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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Die Lage des Bergmanns ist noch immer eine günstige, allein sie war es
früher weit mehr. Mit dem dreißigsten Jahre ungefähr ist der Lohn' des Berg¬
manns jetzt so weit gestiegen, daß er sich verheirathet; früher war er mit dem
zweiundzwanzigsten Jahre so weit gediehen, was indessen nicht hinderte, daß er
auch damals wol schon ein paar Kinder mit in die Ehe hineinnahm. An die
Bergleute wurde früher dreimal so viel Bier verkauft, als, jetzt. Damals wurden
von den lockeren Zeisigen unter den Bergleuten, bei einem Glase Bier, Häuser
verkauft und gekauft; denn wer dreißig Thaler aufweisen konnte, dem schoß der
Staat so viel vor, bis die Summe voll war für die er sich ein hölzernes Hans
kaufen konnte, was wenigstens den Vortheil gehabt hat, daß eine große Anzahl
von Bergmansfamilien in den Besitz von Häusern kam, die noch jetzt in ihnen
forterben. So lange die Lage des gewöhnlichen Bergmanns eine so vortheilhafte
war, war die der Beamten eine glänzende. Beides 'hing eng zusammen, denn
oft konnte der Unterschleif, der stufenweise von oben herab gemacht wurde durch
den, Schichtmeister selbst vor dem gewöhnlichen Bergarbeiter kaum verborgen
werden, was diesem Ansprüche gab, an deren Befriedigung später nicht mehr gedacht
wurde. Die westphälische Regierung, unter der in schmachvollen Zeiten auch der
Oberharz stand, erkannte sehr richtig, wie wichtig es sei, eine so förmlich organi-
sirte und mit dem Staate so innig zusammenhängende Bevölkerung wie die hie¬
sige für sich zu gewinnen. Während sie daher den Bauern im platten Lande ge¬
rade durch Reformen gewann, vermied sie dieselben hier, abgesehen davon, daß
der König von Westphalen eine Reise Hieher unternahm, an welche sich noch
jetzt in einer Grube, in die, er einfuhr und in der er tafelte, ein Stuhl auf dem
er gesessen, als widerwärtiges Denkmal findet. Erst nach der westphälischen Zeit
nahm die hannöversche Regierung die'nöthigen Reformen vor, indem sie den
Beamten deu Unterschleif unmöglich machte. Seit dieser Zeit war aber leider
auch der Glanz des Harzes vorüber und seine Gerechtsamen verschwanden immer
mehr und mehr, wie denn auch die Gewalt des Berghauptmanns zu Clausthal
(gegenwärtig Herr von Knesebeck) mehr und mehr eingeschränkt wurde. Die
Münze allein konnte den alten Glanz nicht ansteche erhalten; sie wurde indessen
vor einigen Jahren anch nach Hannover verlegt, und man sorgt seitdem nur
noch dafür, daß vor den Lohntagen stets neugeprägtes blankes Geld nach Claus¬
thal kommt, weßhalb es ganz unmöglich sein würde, einem Bergmanne von einem
geviertheilten östreichischen Papiergulden eine Vorstellung zu geben.

Wie gesagt, die Glanzperiode des Oberharzes ist vorüber, aber die Stellung
des Bergmanns wird im Volke noch immer beneidet, keineswegs wegen des
Wochcnlohnes von 2Vs Thlr., sondern wegen der Sicherheit, welche sie bei allen
Lebensschicksalen, bietet. So kommt es, daß vor dem zwanzigsten Jahre sich
der Sohn des Bergmanns schon verlobt; er tritt damit ganz in die Familie se

el Schwiegeraeltern ein, was die Geselligkeit in derselben verschönt. Eine ober-


Die Lage des Bergmanns ist noch immer eine günstige, allein sie war es
früher weit mehr. Mit dem dreißigsten Jahre ungefähr ist der Lohn' des Berg¬
manns jetzt so weit gestiegen, daß er sich verheirathet; früher war er mit dem
zweiundzwanzigsten Jahre so weit gediehen, was indessen nicht hinderte, daß er
auch damals wol schon ein paar Kinder mit in die Ehe hineinnahm. An die
Bergleute wurde früher dreimal so viel Bier verkauft, als, jetzt. Damals wurden
von den lockeren Zeisigen unter den Bergleuten, bei einem Glase Bier, Häuser
verkauft und gekauft; denn wer dreißig Thaler aufweisen konnte, dem schoß der
Staat so viel vor, bis die Summe voll war für die er sich ein hölzernes Hans
kaufen konnte, was wenigstens den Vortheil gehabt hat, daß eine große Anzahl
von Bergmansfamilien in den Besitz von Häusern kam, die noch jetzt in ihnen
forterben. So lange die Lage des gewöhnlichen Bergmanns eine so vortheilhafte
war, war die der Beamten eine glänzende. Beides 'hing eng zusammen, denn
oft konnte der Unterschleif, der stufenweise von oben herab gemacht wurde durch
den, Schichtmeister selbst vor dem gewöhnlichen Bergarbeiter kaum verborgen
werden, was diesem Ansprüche gab, an deren Befriedigung später nicht mehr gedacht
wurde. Die westphälische Regierung, unter der in schmachvollen Zeiten auch der
Oberharz stand, erkannte sehr richtig, wie wichtig es sei, eine so förmlich organi-
sirte und mit dem Staate so innig zusammenhängende Bevölkerung wie die hie¬
sige für sich zu gewinnen. Während sie daher den Bauern im platten Lande ge¬
rade durch Reformen gewann, vermied sie dieselben hier, abgesehen davon, daß
der König von Westphalen eine Reise Hieher unternahm, an welche sich noch
jetzt in einer Grube, in die, er einfuhr und in der er tafelte, ein Stuhl auf dem
er gesessen, als widerwärtiges Denkmal findet. Erst nach der westphälischen Zeit
nahm die hannöversche Regierung die'nöthigen Reformen vor, indem sie den
Beamten deu Unterschleif unmöglich machte. Seit dieser Zeit war aber leider
auch der Glanz des Harzes vorüber und seine Gerechtsamen verschwanden immer
mehr und mehr, wie denn auch die Gewalt des Berghauptmanns zu Clausthal
(gegenwärtig Herr von Knesebeck) mehr und mehr eingeschränkt wurde. Die
Münze allein konnte den alten Glanz nicht ansteche erhalten; sie wurde indessen
vor einigen Jahren anch nach Hannover verlegt, und man sorgt seitdem nur
noch dafür, daß vor den Lohntagen stets neugeprägtes blankes Geld nach Claus¬
thal kommt, weßhalb es ganz unmöglich sein würde, einem Bergmanne von einem
geviertheilten östreichischen Papiergulden eine Vorstellung zu geben.

