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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Reiches mitzusprechen. Ich protcstire aus allen Kräfte" meiner Seele gegen
eine solche Absurdität. Die Königin von Spanien regiert durch die Gnade
Gottes, die Anstrengungen ihrer Unterthanen und kraft der Constitution, und nie¬
mals wird, so lauge diese Monarchie besteht, ein spanischer Herrscher durch andere
Ursachen seine Krone tragen."

Die gegen Ende des Jahres i8i8 im Kirchenstaate ausbrechende Empörung,
die Flucht des Papstes nach Gaeta, die Proclämiruug der römischen Republik
unter einem von Mazzini geleiteten Triumvirat veranlaßten die spanische Regierung
an der Intervention der katholischen Mächte gegen Rom sich zu beteiligen. Die
hierin von dem Madrider Cabinet befolgte Politik steht in so engem Zusammen¬
hange mit seiner Stellung zum päpstlichen Hofe, daß eS eines kurzen Rückblicks
ans den Verlauf- der Beziehungen zwischen Spanien und dem Vatican bedarf.
Bekanntlich trat, als bald nach dem Tode Ferdinands VA. Marie Christine, theils
durch die äußerste Finanznoth, theils dnrch die Anforderung der liberalen Partei
getrieben, die Kloster aufhob und ihre Güter zum Vortheil des Staates einzog,
ein völliger Bruch zwischen der Negierung der Königin und dem heiligen Stuhle
ein. Derselbe erweiterte sich uoch, als während der Regentschaft Espartero'S
dnrch Beschluß der Cortes die Güter der Weltgeistlichkeit gleichfalls eingezogen
und zum Verkauf gestellt wurden. Die Lage des spanischen Clerus war der
allertraurigsten Art; seiner bisherigen Einkünfte beraubt und auf eine Besoldung
seitens des Staates angewiesen, die nnter der ihm mißgünstigen Herrschaft des
Regenten, dessen Minister sich außerdem stets in den kläglichsten Geldverlegen-
Witen befände", fast niemals ausbezahlt wurde, sah derselbe sich genöthigt, zu der
mildthätigen Unterstützung seiner Pfarrkinder Zuflucht zu nehmen. An vielen
Orten fehlten selbst die Mittel, den öffentlichen Gottesdienst mit Anstand zu be¬
gehen. Mehrere der wichtigsten Bischofssitze waren überdies, in Folge des Bru--
ches mit dem römischen Hofe, unbesetzt.

Als die conservative Partei nach Espartero's Vertreibung das Ruder ergriff,
war eine ihrer ersten Sorgen, einem Zustande abzuhelfen, der in einem durchaus
katholischen Laube, wie eS Spanien ist, zerrüttend auf alle Verhältnisse deS
Staates und der Gesellschaft einwirken mußte. Man that Schritte gegen den
päpstlichen Hof, um eine Annäherung herbeizuführen und sistirte zu diesem Zwecke
den Verkauf deö-freilich verhältnißmäßig nur noch sehr geringen Nestes der Güter
des weltlichen Clerus. Die letztere Maßregel erregte nicht nur den Unwillen
der Progresflsten im hohen Grade, sondern beunruhigte auch nicht wenig die
Inhaber ehemaliger Kirchengüter, welche besorgten, daß ihre Besitztitcl dem Be¬
dürfniß einer Aussöhnung' mit Nom geopfert werden konnten. Nach diesen Ein¬
leitungen gelang es dem Madrider Cabinet officivse Verbindungen mit dem Va¬
tican dnrch die Sendung des Herrn Castillo y Ahensa zu eröffnen und für die
Heirath der Königin mit-ihrem Vetter den Dispens des Papstes zu erwirken,


Reiches mitzusprechen. Ich protcstire aus allen Kräfte» meiner Seele gegen
eine solche Absurdität. Die Königin von Spanien regiert durch die Gnade
Gottes, die Anstrengungen ihrer Unterthanen und kraft der Constitution, und nie¬
mals wird, so lauge diese Monarchie besteht, ein spanischer Herrscher durch andere
Ursachen seine Krone tragen."

Die gegen Ende des Jahres i8i8 im Kirchenstaate ausbrechende Empörung,
die Flucht des Papstes nach Gaeta, die Proclämiruug der römischen Republik
unter einem von Mazzini geleiteten Triumvirat veranlaßten die spanische Regierung
an der Intervention der katholischen Mächte gegen Rom sich zu beteiligen. Die
hierin von dem Madrider Cabinet befolgte Politik steht in so engem Zusammen¬
hange mit seiner Stellung zum päpstlichen Hofe, daß eS eines kurzen Rückblicks
ans den Verlauf- der Beziehungen zwischen Spanien und dem Vatican bedarf.
Bekanntlich trat, als bald nach dem Tode Ferdinands VA. Marie Christine, theils
durch die äußerste Finanznoth, theils dnrch die Anforderung der liberalen Partei
getrieben, die Kloster aufhob und ihre Güter zum Vortheil des Staates einzog,
ein völliger Bruch zwischen der Negierung der Königin und dem heiligen Stuhle
ein. Derselbe erweiterte sich uoch, als während der Regentschaft Espartero'S
dnrch Beschluß der Cortes die Güter der Weltgeistlichkeit gleichfalls eingezogen
und zum Verkauf gestellt wurden. Die Lage des spanischen Clerus war der
allertraurigsten Art; seiner bisherigen Einkünfte beraubt und auf eine Besoldung
seitens des Staates angewiesen, die nnter der ihm mißgünstigen Herrschaft des
Regenten, dessen Minister sich außerdem stets in den kläglichsten Geldverlegen-
Witen befände», fast niemals ausbezahlt wurde, sah derselbe sich genöthigt, zu der
mildthätigen Unterstützung seiner Pfarrkinder Zuflucht zu nehmen. An vielen
Orten fehlten selbst die Mittel, den öffentlichen Gottesdienst mit Anstand zu be¬
gehen. Mehrere der wichtigsten Bischofssitze waren überdies, in Folge des Bru--
ches mit dem römischen Hofe, unbesetzt.

