogleich wieder das Bedenken auf, ob Hannover in Betreff des
oberharzischen Eisens mit Preußen wird concurriren können, da hier die für die
Eisenhütten nothwendige ungeheure Quantität von Kohlen erst durch die Köhler
aus dem Holze gewonnen werden muß, Preußen aber am Rhein in de,r Nähe
seiner Eisenhüttten zugleich Kohlengruben hat. Bis jetzt liegt der Absatz des Eisens
so sehr danieder, daß in diesem Augenblicke etwa dreißig Bergleute aus den
ergiebigen Lerbächer Eisengruben zu den Mündenschen Eisenbahnarbeiter geschickt
wurden, um dort Beschäftigung zu erhalten. Aehnlich ist der Absatz bei den üb¬
rigen Eisenhütten, überall sind große Vorräthe aufgehäuft, die Rothehütte, welche
sich durch einen Separatvertrag bereits im Anschluß an den Zollverein befindet,
hat reichlichen Absatz.

Wir kehren zum Schlüsse noch einmal dahin zurück, wo uns der „Harz¬
omnibus" bei unsrer Ankunft ans dem Oberharze abgesetzt hat, und von wo aus
wir unsre Rundschau unternommen haben: nach Zellerfeld und Clausthal. Diese
beiden Hauptstädte des Oberharzes bilden im Grunde nur Eine Stadt, denn sie
sind nur durch einen kleinen Bach geschieden. Eine Wanderung dnrch diese beiden
Städte macht einen eigenthümlichen Eindruck. Die Hänser sind aus Holz gebaut,
nur einzelne ans einer Art von schwarzen Backsteinen, die ans Bergschlacke ge¬
formt sind, und eigenthümlich glänzen. Die Stadt, welche sich wol eine Stunde
lang erst an einem Berge hinab und dann sogleich an einem andern wieder hin¬
aufzieht, ist wie ausgestorben, man ahnt keineswegs, daß dieser Ort 3000 Einw.
mehr als Göttingen zählt, denn die männliche Bevölkerung befindet sich unter der
Erde. Geschäfte werden nicht getrieben und man sieht daher fast Nichts als einige
Eseltreiber aus Goslar und Osterode und ganze Heerden Esel und Maulthiere,
welche das Korn von jenen Städten her heraufgeführt haben. Dazwischen geht
wol auch eine lange Reihe sogenannter Harzträgerinnen einher, welche den Bedarf
an Früchten für ihre Familie in Osterode oder Goslar eingekauft haben und ihn
ans dem Rücken heimtragen. Dieses Harztragen ist die einzige härtere Arbeit de'r
Bergmannsfrauen.

Der rührige Buchhändler Schweiger in Clausthal und der Bergrichter
Neuß zu Zellerfeld versuchten kürzlich die Verwaltung der beiden Städte zu ver¬
einigen. Die jetzt für die hannöverschen Ortschaften bevorstehende Einführung der
neuen Städteordnung, dnrch welche einer wahrhaft vorsündflnthlichen Abhängig¬
keit der Communen ein Ende gemacht werden soll, gab zu diesem Bestreben eine
sehr passende Veranlassung; und nicht leicht ist ein verstandigerer Entschluß gefaßt
worden, als der, so lange es noch Zeit ist, dem Oberharze durch die Herstellung
einer größern Stadt in sich selbst einen Hauptpunkt zu schaffen, um in einem
tüchtigen gewerbfleißigen Bürgerthum nöthigenfalls einen Ersatz für das bisherige
Patriarchalische Verhältniß zum Staate zu finden/ so weit es eben nicht aus der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/29>, abgerufen am 22.12.2024.