Wie gesagt, die Glanzperiode des Oberharzes ist vorüber, aber die Stellung
des Bergmanns wird im Volke noch immer beneidet, keineswegs wegen des
Wochcnlohnes von 2Vs Thlr., sondern wegen der Sicherheit, welche sie bei allen
Lebensschicksalen, bietet. So kommt es, daß vor dem zwanzigsten Jahre sich
der Sohn des Bergmanns schon verlobt; er tritt damit ganz in die Familie se

el Schwiegeraeltern ein, was die Geselligkeit in derselben verschönt. Eine ober-


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[0025] Die Lage des Bergmanns ist noch immer eine günstige, allein sie war es früher weit mehr. Mit dem dreißigsten Jahre ungefähr ist der Lohn' des Berg¬ manns jetzt so weit gestiegen, daß er sich verheirathet; früher war er mit dem zweiundzwanzigsten Jahre so weit gediehen, was indessen nicht hinderte, daß er auch damals wol schon ein paar Kinder mit in die Ehe hineinnahm. An die Bergleute wurde früher dreimal so viel Bier verkauft, als, jetzt. Damals wurden von den lockeren Zeisigen unter den Bergleuten, bei einem Glase Bier, Häuser verkauft und gekauft; denn wer dreißig Thaler aufweisen konnte, dem schoß der Staat so viel vor, bis die Summe voll war für die er sich ein hölzernes Hans kaufen konnte, was wenigstens den Vortheil gehabt hat, daß eine große Anzahl von Bergmansfamilien in den Besitz von Häusern kam, die noch jetzt in ihnen forterben. So lange die Lage des gewöhnlichen Bergmanns eine so vortheilhafte war, war die der Beamten eine glänzende. Beides 'hing eng zusammen, denn oft konnte der Unterschleif, der stufenweise von oben herab gemacht wurde durch den, Schichtmeister selbst vor dem gewöhnlichen Bergarbeiter kaum verborgen werden, was diesem Ansprüche gab, an deren Befriedigung später nicht mehr gedacht wurde. Die westphälische Regierung, unter der in schmachvollen Zeiten auch der Oberharz stand, erkannte sehr richtig, wie wichtig es sei, eine so förmlich organi- sirte und mit dem Staate so innig zusammenhängende Bevölkerung wie die hie¬ sige für sich zu gewinnen. Während sie daher den Bauern im platten Lande ge¬ rade durch Reformen gewann, vermied sie dieselben hier, abgesehen davon, daß der König von Westphalen eine Reise Hieher unternahm, an welche sich noch jetzt in einer Grube, in die, er einfuhr und in der er tafelte, ein Stuhl auf dem er gesessen, als widerwärtiges Denkmal findet. Erst nach der westphälischen Zeit nahm die hannöversche Regierung die'nöthigen Reformen vor, indem sie den Beamten deu Unterschleif unmöglich machte. Seit dieser Zeit war aber leider auch der Glanz des Harzes vorüber und seine Gerechtsamen verschwanden immer mehr und mehr, wie denn auch die Gewalt des Berghauptmanns zu Clausthal (gegenwärtig Herr von Knesebeck) mehr und mehr eingeschränkt wurde. Die Münze allein konnte den alten Glanz nicht ansteche erhalten; sie wurde indessen vor einigen Jahren anch nach Hannover verlegt, und man sorgt seitdem nur noch dafür, daß vor den Lohntagen stets neugeprägtes blankes Geld nach Claus¬ thal kommt, weßhalb es ganz unmöglich sein würde, einem Bergmanne von einem geviertheilten östreichischen Papiergulden eine Vorstellung zu geben. Wie gesagt, die Glanzperiode des Oberharzes ist vorüber, aber die Stellung des Bergmanns wird im Volke noch immer beneidet, keineswegs wegen des Wochcnlohnes von 2Vs Thlr., sondern wegen der Sicherheit, welche sie bei allen Lebensschicksalen, bietet. So kommt es, daß vor dem zwanzigsten Jahre sich der Sohn des Bergmanns schon verlobt; er tritt damit ganz in die Familie se m¬ el Schwiegeraeltern ein, was die Geselligkeit in derselben verschönt. Eine ober-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/25>, abgerufen am 22.12.2024.