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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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feindlicher Machthaber sie jemals zu Uebertreibung und Maßloßigkeit gesteigert
zu haben, ward glücklicherweise durch die Entweichung Olozaga's in Cordova ab¬
gewendet. Man schrieb sie der Connivenz des den Befehl führenden Officiers
zu. Der Flüchtling entkam nach England. Nach Salamanca, dessen Loos jeden¬
falls mindere Sympathie hervorruft, ward gleichfalls eifrigst gefahndet, selbst bis
in die dänischen und belgischen Gcsandtschaftshotels hinein, jedoch ohne Erfolg.
Der gewandte Abenteurer erreichte, obwol ruinirt in seinen finanziellen Verhält¬
nissen, nach längerer Verborgenheit in Madrid das französische Gebiet.

Wir müssen einen Blick auf die auswärtigen Beziehungen Spaniens werfen.
Narvaez hatte unmittelbar nach der Februarrevolution den Gedanken einer
europäischen Coalition gegen die französische Republik erfaßt, der ihm, als dem
Minister eines der gestürzten Orleansdynastie so eng verbundenen Königshauses,
allerdings nahe liegen konnte. Es bot sich damit zugleich die Aussicht, die lang
unterbrochene diplomatische Verbindung mit den nordischen Großmächten wieder
anzuknüpfen. Der General Zarco del Valle, ein Mann von eben so hohem
diplomatischem, als militairischem Verdienst, wurde mit einer vertrauten Sendung
an die absolutistischen Höfe beauftragt, denen jetzt die Allianz Spaniens werthvoll
erscheinen mußte. Zugleich dirigirte das Cabinet starke Truppensendungen nach
den baskischen Provinzen. In Paris angelangt, erfuhr der spanische General
den Fall Metternichs, die Katastrophe in Berlin, die völlige Revolutionirung
Deutschlands. Die ganze Lage war damit verändert/ Erschien gleich eine An¬
erkennung der Königin Jsabella Seitens der beiden großen deutschen Kabinette
jetzt aus anderen Gründen zu erwarten, so war doch jeder Gedanke an eine ge¬
meinschaftliche Politik gegen das republikanische, Frankreich verschwunden. Das
möglichst beste Verhältniß zu dem letzteren war für die spanische Regierung jetzt
Nothwendigkeit. Zarco del Valle blieb in Paris und verlangte neue Jnstructionen.

Die Stellung des Moderadocabinets zur provisorischen Negierung chüele sich
übrigens leichter, als es der Anschein hoffen ließ. Lamartine, der die auswärtigen
Beziehungen der Republik inaugurirte, war jeder gewaltsamen Propaganda ab¬
geneigt, die weder zu seinem Charakter, noch zu seinen etwas nebelhaften Ideen
friedlichen, demokratischen Fortschritts paßte. Außerdem lag sowol in Italien,
wo der Kampf Carl Alberts gegen Oestreich ausgebrochen war, als auch in Deutsch¬
land die Möglichkeit schwerer Verwickelungen für die französische Politik zu Tage.
Die neuen Machthaber wünschten sich den Rücken frei zu halten und sahen über¬
haupt mit weniger Interesse auf die Eventualität einer Revolution in Spanien,
das dem Republikanismus geringe Chancen bot. Erklärungen wurden ausge¬
tauscht, die beide Theile beruhigten. Die spanischen Truppenmärsche gegen die
Nordgrenze wurden ststirt. Die provisorische Regierung beglaubigte in Madrid
als eine dem spanischen Hose angenehme Persönlichkeit Herrn Lesseps, der zur
Zeit der Regentschaft Espartero's in den Unruhen zu Barcelona als General-


feindlicher Machthaber sie jemals zu Uebertreibung und Maßloßigkeit gesteigert
zu haben, ward glücklicherweise durch die Entweichung Olozaga's in Cordova ab¬
gewendet. Man schrieb sie der Connivenz des den Befehl führenden Officiers
zu. Der Flüchtling entkam nach England. Nach Salamanca, dessen Loos jeden¬
falls mindere Sympathie hervorruft, ward gleichfalls eifrigst gefahndet, selbst bis
in die dänischen und belgischen Gcsandtschaftshotels hinein, jedoch ohne Erfolg.
Der gewandte Abenteurer erreichte, obwol ruinirt in seinen finanziellen Verhält¬
nissen, nach längerer Verborgenheit in Madrid das französische Gebiet.

Wir müssen einen Blick auf die auswärtigen Beziehungen Spaniens werfen.
Narvaez hatte unmittelbar nach der Februarrevolution den Gedanken einer
europäischen Coalition gegen die französische Republik erfaßt, der ihm, als dem
Minister eines der gestürzten Orleansdynastie so eng verbundenen Königshauses,
allerdings nahe liegen konnte. Es bot sich damit zugleich die Aussicht, die lang
unterbrochene diplomatische Verbindung mit den nordischen Großmächten wieder
anzuknüpfen. Der General Zarco del Valle, ein Mann von eben so hohem
diplomatischem, als militairischem Verdienst, wurde mit einer vertrauten Sendung
an die absolutistischen Höfe beauftragt, denen jetzt die Allianz Spaniens werthvoll
erscheinen mußte. Zugleich dirigirte das Cabinet starke Truppensendungen nach
den baskischen Provinzen. In Paris angelangt, erfuhr der spanische General
den Fall Metternichs, die Katastrophe in Berlin, die völlige Revolutionirung
Deutschlands. Die ganze Lage war damit verändert/ Erschien gleich eine An¬
erkennung der Königin Jsabella Seitens der beiden großen deutschen Kabinette
jetzt aus anderen Gründen zu erwarten, so war doch jeder Gedanke an eine ge¬
meinschaftliche Politik gegen das republikanische, Frankreich verschwunden. Das
möglichst beste Verhältniß zu dem letzteren war für die spanische Regierung jetzt
Nothwendigkeit. Zarco del Valle blieb in Paris und verlangte neue Jnstructionen.

Die Stellung des Moderadocabinets zur provisorischen Negierung chüele sich
übrigens leichter, als es der Anschein hoffen ließ. Lamartine, der die auswärtigen
Beziehungen der Republik inaugurirte, war jeder gewaltsamen Propaganda ab¬
geneigt, die weder zu seinem Charakter, noch zu seinen etwas nebelhaften Ideen
friedlichen, demokratischen Fortschritts paßte. Außerdem lag sowol in Italien,
wo der Kampf Carl Alberts gegen Oestreich ausgebrochen war, als auch in Deutsch¬
land die Möglichkeit schwerer Verwickelungen für die französische Politik zu Tage.
Die neuen Machthaber wünschten sich den Rücken frei zu halten und sahen über¬
haupt mit weniger Interesse auf die Eventualität einer Revolution in Spanien,
das dem Republikanismus geringe Chancen bot. Erklärungen wurden ausge¬
tauscht, die beide Theile beruhigten. Die spanischen Truppenmärsche gegen die
Nordgrenze wurden ststirt. Die provisorische Regierung beglaubigte in Madrid
als eine dem spanischen Hose angenehme Persönlichkeit Herrn Lesseps, der zur
Zeit der Regentschaft Espartero's in den Unruhen zu Barcelona als General-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/225>, abgerufen am 22.12.2024.