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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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.Hieher gehört auch die Bemerkung, daß, obwol Geistesfranke im olden¬
burger Lande vielleicht häufiger vorkommen als anderswo, dennoch religiöser
Wahnsinn eine große Seltenheit ist.

Folgende Sprichwörter, die leicht verdoppelt werden könnten, charakterisiren
den Oldenburger von Seiten dessen, was ich seiue heidnische. Ader nannte. Frei¬
lich dürfen diese zum Theil derb spaßhaften Blüthen des Volksgeistes nicht ans
die Goldwage gelegt werden, immer aber sind sie von Bedeutung, zumal ihnen
nur Weniges von entgegengesetzter Art an die Seite gestellt werden kann. Nu
sü n w i use n Herrgott Mester (Jetzt sind wir Meister über'unsern Herrgott)
sagt der Bauer, wenn sein Moorfeld so weit in Brand ist, daß der Regen ihm
nichts mehr anhaben kann. -- Wo de Meswagen nich henkummt, hört
de Segen Gotts up (Wo der Mistwagen nicht hinkommt, da hört der Segen
Gottes auf. -- Jan, sa de Captein, (beim Schiffbruch) hol dich an Gott.
Nä, sa Jan, ick hol mi an den Mast. -- Gotts Wort in full Fluch¬
ten, harr de Jung seggt: da darm Katechism an de Swip (Gottes
Wort in voller Bewegung, sagte der Junge; da hatte er den Katechismus an
der Peitsche). -- Na de Mahle not wi Heu; man na de Karl brnk wi
man, wenn wi, walt (Nach der Mühle müssen wir hin, aber nach der Kirche
brauchen wir nur, wenn loir wollen). -- Von Baer (Beten) kannst't nich
satt weren, oder: Kummt alle Dage wat Nees up, sa de Jung: da
schuld he dam (Es kommt alle Tage etwas Neues auf, sagte der Junge.-'als
er beten sollte). -- Pastoren n Hurre verdeent är Geld mit 'n Muune
(Pastoren und Hunde verdienen ihr Geld mit dem Munde). Besonders dem
Papste sind die Sprichwörter gram: Best in de Mill, sa de Paap: da ging he
twischen twe Düwel. -- El is El, sa dePaap: un greep na't grotste.

Von Hexerei, Vor- oder Nachspnck, Schatzgräber, oder Kartenschlagen hört
man wenig oder gar nichts, und den Teufel hat der verständige Oldenburger so
gut wie abgeschafft.. Och, wat Seba wi ook noch mit den'Düwel? sagt der
Landmann. Een is 'n armern sin Düwel (Der Eine ist des Andern Teu¬
fel). -- Ook de Düwel is moi, wenn he man jung is (Auch der Teufel
ist schön, wenn er nur jung ist.)

Sein solider, biederer und gutmüthiger Charakter läßt den Oldenburger
selten krumme Wege gehen; in keinem deutschen Lande ist so wenig Frömmigkeit
und so viel Rechtschaffenheit. Während anderswo Tausende durch Frömmigkeit
von Unredlichkeit zu Redlichkeit gebracht werden (durch echte, versteht sich; denn
die ueusilberne schafft nur Heuchler): ist die Redlichkeit des Oldenbnrgers
naturwüchsiger Art. Die einfachen Verhältnisse, in denen er lebt, der gänzliche
Mangel an Proletariat und sein ruhiges Temperament, das auch eine große
Stütze seiner Keuschheit ist, muß in Rechnung gebracht werden. Ich hoffe nicht,
daß diese Zeilen einer Berliner Gannergesellschaft vor die Augen kommen: sie


.Hieher gehört auch die Bemerkung, daß, obwol Geistesfranke im olden¬
burger Lande vielleicht häufiger vorkommen als anderswo, dennoch religiöser
Wahnsinn eine große Seltenheit ist.

Folgende Sprichwörter, die leicht verdoppelt werden könnten, charakterisiren
den Oldenburger von Seiten dessen, was ich seiue heidnische. Ader nannte. Frei¬
lich dürfen diese zum Theil derb spaßhaften Blüthen des Volksgeistes nicht ans
die Goldwage gelegt werden, immer aber sind sie von Bedeutung, zumal ihnen
nur Weniges von entgegengesetzter Art an die Seite gestellt werden kann. Nu
sü n w i use n Herrgott Mester (Jetzt sind wir Meister über'unsern Herrgott)
sagt der Bauer, wenn sein Moorfeld so weit in Brand ist, daß der Regen ihm
nichts mehr anhaben kann. — Wo de Meswagen nich henkummt, hört
de Segen Gotts up (Wo der Mistwagen nicht hinkommt, da hört der Segen
Gottes auf. — Jan, sa de Captein, (beim Schiffbruch) hol dich an Gott.
Nä, sa Jan, ick hol mi an den Mast. — Gotts Wort in full Fluch¬
ten, harr de Jung seggt: da darm Katechism an de Swip (Gottes
Wort in voller Bewegung, sagte der Junge; da hatte er den Katechismus an
der Peitsche). — Na de Mahle not wi Heu; man na de Karl brnk wi
man, wenn wi, walt (Nach der Mühle müssen wir hin, aber nach der Kirche
brauchen wir nur, wenn loir wollen). — Von Baer (Beten) kannst't nich
satt weren, oder: Kummt alle Dage wat Nees up, sa de Jung: da
schuld he dam (Es kommt alle Tage etwas Neues auf, sagte der Junge.-'als
er beten sollte). — Pastoren n Hurre verdeent är Geld mit 'n Muune
(Pastoren und Hunde verdienen ihr Geld mit dem Munde). Besonders dem
Papste sind die Sprichwörter gram: Best in de Mill, sa de Paap: da ging he
twischen twe Düwel. — El is El, sa dePaap: un greep na't grotste.

