Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.trnmmerung dieser Welt auf die Souverainetät des sittlichen Ideals eine neue trnmmerung dieser Welt auf die Souverainetät des sittlichen Ideals eine neue <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94698"/> <p xml:id="ID_815" prev="#ID_814" next="#ID_816"> trnmmerung dieser Welt auf die Souverainetät des sittlichen Ideals eine neue<lb/> reiche Welt aufzubauen getrachtet. Sie, hielten mit gleicher Strenge Gott und<lb/> dem Menschen die Nothwendigkeit einer bessern Welt im Himmel oder aus Erden<lb/> entgegen. In der Poesie.konnten diese Rechtsansprüche nur im Einzelnen und<lb/> daher, wenn auch mit lauterem Ton, doch wesentlich in einer bescheidenem Hal¬<lb/> tung ausgeführt worden. Was wollte die Kühnheit, mit der sich Faust, Werther,<lb/> Karl Moor u. s. w. der bestehenden Weltordnung gegenüberstellten, gegen die<lb/> triumphirende Siegesgewißheit sagen, mit der Fichte in seiner „Bestimmung des<lb/> Menschen" dem lieben Gott das Reich des Ideals octrouirtc! Die Dichtung<lb/> mußte endlich zur Resignation kommen. In der ersten Ausgabe seiner „Götter<lb/> Griechenlands" nahm sich Schiller der verloren gegangenen Schönheit mit einer<lb/> gewissen Leidenschaft an. Seine sehnsüchtige Liebe zum Alterthum war zugleich<lb/> ein Haß gegen die christliche Barbarei. In der zweiten Ausgabe kommt er zu dem<lb/> Resultat, daß, was unsterblich im Gesang leben solle, im Leben untergehen<lb/> müsse. Diese Idee zieht sich wie ein rother Faden durch seine gestimmte Poesie.<lb/> Die idealen Gestalten, sein Posa, Max und Theela, die Jungfrau u. f. w. sind<lb/> das nothwendige Opfer des Lebens. Daß in diesem von den Bedingungen der<lb/> Welt, geschiedenen Idealismus eine gewisse Schuld liegt, hat er z. B. in seinen<lb/> Briefen über Don Carlos mehr instinktmäßig herausgefühlt, als wirklich dargestellt.<lb/> Ganz dasselbe Verhältniß findet bei Goethe' statt. Götz, Egmont, Leonore,<lb/> Migno», Ottilie u. s. w. gehen unter, weil sie zu gut für diese Welt sind, und<lb/> wenn der Untergang nicht wirklich stattfindet, so wird er durch eine schmerzliche<lb/> Resignation ersetzt, wie das Lebewohl der Iphigenie. Das schmerzliche Bewichtsein<lb/> dieser allgemeinen Resignation führte zu der Vorstellung, die ideale Welt im Ge¬<lb/> biet der Kunst als eine vollkommen vom Leben geschiedene für sich darzustellen;<lb/> eine Idee, die dnrch die forcirte Genialität des Weimarer Treibens verstärkt,<lb/> und durch die romantische Schule mit aller Breite und Verbissenheit einer ein¬<lb/> seitigen Doctrin in kritischen und poetischen Werken ausgeführt wurde. Wir<lb/> wissen sehr wohl, daß in dieser Periode unsrer Dichtung anch die Versuche einer<lb/> entgegengesetzten Tendenz nicht fehlten, wie z. B. in „Hermann und Dorothee";<lb/> es kommt uns aber hier nur auf die Hauptnchtuug an, und diese war ganz ent¬<lb/> schieden, der Glaube, daß das Schöne nicht wirklich sei, und daß daher die<lb/> Kunst die Aufgabe habe, es aus eigener Kraft hervorzubringen, wieder nicht<lb/> sür die Wirklichkeit, sondern lediglich für sich selbst. Mit dieser Trennung vom<lb/> wirklichen Leben l'äugt die Gleichgültigkeit, ja selbst die Abneigung gegen die<lb/> bestimmte Nationalität und deren sittliche Voraussetzungen zusammen; jenes Traum¬<lb/> leben unter den Göttern Griechenlands, jene Erneuerung der antiken Formen,<lb/> Z. B. auch in der Baukunst unter ganz ungünstigen und widersprechenden Ver¬<lb/> hältnissen, weil man es für unanständig hielt, zu bauen, um zweckmäßig zu woh¬<lb/> nen, und es vielmehr für die Ausgabe der Bankunst betrachtete, eben so wie für</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
