Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kleinhandel seinen Sitz aufgeschlagen hat, nach d?in Stcinthor und dann durch
Se. ,Party uach dem Hafen schlendert. Wochenlang kann man in Berlin in
allen Stadttheilen nmherrvandeln und wird nicht so viel mannichfaltige Volksbilder
wie auf diesem einzigen Gange erblicken. Es ist in Berlin Alles viel regelmäßiger,
einförmiger, nach der Schnur abgemessen. Schon die vielen Cvnstal'ter, die an
den Straßenecken umherstehen, verhindern jeglichen zu lebhaften Ausbruch der
Lust wie des Zornes unter dem Volke, denn wie > nur ein erzürntes Paar in
lebhaftem Zank ans der Gasse stehen bleibt, tritt gewiß ein Constabler als Friedens¬
stifter dazwischen. Sonst freilich haben dieselben für einen Fremden manches An¬
genehme, denn sie sind angewiesen, jedem Fragenden über Straßen, Hansnum¬
mern u. s. w. bereitwillige Auskunft zu ertheilen, und erfüllen diese Pflicht mit
großer Höflichkeit und Umsicht. Ueberhaupt hat ein Fremder es in Berlin viel
leichter sich zu orientiren wie in Hamburg, wo Straßenbezcichnnng, Hansnummern
und des Abends die Beleuchtung in den älteren Stadttheilen sehr Vieles zu wün¬
schen übrig lassen. Auch erhält der Fragende in Berlin von den unteren Ständen
höflichere und gewandtere Auskunft wie dort, wo man oft etwas plump, ja selbst
unhöflich antwortet, besonders wen" der Fragende nicht der allgemein üblichen
Plattdeutschen Mundart vollkommen mächtig ist.

Was das Straßenleben in Hamburg uoch viel buntartiger macht, sind die
verschiedenen Nationalitäten. Der Welthandel und die lebhafte Schiffahrt nach
oller Theilen der Erde, führt hier Söhne der verschiedensten Zonen zusammen,
und der laskonische Matrose von einem Ostindienfahrer geht neben dem norwegischen
Stocksischhändler, der Mulatte neben dem stolzen Sohne Albions, der Spanier
ueben dem Holländer. ' In Berlin trifft man diese Mannichfaltigkeit nicht, die
Fremden gehören der vornehmen Welt an, und sehen sich dann einander so gleich,
wie ein El dem andern. Der türkische Gesandte "Fürst Caradja" der in seinem
rothen Fez jeden Mittag uuter den Linden umherspaziert, ist fast die einzige auf¬
fallende Straßenfigur. Fast der dritte Mann trägt entweder eine Uniform oder
doch eine Mütze mit einem rothen Streif oder einem Ofstcier-Paletot. Sonst
freilich ist das Leben unter "den Linden" in Berlin viel vornehmer und glän¬
zender wie aus dem "Jungfernstieg" in Hamburg. Man sieht weit mehr elegante
Equipagen, und den Glanz einer königlichen Residenz, obgleich Berlin weit hinter
Wien zurücksteht. Der preußische Adel ist selten reich genng, um großen Glanz
entfalten zu können, und die Gehalte der ersten Beamten sind nie überreich do-
tirt. Außer den Equipagen des königlichen Hauses, wird man in Berlin äußerst
selten einen recht eleganten Vierspänner sehen, wie man sie in Wien zu Dutzen¬
den, in Hamburg aber gar nicht bemerkt. Eine Menge edle Reitpferde, die
größtentheils von guten, ja selbst oft trefflichen Reitern geritten werden, zu denen
die hier liegenden Garde-Regimenter ein großes Contingent stellen, findet man
dagegen in Berlin, während sie in Hamburg ebenfalls zu den Seltenheiten ge-


Grenzboten. III. -I8ö2. 33

Kleinhandel seinen Sitz aufgeschlagen hat, nach d?in Stcinthor und dann durch
