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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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einer gewissen Berühmtheit durch das ganze Herzogthum genießen. Beispiels¬
weise führe ich die dem französischen Präfecten von Kaversberg ertheilte Antwort
eines Bauers an. Der genannte Präfect hatte den Oldenburgern bei der Occu-
pation von 1810 in einer pomphaften Proclamation alles Heil unter dem glor¬
reichen Scepter des Kaisers zugesagt, und in Bezug auf die Heidestrecken sich
wörtlich so geäußert: "Les Is,nac8 ariäes, ees civserts sM'eux "M Lorrvrönt
eneors la moMö Ah votrs sol, ssront renäus it. Ja eulturs, et tarclsront
xag ä hö parer <Zs dois et av moisgons." Zugleich fragte er bei jenem Bauer,
der als erfahrener Landwirth bekannt war, nach, wie die Aufgabe zu lösen sei.
Der Bauer antwortete: "Lassen Sie vier und zwanzig Stunden lang Mist regnen,
und dann fragen Sie wieder nach." -- Als vor längeren Jahren die Köhruugs-
commission sich die Hengste im oldeuburger Münsterlande vorführen ließ, und über
die geringe Beschaffenheit derselben in großen Eiser gerieth, ohne zu bedenken,
daß sich das Münsterland zur Pferdezucht wenig eignet, und daß Nichts von
Seiten der Commission geschehen war/ um die Zucht zu veredeln, unterbrach ein
Bauer das Schelten mit den trockenen Worten: ,,Es wird dem Uebel, so weit es
möglich ist, bald abgeholfen sein, wenn der Großherzog künftig, statt der Herren
von der Commission, eben so viel gute Hengste schickt."

Der Leser wird Gelegenheit gehabt haben zu bemerken, daß auch in den
Sprichwörtern des Oldenburgers der Witz sich überall geltend macht; zugleich
blickt aus ihnen ein klarer Verstand, der scharfen Auges um sich schaut. Will der
Oldenburger ausdrückend daß er gegen eine höhere Macht, etwa gegen die Be¬
hörde, Nichts vermag, so sagt er sehr bezeichnend: Wer kann gegen Back-
awen jahnen? (Wer kann gegen den Backofen angähnen?) Auch hat ein solches
Wort, an der rechten Stelle angebracht, über den oldenburger Landmann mehr
Macht, als die schönsten Reden. Besonders beliebt ist eine Art von Witzworten,
wodurch die directe Rede einer Person mit ihrem Thun oder Leiden contrastirt
wird, z. B.: Is man 'n Äwergang/ sa de Voß: da drükken se ein dat
Fell awer de Ohren. (Es ist nur ein Uebergang, sagte der Fuchs: da zogen
sie ihm das Fell über die Ohren.) Wat oll is, dat rit, sa de Düwel: da
reel he sin Grotmoer 'n Oor aww. (Was alt ist, das reißt, sagte der
Teufel: da riß er seiner Großmutter ein Ohr ab.) Dickduhn is min Lewen.
Broer, ich mi 'n Halmen Groden. (Dickthun ist mein Leben. Bruder, leis
mir einen halben Groden, d. h. Vs Kreuzer.) Up de Viglin let fiel good
später, sa de Askat: do kreeg he 'n Schinken. (Auf der Bioline ist gut
spielen, sagte der Advocat: da kriegte er einen Schinken.) Je is nich ganz
alß, harr de Jung seegt, da harr he na'n Hund Senator un sin
Stiefmoer rale. (Es ist nicht ganz übel, hat der Junge gesagt: da hat er
nach einem Hund geworfen und seine Stiefmutter getroffen.) Dat holt hart,
sa de Buel: do Schutt he lammen. Aehnlich ist: He is so egensinnig


einer gewissen Berühmtheit durch das ganze Herzogthum genießen. Beispiels¬
weise führe ich die dem französischen Präfecten von Kaversberg ertheilte Antwort
eines Bauers an. Der genannte Präfect hatte den Oldenburgern bei der Occu-
pation von 1810 in einer pomphaften Proclamation alles Heil unter dem glor¬
reichen Scepter des Kaisers zugesagt, und in Bezug auf die Heidestrecken sich
wörtlich so geäußert: „Les Is,nac8 ariäes, ees civserts sM'eux «M Lorrvrönt
eneors la moMö Ah votrs sol, ssront renäus it. Ja eulturs, et tarclsront
xag ä hö parer <Zs dois et av moisgons." Zugleich fragte er bei jenem Bauer,
der als erfahrener Landwirth bekannt war, nach, wie die Aufgabe zu lösen sei.
Der Bauer antwortete: „Lassen Sie vier und zwanzig Stunden lang Mist regnen,
und dann fragen Sie wieder nach." — Als vor längeren Jahren die Köhruugs-
commission sich die Hengste im oldeuburger Münsterlande vorführen ließ, und über
die geringe Beschaffenheit derselben in großen Eiser gerieth, ohne zu bedenken,
daß sich das Münsterland zur Pferdezucht wenig eignet, und daß Nichts von
Seiten der Commission geschehen war/ um die Zucht zu veredeln, unterbrach ein
Bauer das Schelten mit den trockenen Worten: ,,Es wird dem Uebel, so weit es
möglich ist, bald abgeholfen sein, wenn der Großherzog künftig, statt der Herren
von der Commission, eben so viel gute Hengste schickt."

Der Leser wird Gelegenheit gehabt haben zu bemerken, daß auch in den
Sprichwörtern des Oldenburgers der Witz sich überall geltend macht; zugleich
blickt aus ihnen ein klarer Verstand, der scharfen Auges um sich schaut. Will der
Oldenburger ausdrückend daß er gegen eine höhere Macht, etwa gegen die Be¬
hörde, Nichts vermag, so sagt er sehr bezeichnend: Wer kann gegen Back-
awen jahnen? (Wer kann gegen den Backofen angähnen?) Auch hat ein solches
Wort, an der rechten Stelle angebracht, über den oldenburger Landmann mehr
Macht, als die schönsten Reden. Besonders beliebt ist eine Art von Witzworten,
wodurch die directe Rede einer Person mit ihrem Thun oder Leiden contrastirt
wird, z. B.: Is man 'n Äwergang/ sa de Voß: da drükken se ein dat
Fell awer de Ohren. (Es ist nur ein Uebergang, sagte der Fuchs: da zogen
sie ihm das Fell über die Ohren.) Wat oll is, dat rit, sa de Düwel: da
reel he sin Grotmoer 'n Oor aww. (Was alt ist, das reißt, sagte der
Teufel: da riß er seiner Großmutter ein Ohr ab.) Dickduhn is min Lewen.
Broer, ich mi 'n Halmen Groden. (Dickthun ist mein Leben. Bruder, leis
mir einen halben Groden, d. h. Vs Kreuzer.) Up de Viglin let fiel good
später, sa de Askat: do kreeg he 'n Schinken. (Auf der Bioline ist gut
spielen, sagte der Advocat: da kriegte er einen Schinken.) Je is nich ganz
alß, harr de Jung seegt, da harr he na'n Hund Senator un sin
Stiefmoer rale. (Es ist nicht ganz übel, hat der Junge gesagt: da hat er
nach einem Hund geworfen und seine Stiefmutter getroffen.) Dat holt hart,
sa de Buel: do Schutt he lammen. Aehnlich ist: He is so egensinnig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/476>, abgerufen am 24.07.2024.