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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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dem Wege große Dauerhaftigkeit. So hat also das Herzogthum noch eine gute
Strecke der nothwendigsten Landstraßen zu machen, indeß andere deutsche Staaten
Eisenbahnen bauen.

Unter das Capitel gehört auch der Münzfuß, und es giebt schwerlich einen
Fleck in Deutschland, wo man bei Geldzahlungen solchen Plackereien ausgesetzt
ist. Es wird nämlich durch das ganze Herzogthum nach einem doppelten Fuße,
dem Gold- und dem Courantfuße, gerechnet. sowol der Thaler Gold (imagi-
naire Münze, zwei Gulden rheinisch an Werth) als der Thaler Courant (gleich
einem preußischen Thaler) zerfallen in 72 Grote, jener in Grote Gold, dieser
in Grote Courant, so daß der Thaler durchschnittlich etwa 81 Grote Courant
und der Thaler Courant 64 Grote Gold werth ist. Goldmünzen hat das Land
keine eigenen; dagegen sind die hannöverschen, braunschweigischen und dänischen
Pistolen und Doppelpistolen gäng und gäbe; in ihnen pflegen alle große Zab-
- lungen geleistet zu werden; in ihnen wurden auch die Besoldungen der Beamten
ausgezahlt, bis vor Kurzem dieselben in Courant umgesetzt worden find, seit
welcher Zeit sie meist in Thalerstücken entrichtet werden. Der Werth der Pistole
ist fünf Thaler in Gold; ihr Werth in Courant ist natürlich sehr schwankend,
und ist während meines Aufenthalts in Oldenburg einem großen Ans und Ab
unterworfen gewesen. Gegenwärtig schlägt man nur noch Courantmünzen, die
außer Landes geprägt werden. Was man von Groden in Goldwährung sieht,
stammt ans älterer Zeit, oder kommt aus Bremen herüber, wo nur die Gold¬
währung herrscht, so daß BreMen als eine ganz aparte Müuzmsel in' unsrem
jämmerlich zersplitterten Deutschland zu betrachten ist. Die Hansmiethen laufen
meist noch auf Gold, die Kaufleute rechnen nach Gold oder Courant. Der
Schuster rechnet neue und angeschuhte Stiefeln nach Gold, Sohlen und Flick¬
arbeiten nach Courant. In ähnlicher Weise macht es der Tischler. Der Schnei¬
der, als ein Mann von Welt, rechnet blos nach Courant, der Maler blos nach
Gold, und so geht es weiter in babylonischer Verwirrung. Dazu kommt, daß
die Pistole, nach oldenburger Courant berechnet, oft weit höher steht, als außer¬
halb des Herzogthums. Die natürliche Folge ist dann, daß die oldenburger
Scheidemünze nach der Grenze cfeht, und man im Lande, wie Midas, vor lau¬
ter Gold zu verhungern droht. Ich habe Zeiten erlebt, wo die Gastwirthe in
der Stadt Oldenburg, Blechstücke, statt Münzen ausgaben, weil sie ihren Gästen
nicht wechseln konnten. Man denke die Noth der Hausfrauen bei ihren hundert
kleinen'Bedürfnissen, die Noth ihrer trägen Dienstmädchen, die vom Bäcker zum
Krämer, vom Krämer zum Fleischer, vom Fleischer wieder zum Bäcker leuchten,
und die Pistole, die ihnen mitgegeben war, fast fußfällig, zu wechseln baten.
Aus einem damaligen Carnavalsfeste des literarisch-geselligen Vereins wurde ein
kolossales Goldstück vorgestellt, das verrückt geworden war, weil es nicht hatte
gewechselt werden können. -- Bei Berechnungen mit Eutin, wo nach Mark


dem Wege große Dauerhaftigkeit. So hat also das Herzogthum noch eine gute
Strecke der nothwendigsten Landstraßen zu machen, indeß andere deutsche Staaten
Eisenbahnen bauen.

Unter das Capitel gehört auch der Münzfuß, und es giebt schwerlich einen
Fleck in Deutschland, wo man bei Geldzahlungen solchen Plackereien ausgesetzt
ist. Es wird nämlich durch das ganze Herzogthum nach einem doppelten Fuße,
dem Gold- und dem Courantfuße, gerechnet. sowol der Thaler Gold (imagi-
naire Münze, zwei Gulden rheinisch an Werth) als der Thaler Courant (gleich
einem preußischen Thaler) zerfallen in 72 Grote, jener in Grote Gold, dieser
in Grote Courant, so daß der Thaler durchschnittlich etwa 81 Grote Courant
und der Thaler Courant 64 Grote Gold werth ist. Goldmünzen hat das Land
keine eigenen; dagegen sind die hannöverschen, braunschweigischen und dänischen
Pistolen und Doppelpistolen gäng und gäbe; in ihnen pflegen alle große Zab-
- lungen geleistet zu werden; in ihnen wurden auch die Besoldungen der Beamten
ausgezahlt, bis vor Kurzem dieselben in Courant umgesetzt worden find, seit
welcher Zeit sie meist in Thalerstücken entrichtet werden. Der Werth der Pistole
ist fünf Thaler in Gold; ihr Werth in Courant ist natürlich sehr schwankend,
und ist während meines Aufenthalts in Oldenburg einem großen Ans und Ab
unterworfen gewesen. Gegenwärtig schlägt man nur noch Courantmünzen, die
außer Landes geprägt werden. Was man von Groden in Goldwährung sieht,
stammt ans älterer Zeit, oder kommt aus Bremen herüber, wo nur die Gold¬
währung herrscht, so daß BreMen als eine ganz aparte Müuzmsel in' unsrem
jämmerlich zersplitterten Deutschland zu betrachten ist. Die Hansmiethen laufen
meist noch auf Gold, die Kaufleute rechnen nach Gold oder Courant. Der
Schuster rechnet neue und angeschuhte Stiefeln nach Gold, Sohlen und Flick¬
arbeiten nach Courant. In ähnlicher Weise macht es der Tischler. Der Schnei¬
der, als ein Mann von Welt, rechnet blos nach Courant, der Maler blos nach
Gold, und so geht es weiter in babylonischer Verwirrung. Dazu kommt, daß
die Pistole, nach oldenburger Courant berechnet, oft weit höher steht, als außer¬
halb des Herzogthums. Die natürliche Folge ist dann, daß die oldenburger
Scheidemünze nach der Grenze cfeht, und man im Lande, wie Midas, vor lau¬
ter Gold zu verhungern droht. Ich habe Zeiten erlebt, wo die Gastwirthe in
der Stadt Oldenburg, Blechstücke, statt Münzen ausgaben, weil sie ihren Gästen
nicht wechseln konnten. Man denke die Noth der Hausfrauen bei ihren hundert
kleinen'Bedürfnissen, die Noth ihrer trägen Dienstmädchen, die vom Bäcker zum
Krämer, vom Krämer zum Fleischer, vom Fleischer wieder zum Bäcker leuchten,
und die Pistole, die ihnen mitgegeben war, fast fußfällig, zu wechseln baten.
Aus einem damaligen Carnavalsfeste des literarisch-geselligen Vereins wurde ein
kolossales Goldstück vorgestellt, das verrückt geworden war, weil es nicht hatte
gewechselt werden können. — Bei Berechnungen mit Eutin, wo nach Mark


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/513>, abgerufen am 04.07.2024.