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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Zeiten der spanischen Jnsurrection spielt, und Mina und' die übrigen Freiheitshelden
als die gräßlichsten Räuber und Mörder darstellt, gehört ganz in das Genre der Ains-
worth'schen Romane (zu welchem mir auch u. A. Whitefriars, Cäsar Borgia, die Ge¬
heimnisse der Quäkerstadt u. s. w. zählen) und der Mysterien von E> Sue: jede zweite
Seite wenigstens ein Mord, Giftmischerei, Nothzucht u. s. w., wobei die Ermordeten
nach einigen Seiten wieder lebendig werden, und die Geschändeten in der reinsten Keusch¬
heit dastehn. Geheime Gänge, unterirdische Orgien, verborgene Thüren, Verwechselung
der Väter u. s. w. fehlen natürlich nicht. -- Mehr in das Genre von Souliv gehört
der Roman von, Emmanuel Gonzales: le venZeur 6u Mörl. Er spielt zur Zeit
der deutschen Erhebung, und giebt von den Göttinger Burschenschafter ein höchst ab¬
schreckendes Bild. Der Held, Jacques Ferral, ist ein ehrlicher und in seiner Art nobler
und heroischer Schmiedemeister, dessen Frau durch eines jener egoistischen Genies
(diesmal einen Bildhauer) verführt wird, deren Hohlheit aufzudecken die neufran-
zösischen Schriftsteller nicht müde werden. Einzelne Scenen sind gut ausgeführt. --
Ein weit größeres Lob aber verdient der erste Theil einer Reihe' von Lebensbildern
(Kvsiil.es numsines) von August Tavernier: Regnier (Brüssel, bei Kießling u. Co.,
wo auch die neulich angeführte Schrift von Lamartine über die Jungfrau von Orleans
erschienen ist). Der Roman, der nur den Anfang einer weiter auszuführenden Geschichte
enthält, aber zugleich auch ein selbstständiges Ganze bildet, behandelt das Verhältniß
zwischen einem jungen, armen Dichter, und einer vornehmen, etwas älteren Dame, die
ihn zuerst protegirt, bis sich eine gewaltige Leidenschaft daraus entwickelt. Der Grund¬
gedanke ist in dem Motto ausgedrückt: ^.u loua ac toute vnose, l'nomino trouvv I"
reslitv, v'est s aire I'amertuine et la sonssrsnoo. Die einzelnen Züge dieser Leiden¬
schaft bis zu ihrem unglücklichen Ausgang sind mit großer Feinheit ausgewählt, und
zeigen Wärme und Tiefe des Gefühls. Der Verfasser würde indeß wohl daran thun,
wenn er das Raisonnement mit dem er zuweilen die Erzählung unterbricht, und das
immer geistvoll ist, so in die dargestellte Begebenheit verwebte, daß es nur durchschimmerte.
Bei der Scheidung der Reflexionen von den Thatsachen, aus die sie sich beziehen, läßt sich
eine gewisse Paradoxie schwer vermeiden, die sich auch in der folgenden Stelle findet,
obgleich wir die ernste Wahrheit derselben nicht verkennen: Leux qui s'simeile ont un
dut, o'ost ac ne plus s'siner: it ^ s IÄ un xlienoinvne ps^vlwlogiyuo inevilMe.
Ils oourent "prvs ce but, comme 6es insvnsvs; ils ^ msrolient nbstinvmvnl, istn-
lement, SMS to peräre ac vue; ils s'vn nxproenent, ils s'en eloixnent, ils ^ re-
viennent psr clef äelours^ Miros, kssoines par un cui>rav invinoiblo. Ils tournenl
autour cle vo but; ils lo. vötoient, ils I'eMeurent, I'glleiZnent enim et s'en empgront
ä'une enfin olisnäe et solle: ve dut, o'est la sstisksetion; Is satislaolion, v'est I"
lin 6" 1'smour. -- Daß unter solchen Umständen die Geschichte sich in den bedenk¬
lichsten Sphären bewegt, ist zu erwarten; um so mehr ist der Verfasser feines Maßes
wegen zu loben. -- . ,




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Gruuow. -- Verlag von F. L. Hcvbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Albert in Leipzig.