Als die conservative Partei nach Espartero's Vertreibung das Ruder ergriff,
war eine ihrer ersten Sorgen, einem Zustande abzuhelfen, der in einem durchaus
katholischen Laube, wie eS Spanien ist, zerrüttend auf alle Verhältnisse deS
Staates und der Gesellschaft einwirken mußte. Man that Schritte gegen den
päpstlichen Hof, um eine Annäherung herbeizuführen und sistirte zu diesem Zwecke
den Verkauf deö-freilich verhältnißmäßig nur noch sehr geringen Nestes der Güter
des weltlichen Clerus. Die letztere Maßregel erregte nicht nur den Unwillen
der Progresflsten im hohen Grade, sondern beunruhigte auch nicht wenig die
Inhaber ehemaliger Kirchengüter, welche besorgten, daß ihre Besitztitcl dem Be¬
dürfniß einer Aussöhnung' mit Nom geopfert werden konnten. Nach diesen Ein¬
leitungen gelang es dem Madrider Cabinet officivse Verbindungen mit dem Va¬
tican dnrch die Sendung des Herrn Castillo y Ahensa zu eröffnen und für die
Heirath der Königin mit-ihrem Vetter den Dispens des Papstes zu erwirken,


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[0278] Reiches mitzusprechen. Ich protcstire aus allen Kräfte» meiner Seele gegen eine solche Absurdität. Die Königin von Spanien regiert durch die Gnade Gottes, die Anstrengungen ihrer Unterthanen und kraft der Constitution, und nie¬ mals wird, so lauge diese Monarchie besteht, ein spanischer Herrscher durch andere Ursachen seine Krone tragen." Die gegen Ende des Jahres i8i8 im Kirchenstaate ausbrechende Empörung, die Flucht des Papstes nach Gaeta, die Proclämiruug der römischen Republik unter einem von Mazzini geleiteten Triumvirat veranlaßten die spanische Regierung an der Intervention der katholischen Mächte gegen Rom sich zu beteiligen. Die hierin von dem Madrider Cabinet befolgte Politik steht in so engem Zusammen¬ hange mit seiner Stellung zum päpstlichen Hofe, daß eS eines kurzen Rückblicks ans den Verlauf- der Beziehungen zwischen Spanien und dem Vatican bedarf. Bekanntlich trat, als bald nach dem Tode Ferdinands VA. Marie Christine, theils durch die äußerste Finanznoth, theils dnrch die Anforderung der liberalen Partei getrieben, die Kloster aufhob und ihre Güter zum Vortheil des Staates einzog, ein völliger Bruch zwischen der Negierung der Königin und dem heiligen Stuhle ein. Derselbe erweiterte sich uoch, als während der Regentschaft Espartero'S dnrch Beschluß der Cortes die Güter der Weltgeistlichkeit gleichfalls eingezogen und zum Verkauf gestellt wurden. Die Lage des spanischen Clerus war der allertraurigsten Art; seiner bisherigen Einkünfte beraubt und auf eine Besoldung seitens des Staates angewiesen, die nnter der ihm mißgünstigen Herrschaft des Regenten, dessen Minister sich außerdem stets in den kläglichsten Geldverlegen- Witen befände», fast niemals ausbezahlt wurde, sah derselbe sich genöthigt, zu der mildthätigen Unterstützung seiner Pfarrkinder Zuflucht zu nehmen. An vielen Orten fehlten selbst die Mittel, den öffentlichen Gottesdienst mit Anstand zu be¬ gehen. Mehrere der wichtigsten Bischofssitze waren überdies, in Folge des Bru-- ches mit dem römischen Hofe, unbesetzt. Als die conservative Partei nach Espartero's Vertreibung das Ruder ergriff, war eine ihrer ersten Sorgen, einem Zustande abzuhelfen, der in einem durchaus katholischen Laube, wie eS Spanien ist, zerrüttend auf alle Verhältnisse deS Staates und der Gesellschaft einwirken mußte. Man that Schritte gegen den päpstlichen Hof, um eine Annäherung herbeizuführen und sistirte zu diesem Zwecke den Verkauf deö-freilich verhältnißmäßig nur noch sehr geringen Nestes der Güter des weltlichen Clerus. Die letztere Maßregel erregte nicht nur den Unwillen der Progresflsten im hohen Grade, sondern beunruhigte auch nicht wenig die Inhaber ehemaliger Kirchengüter, welche besorgten, daß ihre Besitztitcl dem Be¬ dürfniß einer Aussöhnung' mit Nom geopfert werden konnten. Nach diesen Ein¬ leitungen gelang es dem Madrider Cabinet officivse Verbindungen mit dem Va¬ tican dnrch die Sendung des Herrn Castillo y Ahensa zu eröffnen und für die Heirath der Königin mit-ihrem Vetter den Dispens des Papstes zu erwirken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/278>, abgerufen am 22.12.2024.