trnmmerung dieser Welt auf die Souverainetät des sittlichen Ideals eine neue
reiche Welt aufzubauen getrachtet. Sie, hielten mit gleicher Strenge Gott und
dem Menschen die Nothwendigkeit einer bessern Welt im Himmel oder aus Erden
entgegen. In der Poesie.konnten diese Rechtsansprüche nur im Einzelnen und
daher, wenn auch mit lauterem Ton, doch wesentlich in einer bescheidenem Hal¬
tung ausgeführt worden. Was wollte die Kühnheit, mit der sich Faust, Werther,
Karl Moor u. s. w. der bestehenden Weltordnung gegenüberstellten, gegen die
triumphirende Siegesgewißheit sagen, mit der Fichte in seiner „Bestimmung des
Menschen" dem lieben Gott das Reich des Ideals octrouirtc! Die Dichtung
mußte endlich zur Resignation kommen. In der ersten Ausgabe seiner „Götter
Griechenlands" nahm sich Schiller der verloren gegangenen Schönheit mit einer
gewissen Leidenschaft an. Seine sehnsüchtige Liebe zum Alterthum war zugleich
ein Haß gegen die christliche Barbarei. In der zweiten Ausgabe kommt er zu dem
Resultat, daß, was unsterblich im Gesang leben solle, im Leben untergehen
müsse. Diese Idee zieht sich wie ein rother Faden durch seine gestimmte Poesie.
Die idealen Gestalten, sein Posa, Max und Theela, die Jungfrau u. f. w. sind
das nothwendige Opfer des Lebens. Daß in diesem von den Bedingungen der
Welt, geschiedenen Idealismus eine gewisse Schuld liegt, hat er z. B. in seinen
Briefen über Don Carlos mehr instinktmäßig herausgefühlt, als wirklich dargestellt.
Ganz dasselbe Verhältniß findet bei Goethe' statt. Götz, Egmont, Leonore,
Migno», Ottilie u. s. w. gehen unter, weil sie zu gut für diese Welt sind, und
wenn der Untergang nicht wirklich stattfindet, so wird er durch eine schmerzliche
Resignation ersetzt, wie das Lebewohl der Iphigenie. Das schmerzliche Bewichtsein
dieser allgemeinen Resignation führte zu der Vorstellung, die ideale Welt im Ge¬
biet der Kunst als eine vollkommen vom Leben geschiedene für sich darzustellen;
eine Idee, die dnrch die forcirte Genialität des Weimarer Treibens verstärkt,
und durch die romantische Schule mit aller Breite und Verbissenheit einer ein¬
seitigen Doctrin in kritischen und poetischen Werken ausgeführt wurde. Wir
wissen sehr wohl, daß in dieser Periode unsrer Dichtung anch die Versuche einer
entgegengesetzten Tendenz nicht fehlten, wie z. B. in „Hermann und Dorothee";
es kommt uns aber hier nur auf die Hauptnchtuug an, und diese war ganz ent¬
schieden, der Glaube, daß das Schöne nicht wirklich sei, und daß daher die
Kunst die Aufgabe habe, es aus eigener Kraft hervorzubringen, wieder nicht
sür die Wirklichkeit, sondern lediglich für sich selbst. Mit dieser Trennung vom
wirklichen Leben l'äugt die Gleichgültigkeit, ja selbst die Abneigung gegen die
bestimmte Nationalität und deren sittliche Voraussetzungen zusammen; jenes Traum¬
leben unter den Göttern Griechenlands, jene Erneuerung der antiken Formen,
Z. B. auch in der Baukunst unter ganz ungünstigen und widersprechenden Ver¬
hältnissen, weil man es für unanständig hielt, zu bauen, um zweckmäßig zu woh¬
nen, und es vielmehr für die Ausgabe der Bankunst betrachtete, eben so wie für
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |