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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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ist dieses Heft außerordentlich reich, von der seinen Weltdame Lady Dcdlock, an die sich
eine geheimnißvolle Familiengeschichte anzuknüpfen scheint, bis zu MrS. Jcllyby, der
Ncgersrcundin mit hübschen Augen, nur daß sie die seltsame Gewohnheit haben, immer in
die Ferne zu blicken, als ob sie nichts Näheres sehen könnten, als Afrika." Zur Probe
, theilen wir hier eine Landschaft und ein Charakterbild mit:

"Mylady Dedlock kommt von ihrer Besitzung in Lincolnshire. Die Wasser sind
ausgetreten in Lincolnshire. Ein Bogen der Brücke im Park ist vom Wasser unter¬
wühlt worden und zusammengesunken. Die nahe Niederung, zehn Minuten breit, ist
ein stillstehender Fluß mit trauernden Bäumen als Inseln darin und einer Oberfläche,
welche den ganzen Tag lang von fallenden Regen punktirt wird. ' Mylady Dcdlock's
Landsitz war sehr ungemüthlich geworden. Das Wetter war seit vielen Tagen und
Nächten so naß gewesen, daß die Bäume bis aus den Kern durchweicht sind und die
feuchten Spähne, welche des Holzhauers Axt vom Baume abhaut, geräuschlos sich vom
Holze trennen und aus den Boden fallen. Das durchnäßte Wild läßt eine Pfütze zu¬
rück, wo es hintritt. Der Schuß aus einer Büchse verliert in der feuchten Lust seinen
scharfen Schall, und der Rauch schwebt langsam in einer kleinen Wolke der grünen busch¬
gekrönten Höhe zu, welche einen Hintergrund für den fallenden Regen bildet. Die
Aussicht aus dem Fenster der gnädigen Frau ist abwechselnd eine Landschaft in Blei-
zeichnung und eine Landschaft in Tusche. Die Vasen auf der Terrassenmauer im Vor¬
dergrund find zu Regenurnen geworden; und die schweren Tropfen eintönig ans die
breiten Sandsteinplatten des Ganges, der seit alter Zeit schon der Gcisterweg heißt.
Sonntags ist die kleine Kirche im Park von feuchtem Moder erfüllt; die eichene Kanzel
bricht in einen kalten Schweiß aus; und überall ist ein Geruch und Geschmack vor¬
herrschend, der an die alten Dedlocks im ihren Gräbern erinnert. Mylady Dcdlock (die
keine Kinder hat) hat im frühen Zwielicht des Morgens aus ihrem Boudoir einen Blick
auf des Parkwärtcrs Häuschen geworfen; der Schein eines Feuers schimmerte durch'die
mit Jalousien versehenen Fenster, Rauch stieg aus dem Schornstein, und ein Kind, von
einer Frau verfolgt, lief hinaus in den Regen einem in einen dicken Rock gehüllten
Mann entgegen, der zum Thore hereinkam. Der Anblick hat die gnädige Frau in
üble Laune versetzt. Mylady Dedlock sagt, sie habe sich tödtlich gelangweilt." '

"Sir Leicester Dedlock ist nur ein Baronet, aber es gick't keinen größer" Baronet
als ihn. Seine Familie ist so alt wie die Berge und unendlich vornehmer. Er meint
im Allgemeinen, daß die Welt ohne Berge bestehen könnte, aber ohne Dedlocks zu Grunde
gehen würde. Er giebt zu, daß die Natur eine gute Idee ist (vielleicht ein wenig vul-
gair, wenn'sie nicht von einem Parkzaun umschlossen ist) aber eine Idee, die in ihrer
Ausführung ganz von den großen Familien der Grafschaft abhängt. Er ist ein Gent-
leman von strengster Gewissenhaftigkeit, verabscheut alle Kleinlichkeit und Niedrigkeit, und
ist bereit, auf die kürzeste Bestellung eher jeden beliebigen Tod zu sterben, als den
geringsten Flecken auf seiner Ehre zu dulden. Er ist ein ehrenwerihcr, eigensinniger,
gerader, stolzer Mann voll grasser Vorurtheile und vollkommen unverständig.

Sir Leicester ist volle zwanzig Jahr älter als die gnädige Frau. Fünfundscchzig
erlebt er nicht wieder und vielleicht auch uicht sechsundsechzig und auch nicht sieben-
undsechzig. Er hat manchmal einen Gichtanfall, und sein Gang ist etwas steif geworden.
Er ist eine ansehnliche Erscheinung mit dem lichtgrauen Haar und Backenbart, dem seinen
Spitzenband, der reinen weißen Weste und dem immer zugeknöpften blauen Frack mit
glänzenden Knöpfen. Er ist ceremoniös und feierlich, zu allen Zeiten gegen die gnä¬
dige Frau ausnehmend höflich, und zollt ihren persönlichen Reizen die höchste Verehrung.
Seine Galanterie gegen die gnädige Frau, die sich seit dem Brautstande unveränderlich
gleich geblieben ist, ist die eine kleine Stelle Romantik und Poesie in ihm."




