Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Grundlage, als dos Recht, über alle öffentlichen Angelegenheiten mit Freiheit zu Wir haben also alle Kräfte daran zu setzen, damit zunächst die neuen Kam¬ Leider ist die jüngste Nachricht, die uns von der preußischen Politik zu¬ Grundlage, als dos Recht, über alle öffentlichen Angelegenheiten mit Freiheit zu Wir haben also alle Kräfte daran zu setzen, damit zunächst die neuen Kam¬ Leider ist die jüngste Nachricht, die uns von der preußischen Politik zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94321"/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> Grundlage, als dos Recht, über alle öffentlichen Angelegenheiten mit Freiheit zu<lb/> sprechen, und jedes neue Gesetz, das sie nicht billigt, verwerfen zu können, um<lb/> im Lauf einiger Zeit ein freies Staatsleben herzustellen. Dabei setzen wir freilich<lb/> immer voraus, daß eine Kammer gebildet werden kann, in der Gewissenhaftigkeit,<lb/> Ausdauer und Verstand sich mit einander paaren. Ist diese Voraussetzung nicht<lb/> gegründet, dann ist freilich die Unfähigkeit Preußens zu einem constitutionellen<lb/> Staat erwiese», dann ist aber auch noch mehr erwiesen als das. Denn ein<lb/> genialer Absolutismus in der Art des alten Fritz ist bei unsren verwickelten Ver¬<lb/> hältnissen nicht mehr denkbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Wir haben also alle Kräfte daran zu setzen, damit zunächst die neuen Kam¬<lb/> mern so. werden, daß sie die Regierung nützlich ergänzen. Unsre pessimistische<lb/> Untätigkeit würde das eben so.unmöglich macheu, wie eine über das Maß unsrer<lb/> .Kräfte hinausgehende Leidenschaft. Wir dürfen unter keinen Umständen in die<lb/> alten Illusionen verfallen, wir dürfen uns nicht mehr nach Frankfurt zurückversetzen,<lb/> uicht mehr nach Voraussetzungen rechnen, die keine Realität haben;, wir dürfen<lb/> nicht darnach fragen, was das Publicum, die Demokratie oder das Ausland von<lb/> unsrer Handlungsweise denkt, wie wir es wol zuweilen über Gebühr gethan<lb/> haben; wir müssen uns vielmehr als die Hauptaufgabe der parlamentarischen<lb/> Thätigkeit die Aufrechterhaltung des conservativen Princips gegen die umgekehrte<lb/> Revolution, gegen die Revolution von oben in das Reich des Feudalismus hin¬<lb/> ein, und die Wiedererweckung des altpreußischen Geistes vorstellen, der unter den<lb/> neuen Formen wieder der alte werden soll. Alsdann wird unsre Thätigkeit, wie<lb/> undankbar und unerquicklich sie auch im Einzelnen sein möge, doch in ihrer Wir¬<lb/> kung eine segensreiche sein, segensreich für Preußen, wie für Deutschland.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200"> Leider ist die jüngste Nachricht, die uns von der preußischen Politik zu¬<lb/> kommt, nicht geeignet, diese günstigen Erwartungen zu steigern. Daß man durch<lb/> die Unterzeichnung des Londoner Protokolls das an den Herzog von Augustenburg<lb/> verpfändete Wort und das Interesse des eigenen Staates hingiebt, ist schon sehr<lb/> schlimm, aber noch schlimmer, daß man sich gleichsam als Entschädigung dafür<lb/> die Wiederherstellung der Souverainetätsrechte in Neufchatel durch den Priuz-<lb/> Präsidentcn ausbedungen zu haben scheint. Denn der Noth des Augenblicks zu<lb/> weichen, ist mitunter auch Verhängniß des Starken, aber sich dafür kleine Vor¬<lb/> theile zu erwerben, die im Grunde uur eine Illusion sind, das ziemt sich nicht<lb/> für die Politik eines Staats, der sich gern zu den Großmächten rechnet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
Grundlage, als dos Recht, über alle öffentlichen Angelegenheiten mit Freiheit zu
sprechen, und jedes neue Gesetz, das sie nicht billigt, verwerfen zu können, um
im Lauf einiger Zeit ein freies Staatsleben herzustellen. Dabei setzen wir freilich
immer voraus, daß eine Kammer gebildet werden kann, in der Gewissenhaftigkeit,
Ausdauer und Verstand sich mit einander paaren. Ist diese Voraussetzung nicht
gegründet, dann ist freilich die Unfähigkeit Preußens zu einem constitutionellen
Staat erwiese», dann ist aber auch noch mehr erwiesen als das. Denn ein
genialer Absolutismus in der Art des alten Fritz ist bei unsren verwickelten Ver¬
hältnissen nicht mehr denkbar.
Wir haben also alle Kräfte daran zu setzen, damit zunächst die neuen Kam¬
mern so. werden, daß sie die Regierung nützlich ergänzen. Unsre pessimistische
Untätigkeit würde das eben so.unmöglich macheu, wie eine über das Maß unsrer
.Kräfte hinausgehende Leidenschaft. Wir dürfen unter keinen Umständen in die
alten Illusionen verfallen, wir dürfen uns nicht mehr nach Frankfurt zurückversetzen,
uicht mehr nach Voraussetzungen rechnen, die keine Realität haben;, wir dürfen
nicht darnach fragen, was das Publicum, die Demokratie oder das Ausland von
unsrer Handlungsweise denkt, wie wir es wol zuweilen über Gebühr gethan
haben; wir müssen uns vielmehr als die Hauptaufgabe der parlamentarischen
Thätigkeit die Aufrechterhaltung des conservativen Princips gegen die umgekehrte
Revolution, gegen die Revolution von oben in das Reich des Feudalismus hin¬
ein, und die Wiedererweckung des altpreußischen Geistes vorstellen, der unter den
neuen Formen wieder der alte werden soll. Alsdann wird unsre Thätigkeit, wie
undankbar und unerquicklich sie auch im Einzelnen sein möge, doch in ihrer Wir¬
kung eine segensreiche sein, segensreich für Preußen, wie für Deutschland.
Leider ist die jüngste Nachricht, die uns von der preußischen Politik zu¬
kommt, nicht geeignet, diese günstigen Erwartungen zu steigern. Daß man durch
die Unterzeichnung des Londoner Protokolls das an den Herzog von Augustenburg
verpfändete Wort und das Interesse des eigenen Staates hingiebt, ist schon sehr
schlimm, aber noch schlimmer, daß man sich gleichsam als Entschädigung dafür
die Wiederherstellung der Souverainetätsrechte in Neufchatel durch den Priuz-
Präsidentcn ausbedungen zu haben scheint. Denn der Noth des Augenblicks zu
weichen, ist mitunter auch Verhängniß des Starken, aber sich dafür kleine Vor¬
theile zu erwerben, die im Grunde uur eine Illusion sind, das ziemt sich nicht
für die Politik eines Staats, der sich gern zu den Großmächten rechnet.
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