Se. ,Party uach dem Hafen schlendert. Wochenlang kann man in Berlin in
allen Stadttheilen nmherrvandeln und wird nicht so viel mannichfaltige Volksbilder
wie auf diesem einzigen Gange erblicken. Es ist in Berlin Alles viel regelmäßiger,
einförmiger, nach der Schnur abgemessen. Schon die vielen Cvnstal'ter, die an
den Straßenecken umherstehen, verhindern jeglichen zu lebhaften Ausbruch der
Lust wie des Zornes unter dem Volke, denn wie > nur ein erzürntes Paar in
lebhaftem Zank ans der Gasse stehen bleibt, tritt gewiß ein Constabler als Friedens¬
stifter dazwischen. Sonst freilich haben dieselben für einen Fremden manches An¬
genehme, denn sie sind angewiesen, jedem Fragenden über Straßen, Hansnum¬
mern u. s. w. bereitwillige Auskunft zu ertheilen, und erfüllen diese Pflicht mit
großer Höflichkeit und Umsicht. Ueberhaupt hat ein Fremder es in Berlin viel
leichter sich zu orientiren wie in Hamburg, wo Straßenbezcichnnng, Hansnummern
und des Abends die Beleuchtung in den älteren Stadttheilen sehr Vieles zu wün¬
schen übrig lassen. Auch erhält der Fragende in Berlin von den unteren Ständen
höflichere und gewandtere Auskunft wie dort, wo man oft etwas plump, ja selbst
unhöflich antwortet, besonders wen» der Fragende nicht der allgemein üblichen
Plattdeutschen Mundart vollkommen mächtig ist.

Was das Straßenleben in Hamburg uoch viel buntartiger macht, sind die
verschiedenen Nationalitäten. Der Welthandel und die lebhafte Schiffahrt nach
oller Theilen der Erde, führt hier Söhne der verschiedensten Zonen zusammen,
und der laskonische Matrose von einem Ostindienfahrer geht neben dem norwegischen
Stocksischhändler, der Mulatte neben dem stolzen Sohne Albions, der Spanier
ueben dem Holländer. ' In Berlin trifft man diese Mannichfaltigkeit nicht, die
Fremden gehören der vornehmen Welt an, und sehen sich dann einander so gleich,
wie ein El dem andern. Der türkische Gesandte „Fürst Caradja" der in seinem
rothen Fez jeden Mittag uuter den Linden umherspaziert, ist fast die einzige auf¬
fallende Straßenfigur. Fast der dritte Mann trägt entweder eine Uniform oder
doch eine Mütze mit einem rothen Streif oder einem Ofstcier-Paletot. Sonst
freilich ist das Leben unter „den Linden" in Berlin viel vornehmer und glän¬
zender wie aus dem „Jungfernstieg" in Hamburg. Man sieht weit mehr elegante
Equipagen, und den Glanz einer königlichen Residenz, obgleich Berlin weit hinter
Wien zurücksteht. Der preußische Adel ist selten reich genng, um großen Glanz
entfalten zu können, und die Gehalte der ersten Beamten sind nie überreich do-
tirt. Außer den Equipagen des königlichen Hauses, wird man in Berlin äußerst
selten einen recht eleganten Vierspänner sehen, wie man sie in Wien zu Dutzen¬
den, in Hamburg aber gar nicht bemerkt. Eine Menge edle Reitpferde, die
größtentheils von guten, ja selbst oft trefflichen Reitern geritten werden, zu denen
die hier liegenden Garde-Regimenter ein großes Contingent stellen, findet man
dagegen in Berlin, während sie in Hamburg ebenfalls zu den Seltenheiten ge-


Grenzboten. III. -I8ö2. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94710"/>
          <p xml:id="ID_845" prev="#ID_844"> Kleinhandel seinen Sitz aufgeschlagen hat, nach d?in Stcinthor und dann durch<lb/>
Se. ,Party uach dem Hafen schlendert. Wochenlang kann man in Berlin in<lb/>
