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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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bisher in der Kammer mit der Opposition, und sein nächster Umgang war ein
socialistischer Gesell aus Paris, Louis Armand, und ein demokratischer Re-
ferendarius, Dankmar Wildlingen, die späteren Gründer des Ordens vom
Geist. Man erwartet Anfangs, daß er diese in sein neues Ministerium berufen
wird, welches sich die Aufgabe stellt, einen neuen Staat auf Grundlage der
Arbeit zu gründen; statt dessen bietet er die Portefeuilles dem General Voland-
Radowitz, dem Probst Gclbsattel und -- sonderbare Zusammenstellung! --
einem starklungigen Haidekrüger (Schenkwirth), Namens Justus, an. Diese
Combination scheitert; über die wirklichen Mitglieder des Ministeriums erhalten
wir keinen nähern Aufschluß. Genug, Egon fängt damit an, die Kammer auf¬
zulösen, beruft eine neue, die er augenblicklich wieder nach Hause schickt,
octroyirt ein neues Wahlgesetz, weist alle verdächtige Individuen aus Berlin und
den preußischen Staaten aus, seine ehemaligen Freunde voran, führt ein ge¬
schärftes Polizeisystem ein, ordnet Verhaftungen im großartigsten Maßstabe an,
übt eine höchst bedenkliche Cabinets-Justiz, läßt bei ganz unpassenden Gelegen¬
heiten unter das Volk schießen u. s. w. u. s. w., bis ihm endlich die Ideen des
Hoff doch zu reactiouair werden. Als der Hof die Majorate wieder einführen
will, nimmt er seinen Abschied, versöhnt sich mit den "Rittern vom Geist",
erklärt feierlich, wie einem malcontenten Staatsmann, dessen Dienste man ver¬
kannt hat, geziemt, er habe jetzt eingesehen, daß mit der Monarchie Nichts mehr
anzufangen sei, und reist mit seiner jungen Frau nach Italien, von den Segens¬
wünschen der jungen Republikaner begleitet.

Was soll diese sonderbare Erfindung? Wir wissen doch sehr genau, daß
nicht ein geistreicher, socialistisch-aristokratischer junger Prinz, dem die Fülle seiner
Ideen über den Kops wuchs, sondern daß zwei sehr nüchterne, praktische, solide
Geschäftsmänner, denen man alles Andere eher vorwerfen kann, als eine Ueber¬
fülle von Ideen, in Preußen die Demokratie zu Paaren getrieben haben. Herr
von Manteuffel wird über den wunderlichen Heiligen, der die Verantwortlichkeit
der "rettenden Thaten" tragen soll, ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken
können. Durch diese Einmischung willkürlicher. Aktionen in die Darstellung
wirklicher Ereignisse wird der politischen Satyrs die Spitze abgebrochen. Denn
wenn auch Herr von Manteuffel das Meiste von dem wirklich ausgeführthat, was
hier dem Prinzen Egon zugeschrieben wird, so hat er es doch aus anderen Gründen
gethan. Wenn er die Demagogen auswies, so hatte er nicht nöthig, mit dieser
Maßregel seine alten persönlichen Freunde zu treffen, und wenn er für die In¬
teressen des Hofes arbeitete, so opferte er dabei nicht höhere Zwecke ans. Die
Ironie fällt also auf den Dichter und seine Helden zurück. So wie Egon
würden im betreffenden Fall seine sämmtliche" "Ritter vom Geist" gehandelt haben,
denn Nichts macht so despotisch, als die Einbildung eines höhern Berufs, ver¬
bunden mit Unklarheit über die Bestimmtheiten dieses Berufs.


bisher in der Kammer mit der Opposition, und sein nächster Umgang war ein
socialistischer Gesell aus Paris, Louis Armand, und ein demokratischer Re-
ferendarius, Dankmar Wildlingen, die späteren Gründer des Ordens vom
Geist. Man erwartet Anfangs, daß er diese in sein neues Ministerium berufen
wird, welches sich die Aufgabe stellt, einen neuen Staat auf Grundlage der
Arbeit zu gründen; statt dessen bietet er die Portefeuilles dem General Voland-
Radowitz, dem Probst Gclbsattel und — sonderbare Zusammenstellung! —
einem starklungigen Haidekrüger (Schenkwirth), Namens Justus, an. Diese
Combination scheitert; über die wirklichen Mitglieder des Ministeriums erhalten
wir keinen nähern Aufschluß. Genug, Egon fängt damit an, die Kammer auf¬
zulösen, beruft eine neue, die er augenblicklich wieder nach Hause schickt,
octroyirt ein neues Wahlgesetz, weist alle verdächtige Individuen aus Berlin und
den preußischen Staaten aus, seine ehemaligen Freunde voran, führt ein ge¬
schärftes Polizeisystem ein, ordnet Verhaftungen im großartigsten Maßstabe an,
übt eine höchst bedenkliche Cabinets-Justiz, läßt bei ganz unpassenden Gelegen¬
heiten unter das Volk schießen u. s. w. u. s. w., bis ihm endlich die Ideen des
Hoff doch zu reactiouair werden. Als der Hof die Majorate wieder einführen
will, nimmt er seinen Abschied, versöhnt sich mit den „Rittern vom Geist",
erklärt feierlich, wie einem malcontenten Staatsmann, dessen Dienste man ver¬
kannt hat, geziemt, er habe jetzt eingesehen, daß mit der Monarchie Nichts mehr
anzufangen sei, und reist mit seiner jungen Frau nach Italien, von den Segens¬
wünschen der jungen Republikaner begleitet.

Was soll diese sonderbare Erfindung? Wir wissen doch sehr genau, daß
nicht ein geistreicher, socialistisch-aristokratischer junger Prinz, dem die Fülle seiner
Ideen über den Kops wuchs, sondern daß zwei sehr nüchterne, praktische, solide
Geschäftsmänner, denen man alles Andere eher vorwerfen kann, als eine Ueber¬
fülle von Ideen, in Preußen die Demokratie zu Paaren getrieben haben. Herr
von Manteuffel wird über den wunderlichen Heiligen, der die Verantwortlichkeit
der „rettenden Thaten" tragen soll, ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken
können. Durch diese Einmischung willkürlicher. Aktionen in die Darstellung
wirklicher Ereignisse wird der politischen Satyrs die Spitze abgebrochen. Denn
wenn auch Herr von Manteuffel das Meiste von dem wirklich ausgeführthat, was
hier dem Prinzen Egon zugeschrieben wird, so hat er es doch aus anderen Gründen
gethan. Wenn er die Demagogen auswies, so hatte er nicht nöthig, mit dieser
Maßregel seine alten persönlichen Freunde zu treffen, und wenn er für die In¬
teressen des Hofes arbeitete, so opferte er dabei nicht höhere Zwecke ans. Die
Ironie fällt also auf den Dichter und seine Helden zurück. So wie Egon
würden im betreffenden Fall seine sämmtliche» „Ritter vom Geist" gehandelt haben,
denn Nichts macht so despotisch, als die Einbildung eines höhern Berufs, ver¬
bunden mit Unklarheit über die Bestimmtheiten dieses Berufs.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/56>, abgerufen am 24.07.2024.