Zeiten der spanischen Jnsurrection spielt, und Mina und' die übrigen Freiheitshelden
als die gräßlichsten Räuber und Mörder darstellt, gehört ganz in das Genre der Ains-
worth'schen Romane (zu welchem mir auch u. A. Whitefriars, Cäsar Borgia, die Ge¬
heimnisse der Quäkerstadt u. s. w. zählen) und der Mysterien von E> Sue: jede zweite
Seite wenigstens ein Mord, Giftmischerei, Nothzucht u. s. w., wobei die Ermordeten
nach einigen Seiten wieder lebendig werden, und die Geschändeten in der reinsten Keusch¬
heit dastehn. Geheime Gänge, unterirdische Orgien, verborgene Thüren, Verwechselung
der Väter u. s. w. fehlen natürlich nicht. — Mehr in das Genre von Souliv gehört
der Roman von, Emmanuel Gonzales: le venZeur 6u Mörl. Er spielt zur Zeit
der deutschen Erhebung, und giebt von den Göttinger Burschenschafter ein höchst ab¬
schreckendes Bild. Der Held, Jacques Ferral, ist ein ehrlicher und in seiner Art nobler
und heroischer Schmiedemeister, dessen Frau durch eines jener egoistischen Genies
(diesmal einen Bildhauer) verführt wird, deren Hohlheit aufzudecken die neufran-
zösischen Schriftsteller nicht müde werden. Einzelne Scenen sind gut ausgeführt. —
Ein weit größeres Lob aber verdient der erste Theil einer Reihe' von Lebensbildern
(Kvsiil.es numsines) von August Tavernier: Regnier (Brüssel, bei Kießling u. Co.,
wo auch die neulich angeführte Schrift von Lamartine über die Jungfrau von Orleans
erschienen ist). Der Roman, der nur den Anfang einer weiter auszuführenden Geschichte
enthält, aber zugleich auch ein selbstständiges Ganze bildet, behandelt das Verhältniß
zwischen einem jungen, armen Dichter, und einer vornehmen, etwas älteren Dame, die
ihn zuerst protegirt, bis sich eine gewaltige Leidenschaft daraus entwickelt. Der Grund¬
gedanke ist in dem Motto ausgedrückt: ^.u loua ac toute vnose, l'nomino trouvv I«
reslitv, v'est s aire I'amertuine et la sonssrsnoo. Die einzelnen Züge dieser Leiden¬
schaft bis zu ihrem unglücklichen Ausgang sind mit großer Feinheit ausgewählt, und
zeigen Wärme und Tiefe des Gefühls. Der Verfasser würde indeß wohl daran thun,
wenn er das Raisonnement mit dem er zuweilen die Erzählung unterbricht, und das
immer geistvoll ist, so in die dargestellte Begebenheit verwebte, daß es nur durchschimmerte.
Bei der Scheidung der Reflexionen von den Thatsachen, aus die sie sich beziehen, läßt sich
eine gewisse Paradoxie schwer vermeiden, die sich auch in der folgenden Stelle findet,
obgleich wir die ernste Wahrheit derselben nicht verkennen: Leux qui s'simeile ont un
dut, o'ost ac ne plus s'siner: it ^ s IÄ un xlienoinvne ps^vlwlogiyuo inevilMe.
Ils oourent »prvs ce but, comme 6es insvnsvs; ils ^ msrolient nbstinvmvnl, istn-
lement, SMS to peräre ac vue; ils s'vn nxproenent, ils s'en eloixnent, ils ^ re-
viennent psr clef äelours^ Miros, kssoines par un cui>rav invinoiblo. Ils tournenl
autour cle vo but; ils lo. vötoient, ils I'eMeurent, I'glleiZnent enim et s'en empgront
ä'une enfin olisnäe et solle: ve dut, o'est la sstisksetion; Is satislaolion, v'est I»
lin 6« 1'smour. — Daß unter solchen Umständen die Geschichte sich in den bedenk¬
lichsten Sphären bewegt, ist zu erwarten; um so mehr ist der Verfasser feines Maßes
wegen zu loben. — . ,




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Gruuow. — Verlag von F. L. Hcvbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Albert in Leipzig.