allen Stadttheilen nmherrvandeln und wird nicht so viel mannichfaltige Volksbilder<lb/>
wie auf diesem einzigen Gange erblicken. Es ist in Berlin Alles viel regelmäßiger,<lb/>
einförmiger, nach der Schnur abgemessen. Schon die vielen Cvnstal'ter, die an<lb/>
den Straßenecken umherstehen, verhindern jeglichen zu lebhaften Ausbruch der<lb/>
Lust wie des Zornes unter dem Volke, denn wie &gt; nur ein erzürntes Paar in<lb/>
lebhaftem Zank ans der Gasse stehen bleibt, tritt gewiß ein Constabler als Friedens¬<lb/>
stifter dazwischen. Sonst freilich haben dieselben für einen Fremden manches An¬<lb/>
genehme, denn sie sind angewiesen, jedem Fragenden über Straßen, Hansnum¬<lb/>
mern u. s. w. bereitwillige Auskunft zu ertheilen, und erfüllen diese Pflicht mit<lb/>
großer Höflichkeit und Umsicht. Ueberhaupt hat ein Fremder es in Berlin viel<lb/>
leichter sich zu orientiren wie in Hamburg, wo Straßenbezcichnnng, Hansnummern<lb/>
und des Abends die Beleuchtung in den älteren Stadttheilen sehr Vieles zu wün¬<lb/>
schen übrig lassen. Auch erhält der Fragende in Berlin von den unteren Ständen<lb/>
höflichere und gewandtere Auskunft wie dort, wo man oft etwas plump, ja selbst<lb/>
unhöflich antwortet, besonders wen» der Fragende nicht der allgemein üblichen<lb/>
Plattdeutschen Mundart vollkommen mächtig ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_846" next="#ID_847"> Was das Straßenleben in Hamburg uoch viel buntartiger macht, sind die<lb/>
verschiedenen Nationalitäten. Der Welthandel und die lebhafte Schiffahrt nach<lb/>
oller Theilen der Erde, führt hier Söhne der verschiedensten Zonen zusammen,<lb/>
und der laskonische Matrose von einem Ostindienfahrer geht neben dem norwegischen<lb/>
Stocksischhändler, der Mulatte neben dem stolzen Sohne Albions, der Spanier<lb/>
ueben dem Holländer. ' In Berlin trifft man diese Mannichfaltigkeit nicht, die<lb/>
Fremden gehören der vornehmen Welt an, und sehen sich dann einander so gleich,<lb/>
wie ein El dem andern. Der türkische Gesandte &#x201E;Fürst Caradja" der in seinem<lb/>
rothen Fez jeden Mittag uuter den Linden umherspaziert, ist fast die einzige auf¬<lb/>
fallende Straßenfigur. Fast der dritte Mann trägt entweder eine Uniform oder<lb/>
doch eine Mütze mit einem rothen Streif oder einem Ofstcier-Paletot. Sonst<lb/>
freilich ist das Leben unter &#x201E;den Linden" in Berlin viel vornehmer und glän¬<lb/>
zender wie aus dem &#x201E;Jungfernstieg" in Hamburg. Man sieht weit mehr elegante<lb/>
Equipagen, und den Glanz einer königlichen Residenz, obgleich Berlin weit hinter<lb/>
Wien zurücksteht. Der preußische Adel ist selten reich genng, um großen Glanz<lb/>
entfalten zu können, und die Gehalte der ersten Beamten sind nie überreich do-<lb/>
tirt. Außer den Equipagen des königlichen Hauses, wird man in Berlin äußerst<lb/>
selten einen recht eleganten Vierspänner sehen, wie man sie in Wien zu Dutzen¬<lb/>
den, in Hamburg aber gar nicht bemerkt. Eine Menge edle Reitpferde, die<lb/>
größtentheils von guten, ja selbst oft trefflichen Reitern geritten werden, zu denen<lb/>
die hier liegenden Garde-Regimenter ein großes Contingent stellen, findet man<lb/>