Von Hexerei, Vor- oder Nachspnck, Schatzgräber, oder Kartenschlagen hört
man wenig oder gar nichts, und den Teufel hat der verständige Oldenburger so
gut wie abgeschafft.. Och, wat Seba wi ook noch mit den'Düwel? sagt der
Landmann. Een is 'n armern sin Düwel (Der Eine ist des Andern Teu¬
fel). — Ook de Düwel is moi, wenn he man jung is (Auch der Teufel
ist schön, wenn er nur jung ist.)

Sein solider, biederer und gutmüthiger Charakter läßt den Oldenburger
selten krumme Wege gehen; in keinem deutschen Lande ist so wenig Frömmigkeit
und so viel Rechtschaffenheit. Während anderswo Tausende durch Frömmigkeit
von Unredlichkeit zu Redlichkeit gebracht werden (durch echte, versteht sich; denn
die ueusilberne schafft nur Heuchler): ist die Redlichkeit des Oldenbnrgers
naturwüchsiger Art. Die einfachen Verhältnisse, in denen er lebt, der gänzliche
Mangel an Proletariat und sein ruhiges Temperament, das auch eine große
Stütze seiner Keuschheit ist, muß in Rechnung gebracht werden. Ich hoffe nicht,
daß diese Zeilen einer Berliner Gannergesellschaft vor die Augen kommen: sie


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[0504] .Hieher gehört auch die Bemerkung, daß, obwol Geistesfranke im olden¬ burger Lande vielleicht häufiger vorkommen als anderswo, dennoch religiöser Wahnsinn eine große Seltenheit ist. Folgende Sprichwörter, die leicht verdoppelt werden könnten, charakterisiren den Oldenburger von Seiten dessen, was ich seiue heidnische. Ader nannte. Frei¬ lich dürfen diese zum Theil derb spaßhaften Blüthen des Volksgeistes nicht ans die Goldwage gelegt werden, immer aber sind sie von Bedeutung, zumal ihnen nur Weniges von entgegengesetzter Art an die Seite gestellt werden kann. Nu sü n w i use n Herrgott Mester (Jetzt sind wir Meister über'unsern Herrgott) sagt der Bauer, wenn sein Moorfeld so weit in Brand ist, daß der Regen ihm nichts mehr anhaben kann. — Wo de Meswagen nich henkummt, hört de Segen Gotts up (Wo der Mistwagen nicht hinkommt, da hört der Segen Gottes auf. — Jan, sa de Captein, (beim Schiffbruch) hol dich an Gott. Nä, sa Jan, ick hol mi an den Mast. — Gotts Wort in full Fluch¬ ten, harr de Jung seggt: da darm Katechism an de Swip (Gottes Wort in voller Bewegung, sagte der Junge; da hatte er den Katechismus an der Peitsche). — Na de Mahle not wi Heu; man na de Karl brnk wi man, wenn wi, walt (Nach der Mühle müssen wir hin, aber nach der Kirche brauchen wir nur, wenn loir wollen). — Von Baer (Beten) kannst't nich satt weren, oder: Kummt alle Dage wat Nees up, sa de Jung: da schuld he dam (Es kommt alle Tage etwas Neues auf, sagte der Junge.-'als er beten sollte). — Pastoren n Hurre verdeent är Geld mit 'n Muune (Pastoren und Hunde verdienen ihr Geld mit dem Munde). Besonders dem Papste sind die Sprichwörter gram: Best in de Mill, sa de Paap: da ging he twischen twe Düwel. — El is El, sa dePaap: un greep na't grotste. Von Hexerei, Vor- oder Nachspnck, Schatzgräber, oder Kartenschlagen hört man wenig oder gar nichts, und den Teufel hat der verständige Oldenburger so gut wie abgeschafft.. Och, wat Seba wi ook noch mit den'Düwel? sagt der Landmann. Een is 'n armern sin Düwel (Der Eine ist des Andern Teu¬ fel). — Ook de Düwel is moi, wenn he man jung is (Auch der Teufel ist schön, wenn er nur jung ist.) Sein solider, biederer und gutmüthiger Charakter läßt den Oldenburger selten krumme Wege gehen; in keinem deutschen Lande ist so wenig Frömmigkeit und so viel Rechtschaffenheit. Während anderswo Tausende durch Frömmigkeit von Unredlichkeit zu Redlichkeit gebracht werden (durch echte, versteht sich; denn die ueusilberne schafft nur Heuchler): ist die Redlichkeit des Oldenbnrgers naturwüchsiger Art. Die einfachen Verhältnisse, in denen er lebt, der gänzliche Mangel an Proletariat und sein ruhiges Temperament, das auch eine große Stütze seiner Keuschheit ist, muß in Rechnung gebracht werden. Ich hoffe nicht, daß diese Zeilen einer Berliner Gannergesellschaft vor die Augen kommen: sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/504>, abgerufen am 24.07.2024.