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[0252] Zeiten der spanischen Jnsurrection spielt, und Mina und' die übrigen Freiheitshelden als die gräßlichsten Räuber und Mörder darstellt, gehört ganz in das Genre der Ains- worth'schen Romane (zu welchem mir auch u. A. Whitefriars, Cäsar Borgia, die Ge¬ heimnisse der Quäkerstadt u. s. w. zählen) und der Mysterien von E> Sue: jede zweite Seite wenigstens ein Mord, Giftmischerei, Nothzucht u. s. w., wobei die Ermordeten nach einigen Seiten wieder lebendig werden, und die Geschändeten in der reinsten Keusch¬ heit dastehn. Geheime Gänge, unterirdische Orgien, verborgene Thüren, Verwechselung der Väter u. s. w. fehlen natürlich nicht. — Mehr in das Genre von Souliv gehört der Roman von, Emmanuel Gonzales: le venZeur 6u Mörl. Er spielt zur Zeit der deutschen Erhebung, und giebt von den Göttinger Burschenschafter ein höchst ab¬ schreckendes Bild. Der Held, Jacques Ferral, ist ein ehrlicher und in seiner Art nobler und heroischer Schmiedemeister, dessen Frau durch eines jener egoistischen Genies (diesmal einen Bildhauer) verführt wird, deren Hohlheit aufzudecken die neufran- zösischen Schriftsteller nicht müde werden. Einzelne Scenen sind gut ausgeführt. — Ein weit größeres Lob aber verdient der erste Theil einer Reihe' von Lebensbildern (Kvsiil.es numsines) von August Tavernier: Regnier (Brüssel, bei Kießling u. Co., wo auch die neulich angeführte Schrift von Lamartine über die Jungfrau von Orleans erschienen ist). Der Roman, der nur den Anfang einer weiter auszuführenden Geschichte enthält, aber zugleich auch ein selbstständiges Ganze bildet, behandelt das Verhältniß zwischen einem jungen, armen Dichter, und einer vornehmen, etwas älteren Dame, die ihn zuerst protegirt, bis sich eine gewaltige Leidenschaft daraus entwickelt. Der Grund¬ gedanke ist in dem Motto ausgedrückt: ^.u loua ac toute vnose, l'nomino trouvv I« reslitv, v'est s aire I'amertuine et la sonssrsnoo. Die einzelnen Züge dieser Leiden¬ schaft bis zu ihrem unglücklichen Ausgang sind mit großer Feinheit ausgewählt, und zeigen Wärme und Tiefe des Gefühls. Der Verfasser würde indeß wohl daran thun, wenn er das Raisonnement mit dem er zuweilen die Erzählung unterbricht, und das immer geistvoll ist, so in die dargestellte Begebenheit verwebte, daß es nur durchschimmerte. Bei der Scheidung der Reflexionen von den Thatsachen, aus die sie sich beziehen, läßt sich eine gewisse Paradoxie schwer vermeiden, die sich auch in der folgenden Stelle findet, obgleich wir die ernste Wahrheit derselben nicht verkennen: Leux qui s'simeile ont un dut, o'ost ac ne plus s'siner: it ^ s IÄ un xlienoinvne ps^vlwlogiyuo inevilMe. Ils oourent »prvs ce but, comme 6es insvnsvs; ils ^ msrolient nbstinvmvnl, istn- lement, SMS to peräre ac vue; ils s'vn nxproenent, ils s'en eloixnent, ils ^ re- viennent psr clef äelours^ Miros, kssoines par un cui>rav invinoiblo. Ils tournenl autour cle vo but; ils lo. vötoient, ils I'eMeurent, I'glleiZnent enim et s'en empgront ä'une enfin olisnäe et solle: ve dut, o'est la sstisksetion; Is satislaolion, v'est I» lin 6« 1'smour. — Daß unter solchen Umständen die Geschichte sich in den bedenk¬ lichsten Sphären bewegt, ist zu erwarten; um so mehr ist der Verfasser feines Maßes wegen zu loben. — . , Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Gruuow. — Verlag von F. L. Hcvbig in Leipzig. Druck von C. E. Albert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/252>, abgerufen am 22.12.2024.