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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Herausgebers charakterisirr. In den schottischen Balladen, welche den deutschen
Volksanschauungen vielleicht noch näher stehen, als die englischen, ist der Schwung
der Phnutafie kühner, die Färbung düsterer, es ist viel von dem bunten Schmuck
der alten germanischen Märchen- und Feenwelt darin enthalten. Die elegische
Zartheit des Gefühls bildet einen imponirenden Gegensatz zu den wilden Thaten
des Greuzvolkes, welche in ihnen erzählt werden. Die englischen sind breiter,
behaglicher; ihre eigenthümliche Schönheit liegt in der ritterlichen Männlichkeit,
der treuherzigen Ehrlichkeit, ja zuweilen in der humoristischen Laune, welche ans
ihnen hervorscheint, in der Frische des Wald- und Jägerlebens, welches viele
der schönsten feiern.

Die Sammlung bildet eine Ergänzung zu den Herder'schen Uebersetzungen;
einige derselben (fünf) sind in der neuesten Zeit von Arentschild und Freiligrath über¬
tragen worden; der Herausgeber hat Recht, wenn er annimmt, daß seine Ueber-
setzung den Vergleich nicht zu scheuen habe. Unter den englischen Balladen sind
die drei: "Der Junker von Elle", "Der graue Bruder" und "König Johann
und der Abt von Canterbury" von Bürger unter dem Titel: "Die Entführung,
oder Ritter Karl vou Eichenhorst", "Der Bruder Graurock und die Pilgerin",
und "Der Kaiser und der Abt" bearbeitet worden; es ist höchst interessant, die ge¬
treue Uebersetzung von Doenniges mit den berühmten Gedichten von Bürger
zu vergleiche". Das erste und zweite der Bürger'scheu Gedichte sind schwächer,
als die englischen Originale; die kleinen Malereien, welche Bürger hineinzusehen
liebt, passen nicht recht zu dem einfachen, treuherzigen Tone der Originale;
dagegen ist Herrn Doenniges vollständig beizustimmen, wen" er "Kaiser und
Abt" von Bürger für eine vortreffliche Ueberarbeitung des englischen Originals
erklärt, nur damit sind wir nicht ganz einverstanden, daß er selbst bei seiner
getreuen Uebersejzuug des Originals da, wo anch Bürger sich genau den Wor¬
ten der englischen Ballade angeschlossen hatte, die Worte der Bearbeitung
Bürger's so viel als möglich beibehalten hat. Zwar erreicht er dadurch voll¬
ständig seine Absicht, das Verhältniß des berühmten Gedichtes von Bürger
zum englischen Originale deutlich zu machen, dagegen wird dem Leser der un¬
befangene Genuß des englischen Gedichtes in der Uebersetzung einigermaßen
beeinträchtigt, weil die Worte Bürger's, so oft sie dazwischen klingen, an den
Ton und Charakter der Bürger'schen Uebertragung erinnern, und wie eine
fremde Melodie in den einfachen Volksgesang hineintönen. -- Zur Vergleichung
schottischer und englischer Volkspoesie seien hier zwei der schönsten Balladen
neben einander gestellt, die schottische "Egon von Gordon" und eine englische
von "Robim Hood."


Herausgebers charakterisirr. In den schottischen Balladen, welche den deutschen
Volksanschauungen vielleicht noch näher stehen, als die englischen, ist der Schwung
der Phnutafie kühner, die Färbung düsterer, es ist viel von dem bunten Schmuck
der alten germanischen Märchen- und Feenwelt darin enthalten. Die elegische
Zartheit des Gefühls bildet einen imponirenden Gegensatz zu den wilden Thaten
des Greuzvolkes, welche in ihnen erzählt werden. Die englischen sind breiter,
behaglicher; ihre eigenthümliche Schönheit liegt in der ritterlichen Männlichkeit,
der treuherzigen Ehrlichkeit, ja zuweilen in der humoristischen Laune, welche ans
ihnen hervorscheint, in der Frische des Wald- und Jägerlebens, welches viele
der schönsten feiern.

Die Sammlung bildet eine Ergänzung zu den Herder'schen Uebersetzungen;
einige derselben (fünf) sind in der neuesten Zeit von Arentschild und Freiligrath über¬
tragen worden; der Herausgeber hat Recht, wenn er annimmt, daß seine Ueber-
setzung den Vergleich nicht zu scheuen habe. Unter den englischen Balladen sind
die drei: „Der Junker von Elle", „Der graue Bruder" und „König Johann
und der Abt von Canterbury" von Bürger unter dem Titel: „Die Entführung,
oder Ritter Karl vou Eichenhorst", „Der Bruder Graurock und die Pilgerin",
und „Der Kaiser und der Abt" bearbeitet worden; es ist höchst interessant, die ge¬
treue Uebersetzung von Doenniges mit den berühmten Gedichten von Bürger
zu vergleiche». Das erste und zweite der Bürger'scheu Gedichte sind schwächer,
als die englischen Originale; die kleinen Malereien, welche Bürger hineinzusehen
liebt, passen nicht recht zu dem einfachen, treuherzigen Tone der Originale;
dagegen ist Herrn Doenniges vollständig beizustimmen, wen» er „Kaiser und
Abt" von Bürger für eine vortreffliche Ueberarbeitung des englischen Originals
erklärt, nur damit sind wir nicht ganz einverstanden, daß er selbst bei seiner
getreuen Uebersejzuug des Originals da, wo anch Bürger sich genau den Wor¬
ten der englischen Ballade angeschlossen hatte, die Worte der Bearbeitung
Bürger's so viel als möglich beibehalten hat. Zwar erreicht er dadurch voll¬
ständig seine Absicht, das Verhältniß des berühmten Gedichtes von Bürger
zum englischen Originale deutlich zu machen, dagegen wird dem Leser der un¬
befangene Genuß des englischen Gedichtes in der Uebersetzung einigermaßen
beeinträchtigt, weil die Worte Bürger's, so oft sie dazwischen klingen, an den
Ton und Charakter der Bürger'schen Uebertragung erinnern, und wie eine
fremde Melodie in den einfachen Volksgesang hineintönen. — Zur Vergleichung
schottischer und englischer Volkspoesie seien hier zwei der schönsten Balladen
neben einander gestellt, die schottische „Egon von Gordon" und eine englische
von „Robim Hood."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/79>, abgerufen am 24.07.2024.