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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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die Verstocktheit des Egoismus, der nur durch hingebende Arbeit, und selbst-
verlängnende Demuth geführt werden kann. Wessen Auge scharf genug ist, um
die Einseitigkeiten der bestimmten Parteien zu durchschauen, der soll nicht eine
neue . Partei gründen, die sich doch bald in fades Cliquenwesen verliert, sondern
er soll innerhalb seiner Partei den Geist der Humanität geltend zu machen suchen,
der nach dem Vorbild der homerischen Helden auch in den Feinden, die er tödtlich
bekämpft, das Menschliche ehrt. Nur in dieser Beschränkung kann jeder gebildete
und ehrlich strebende Mann, um bei Heine's an sich gar nicht schlechtem Einfall
zu.bleiben, sich als "Ritter vom Geist" bewähren.




Cultnrbilder ans dem Südslavenlande.
Von einem Serben,
Die mohammedanischen Serben in Bosnien.

Der Verfasser vorliegender Skizzen hat es sich bei seinen Wanderungen
dnrch das gräcoslavische Delta zur Aufgabe gemacht,, die Wirkungen des Islam
auf den serbischen Stamm -- beiläufig gesagt den einzigen, der sich theilweise zum
Islam bekennt -- und die Veränderungen, welche die neue Religion in seinen
inneren Zuständen hervorgebracht, an Ort und Stelle zu untersuchen. Diese
interessante Ausgabe ließ sich in Bosnien um so leichter verfolgen, als ja hier der
überwiegende Theil der Bevölkerung aus christlichen Serben besteht, an deren
Wesen man -ein sicheres Correctiv zur Auffassung des Übereinstimmenden und
Unterscheidenden beider Theile hatte. Was ich nun hier biete.ist ein kurzes
Resumv der Resultate. Gleichwol hoffe ich, daß auch dieses Wenige jenen Lesern,
welche sich für slavisch-türkische Zustände interessiren, schon deshalb nicht unwill¬
kommen sein werde, weil hier ein wichtiger Gegenstand, meines Wissens zum ersten
Male zur Sprache gebracht wird.

Bietet uns Serbien das Bild einer demokratisch organisirten Gesellschaft dar,
so finden wir in Bosnien den westeuropäischen Feudalismus mit allen seinen
Consequenzen aufs Entschiedenste ausgeprägt. Adel, Klerus und Königthum --
Alles uach fremden Mustern gebildet und unvolksthümlich, wozu noch langwierige
Kämpfe der Bogomilenseete des Katholicismus mit der Volkskirche treten, die
schwankenden Verhältnisse zu Serbien und zu Ungarn, der Sturz des serbischen


die Verstocktheit des Egoismus, der nur durch hingebende Arbeit, und selbst-
verlängnende Demuth geführt werden kann. Wessen Auge scharf genug ist, um
die Einseitigkeiten der bestimmten Parteien zu durchschauen, der soll nicht eine
neue . Partei gründen, die sich doch bald in fades Cliquenwesen verliert, sondern
er soll innerhalb seiner Partei den Geist der Humanität geltend zu machen suchen,
der nach dem Vorbild der homerischen Helden auch in den Feinden, die er tödtlich
bekämpft, das Menschliche ehrt. Nur in dieser Beschränkung kann jeder gebildete
und ehrlich strebende Mann, um bei Heine's an sich gar nicht schlechtem Einfall
zu.bleiben, sich als „Ritter vom Geist" bewähren.




Cultnrbilder ans dem Südslavenlande.
Von einem Serben,
Die mohammedanischen Serben in Bosnien.

Der Verfasser vorliegender Skizzen hat es sich bei seinen Wanderungen
dnrch das gräcoslavische Delta zur Aufgabe gemacht,, die Wirkungen des Islam
auf den serbischen Stamm — beiläufig gesagt den einzigen, der sich theilweise zum
Islam bekennt — und die Veränderungen, welche die neue Religion in seinen
inneren Zuständen hervorgebracht, an Ort und Stelle zu untersuchen. Diese
interessante Ausgabe ließ sich in Bosnien um so leichter verfolgen, als ja hier der
überwiegende Theil der Bevölkerung aus christlichen Serben besteht, an deren
Wesen man -ein sicheres Correctiv zur Auffassung des Übereinstimmenden und
Unterscheidenden beider Theile hatte. Was ich nun hier biete.ist ein kurzes
Resumv der Resultate. Gleichwol hoffe ich, daß auch dieses Wenige jenen Lesern,
welche sich für slavisch-türkische Zustände interessiren, schon deshalb nicht unwill¬
kommen sein werde, weil hier ein wichtiger Gegenstand, meines Wissens zum ersten
Male zur Sprache gebracht wird.

Bietet uns Serbien das Bild einer demokratisch organisirten Gesellschaft dar,
so finden wir in Bosnien den westeuropäischen Feudalismus mit allen seinen
Consequenzen aufs Entschiedenste ausgeprägt. Adel, Klerus und Königthum —
Alles uach fremden Mustern gebildet und unvolksthümlich, wozu noch langwierige
Kämpfe der Bogomilenseete des Katholicismus mit der Volkskirche treten, die
schwankenden Verhältnisse zu Serbien und zu Ungarn, der Sturz des serbischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/73>, abgerufen am 24.07.2024.