dagegen in Berlin, während sie in Hamburg ebenfalls zu den Seltenheiten ge-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. -I8ö2. 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] Kleinhandel seinen Sitz aufgeschlagen hat, nach d?in Stcinthor und dann durch Se. ,Party uach dem Hafen schlendert. Wochenlang kann man in Berlin in allen Stadttheilen nmherrvandeln und wird nicht so viel mannichfaltige Volksbilder wie auf diesem einzigen Gange erblicken. Es ist in Berlin Alles viel regelmäßiger, einförmiger, nach der Schnur abgemessen. Schon die vielen Cvnstal'ter, die an den Straßenecken umherstehen, verhindern jeglichen zu lebhaften Ausbruch der Lust wie des Zornes unter dem Volke, denn wie > nur ein erzürntes Paar in lebhaftem Zank ans der Gasse stehen bleibt, tritt gewiß ein Constabler als Friedens¬ stifter dazwischen. Sonst freilich haben dieselben für einen Fremden manches An¬ genehme, denn sie sind angewiesen, jedem Fragenden über Straßen, Hansnum¬ mern u. s. w. bereitwillige Auskunft zu ertheilen, und erfüllen diese Pflicht mit großer Höflichkeit und Umsicht. Ueberhaupt hat ein Fremder es in Berlin viel leichter sich zu orientiren wie in Hamburg, wo Straßenbezcichnnng, Hansnummern und des Abends die Beleuchtung in den älteren Stadttheilen sehr Vieles zu wün¬ schen übrig lassen. Auch erhält der Fragende in Berlin von den unteren Ständen höflichere und gewandtere Auskunft wie dort, wo man oft etwas plump, ja selbst unhöflich antwortet, besonders wen» der Fragende nicht der allgemein üblichen Plattdeutschen Mundart vollkommen mächtig ist. Was das Straßenleben in Hamburg uoch viel buntartiger macht, sind die verschiedenen Nationalitäten. Der Welthandel und die lebhafte Schiffahrt nach oller Theilen der Erde, führt hier Söhne der verschiedensten Zonen zusammen, und der laskonische Matrose von einem Ostindienfahrer geht neben dem norwegischen Stocksischhändler, der Mulatte neben dem stolzen Sohne Albions, der Spanier ueben dem Holländer. ' In Berlin trifft man diese Mannichfaltigkeit nicht, die Fremden gehören der vornehmen Welt an, und sehen sich dann einander so gleich, wie ein El dem andern. Der türkische Gesandte „Fürst Caradja" der in seinem rothen Fez jeden Mittag uuter den Linden umherspaziert, ist fast die einzige auf¬ fallende Straßenfigur. Fast der dritte Mann trägt entweder eine Uniform oder doch eine Mütze mit einem rothen Streif oder einem Ofstcier-Paletot. Sonst freilich ist das Leben unter „den Linden" in Berlin viel vornehmer und glän¬ zender wie aus dem „Jungfernstieg" in Hamburg. Man sieht weit mehr elegante Equipagen, und den Glanz einer königlichen Residenz, obgleich Berlin weit hinter Wien zurücksteht. Der preußische Adel ist selten reich genng, um großen Glanz entfalten zu können, und die Gehalte der ersten Beamten sind nie überreich do- tirt. Außer den Equipagen des königlichen Hauses, wird man in Berlin äußerst selten einen recht eleganten Vierspänner sehen, wie man sie in Wien zu Dutzen¬ den, in Hamburg aber gar nicht bemerkt. Eine Menge edle Reitpferde, die größtentheils von guten, ja selbst oft trefflichen Reitern geritten werden, zu denen die hier liegenden Garde-Regimenter ein großes Contingent stellen, findet man dagegen in Berlin, während sie in Hamburg ebenfalls zu den Seltenheiten ge- Grenzboten. III. -I8ö2. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/269>, abgerufen am 22.12.2024.