ist dieses Heft außerordentlich reich, von der seinen Weltdame Lady Dcdlock, an die sich
eine geheimnißvolle Familiengeschichte anzuknüpfen scheint, bis zu MrS. Jcllyby, der
Ncgersrcundin mit hübschen Augen, nur daß sie die seltsame Gewohnheit haben, immer in
die Ferne zu blicken, als ob sie nichts Näheres sehen könnten, als Afrika." Zur Probe
, theilen wir hier eine Landschaft und ein Charakterbild mit:

„Mylady Dedlock kommt von ihrer Besitzung in Lincolnshire. Die Wasser sind
ausgetreten in Lincolnshire. Ein Bogen der Brücke im Park ist vom Wasser unter¬
wühlt worden und zusammengesunken. Die nahe Niederung, zehn Minuten breit, ist
ein stillstehender Fluß mit trauernden Bäumen als Inseln darin und einer Oberfläche,
welche den ganzen Tag lang von fallenden Regen punktirt wird. ' Mylady Dcdlock's
Landsitz war sehr ungemüthlich geworden. Das Wetter war seit vielen Tagen und
Nächten so naß gewesen, daß die Bäume bis aus den Kern durchweicht sind und die
feuchten Spähne, welche des Holzhauers Axt vom Baume abhaut, geräuschlos sich vom
Holze trennen und aus den Boden fallen. Das durchnäßte Wild läßt eine Pfütze zu¬
rück, wo es hintritt. Der Schuß aus einer Büchse verliert in der feuchten Lust seinen
scharfen Schall, und der Rauch schwebt langsam in einer kleinen Wolke der grünen busch¬
gekrönten Höhe zu, welche einen Hintergrund für den fallenden Regen bildet. Die
Aussicht aus dem Fenster der gnädigen Frau ist abwechselnd eine Landschaft in Blei-
zeichnung und eine Landschaft in Tusche. Die Vasen auf der Terrassenmauer im Vor¬
dergrund find zu Regenurnen geworden; und die schweren Tropfen eintönig ans die
breiten Sandsteinplatten des Ganges, der seit alter Zeit schon der Gcisterweg heißt.
Sonntags ist die kleine Kirche im Park von feuchtem Moder erfüllt; die eichene Kanzel
bricht in einen kalten Schweiß aus; und überall ist ein Geruch und Geschmack vor¬
herrschend, der an die alten Dedlocks im ihren Gräbern erinnert. Mylady Dcdlock (die
keine Kinder hat) hat im frühen Zwielicht des Morgens aus ihrem Boudoir einen Blick
auf des Parkwärtcrs Häuschen geworfen; der Schein eines Feuers schimmerte durch'die
mit Jalousien versehenen Fenster, Rauch stieg aus dem Schornstein, und ein Kind, von
einer Frau verfolgt, lief hinaus in den Regen einem in einen dicken Rock gehüllten
Mann entgegen, der zum Thore hereinkam. Der Anblick hat die gnädige Frau in
üble Laune versetzt. Mylady Dedlock sagt, sie habe sich tödtlich gelangweilt." '

„Sir Leicester Dedlock ist nur ein Baronet, aber es gick't keinen größer» Baronet
als ihn. Seine Familie ist so alt wie die Berge und unendlich vornehmer. Er meint
im Allgemeinen, daß die Welt ohne Berge bestehen könnte, aber ohne Dedlocks zu Grunde
gehen würde. Er giebt zu, daß die Natur eine gute Idee ist (vielleicht ein wenig vul-
gair, wenn'sie nicht von einem Parkzaun umschlossen ist) aber eine Idee, die in ihrer
Ausführung ganz von den großen Familien der Grafschaft abhängt. Er ist ein Gent-
leman von strengster Gewissenhaftigkeit, verabscheut alle Kleinlichkeit und Niedrigkeit, und
ist bereit, auf die kürzeste Bestellung eher jeden beliebigen Tod zu sterben, als den
geringsten Flecken auf seiner Ehre zu dulden. Er ist ein ehrenwerihcr, eigensinniger,
gerader, stolzer Mann voll grasser Vorurtheile und vollkommen unverständig.

Sir Leicester ist volle zwanzig Jahr älter als die gnädige Frau. Fünfundscchzig
erlebt er nicht wieder und vielleicht auch uicht sechsundsechzig und auch nicht sieben-
undsechzig. Er hat manchmal einen Gichtanfall, und sein Gang ist etwas steif geworden.
Er ist eine ansehnliche Erscheinung mit dem lichtgrauen Haar und Backenbart, dem seinen
Spitzenband, der reinen weißen Weste und dem immer zugeknöpften blauen Frack mit
glänzenden Knöpfen. Er ist ceremoniös und feierlich, zu allen Zeiten gegen die gnä¬
dige Frau ausnehmend höflich, und zollt ihren persönlichen Reizen die höchste Verehrung.
Seine Galanterie gegen die gnädige Frau, die sich seit dem Brautstande unveränderlich
gleich geblieben ist, ist die eine kleine Stelle Romantik und Poesie in ihm."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/47>, abgerufen am 24.07.2024.