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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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ohne Seemann von Fach zu sein, durch seine ausnehmende Thätigkeit einen neuen
Aufschwung der fast bis zur gänzlichen Vernichtung herabgesunkenen spanischen
Marine vorbereitete. Die Justiz verwaltete Arrazola, einer der eminentester Redner
des Congresses; das Portefeuille des Handels und Unterrichts führte Bravo
Murillo, ein Staatsmann von gleichfalls großem parlamentarischen Ruf, dessen
heutige Rolle damals noch Niemand ahnte; dem Ministerium des Kriegs stand
der General Figueras vor, bekannt durch seine erfolgreiche Vertheidigung Sevilla's
gegen Espartero. Der Herzog von Valencia fungirte als Präsident des Conseils
ohne specielles Portefeuille. Diese Zusammensetzung des Cabinets, in welchem die
bedeutendsten Kapacitäten der parlamentarischen Mehrheit um ein Haupt von
der Energie und Thatkraft des Narvaez sich reihten, verhieß der Regierung so
viel Aussicht auf Erfolg und Dauer, als die Umstände irgend bieten konnten.
So lange diese mächtige Verbindung zusammenhielt, schien es unmöglich, daß die
Intrigue des Palastes die Verwaltung stürzen oder die Mehrheit der Cortes ihr
entgehen konnte.

Der heftige Rückschlag, der in Frankreich dnrch die Jnniercignisse erfolgt
war, welche Cavaignac zur Gewalt brachten, und somit ein zwar streng republi¬
kanisches, aber festes und solides Gouvernement an die Stelle einer Negierung
von Idealisten und revolutionairen Wühlern setzten, kam dem Madrider Cabinet
sehr.zu Statten. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden um so be¬
friedigender, als Cavaignac mit der loyalsten Bereitwilligkeit die catalonisch-
französische Grenze gegen die Versuche bewachen ließ, den dortigen Insurgenten
Verstärkung an Officieren und Mannschaften oder Waffen und anderen Kriegs-
bedars vou Frankreich aus zuzuführen.

So gelangte man bis zum Zusammentritt der Cortes (December 4 8i8),
ohne daß ernstere Zwischenfälle den Gang der Regierung gestört hätten. Der
Stand der öffentlichen Geschäfte war bis ans den gerade um diese Zeit heftig in
Katalonien wüthenden Bandenkrieg und die noch immer fortdauernde Spannung
mit England ein günstiger zu nennen, wenn man bedenkt, wie verworren und
anarchisch die Anstünde damals in den meisten Staaten Süd- und Mitteleuropa's
aussahen.

Die Opposition hatte Stoff genug zu Augriffen, aber keine Aussicht, durch
irgend eine Motion, auf welchem Felde es immer sein mochte, die Majorität zu
spalten. Auf eine Rede Cortina's, welche das Ministerium, wegen des Bruches
mit England interpellirte, gab Narvaez, nachdem er eS abgelehnt hatte, in die
Details einer so delikaten Affaire einzugehen, folgende hochsinnige Antwort: "Ich
kann hiebei die Aeußerungen nicht ni'ergehn, die an einer andern-Stelle gemacht
sind" (durch Rüssel und Palmerston im englischen Parlament), "daß die Königin
Isabella ihren Thron der Mitwirkung irgend einer auswärtigen Macht verdanke,
und Letztever deshalb das Recht zustehe, in den inneren Angelegenheiten dieses


Grenzboten. III. 34

ohne Seemann von Fach zu sein, durch seine ausnehmende Thätigkeit einen neuen
Aufschwung der fast bis zur gänzlichen Vernichtung herabgesunkenen spanischen
Marine vorbereitete. Die Justiz verwaltete Arrazola, einer der eminentester Redner
des Congresses; das Portefeuille des Handels und Unterrichts führte Bravo
Murillo, ein Staatsmann von gleichfalls großem parlamentarischen Ruf, dessen
heutige Rolle damals noch Niemand ahnte; dem Ministerium des Kriegs stand
der General Figueras vor, bekannt durch seine erfolgreiche Vertheidigung Sevilla's
gegen Espartero. Der Herzog von Valencia fungirte als Präsident des Conseils
ohne specielles Portefeuille. Diese Zusammensetzung des Cabinets, in welchem die
bedeutendsten Kapacitäten der parlamentarischen Mehrheit um ein Haupt von
der Energie und Thatkraft des Narvaez sich reihten, verhieß der Regierung so
viel Aussicht auf Erfolg und Dauer, als die Umstände irgend bieten konnten.
So lange diese mächtige Verbindung zusammenhielt, schien es unmöglich, daß die
Intrigue des Palastes die Verwaltung stürzen oder die Mehrheit der Cortes ihr
entgehen konnte.

Der heftige Rückschlag, der in Frankreich dnrch die Jnniercignisse erfolgt
war, welche Cavaignac zur Gewalt brachten, und somit ein zwar streng republi¬
kanisches, aber festes und solides Gouvernement an die Stelle einer Negierung
von Idealisten und revolutionairen Wühlern setzten, kam dem Madrider Cabinet
sehr.zu Statten. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden um so be¬
friedigender, als Cavaignac mit der loyalsten Bereitwilligkeit die catalonisch-
französische Grenze gegen die Versuche bewachen ließ, den dortigen Insurgenten
Verstärkung an Officieren und Mannschaften oder Waffen und anderen Kriegs-
bedars vou Frankreich aus zuzuführen.

So gelangte man bis zum Zusammentritt der Cortes (December 4 8i8),
ohne daß ernstere Zwischenfälle den Gang der Regierung gestört hätten. Der
Stand der öffentlichen Geschäfte war bis ans den gerade um diese Zeit heftig in
Katalonien wüthenden Bandenkrieg und die noch immer fortdauernde Spannung
mit England ein günstiger zu nennen, wenn man bedenkt, wie verworren und
anarchisch die Anstünde damals in den meisten Staaten Süd- und Mitteleuropa's
aussahen.

Die Opposition hatte Stoff genug zu Augriffen, aber keine Aussicht, durch
irgend eine Motion, auf welchem Felde es immer sein mochte, die Majorität zu
spalten. Auf eine Rede Cortina's, welche das Ministerium, wegen des Bruches
mit England interpellirte, gab Narvaez, nachdem er eS abgelehnt hatte, in die
Details einer so delikaten Affaire einzugehen, folgende hochsinnige Antwort: „Ich
kann hiebei die Aeußerungen nicht ni'ergehn, die an einer andern-Stelle gemacht
sind" (durch Rüssel und Palmerston im englischen Parlament), „daß die Königin
Isabella ihren Thron der Mitwirkung irgend einer auswärtigen Macht verdanke,
und Letztever deshalb das Recht zustehe, in den inneren Angelegenheiten dieses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/277>, abgerufen am 22.12.2024.