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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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welcher sich durch ausgeführte oder theoretische Werke am meisten ausgezeichnet hat,
dem Geheimrath L. v. Klenze in München ertheilt.

Am 24. Mai begann der Verkauf der Gemälde aus der Galerie des Marschall
Soult in Paris. Das Hauptwerk der Sammlung: die Empfängnis? der Juiigftau
v. Murillo, für welches der Marquis v. Herford 680,000 Fr. und der Kaiser von Nu߬
land L8!z,000 Fr. geboten hatte, ward sür das Museum des Louvre sür S8K,000 Fr.
angekauft; 3 andere berühmte Gemälde: Se. Peter in Fesseln von Murillo, Jesus und
Johannes als Kinder von demselben, und Christus, das Kreuz tragend, von Sebastiano
del Piombo kamen in Besitz des Kaisers von Rußland, ersteres für 1 öl,000, das zweite
für K3,000 und das dritte für 41,000 Fras.'

Als - eine werthvolle Sammlung führen wir an: Holzschnitte berühmter
Meister, eine Auswahl von schönen, charakteristischen und seltenen Originalholzschnitten
oder Blättern, welche von den Erfindern, Malern und Zeichnern eigenhändig geschnitten
worden sind, in treuen Copien von berühmten Künstlern unsrer Zeit und als Bildwerk
zur Geschichte der Holzschneidekunst herausgegeben von Rudolph Weig et. Von dieser
Sammlung erschien so eben die sechste Lieferung (Leipzig, Weigel, 3 Holzschnitte zu
3 Thalern). Die Kopien sind mit allem Glanz der heutigen Typographie ausgestattet
und dadurch gewissermaßen salonfähig gemacht.

Ferner ist bei Schwetschke in Halle das fünfte und sechste Heft des Werkes von
Kallenbell und Jacob Schmitt: Die christliche Kirchenbaukunst des Abend¬
landes von ihren Anfängen bis zur vollendeten Durchbildung des Spitzbogenstyls,
erschienen. Die beiden Hefte enthalten aus 8 Tafeln zu 20 Silbergroschen sowol von
der griechischen, als von der mittelalterlichen Baukunst Italiens, Englands, Frankreichs
und Deutschlands verschiedene Darstellungen, die aus anderen Werken entlehnt sind.

Die Beschreibung des Domes von Xanten, vom CaplanZehe (Münster, Regens¬
burg) ist eine interessante Monographie, die durch die "Auszüge aus den Bau¬
rech nun gen der Se. Victorskirche zu Xanten" von Dr. Schollen (Berlin,
Ernst und Korn, ^ Thaler) ans eine zweckmäßige Weise ergänzt wird.

Von dem Prachtwerk: Die Bauwerke in der Lombardei vom 7. bis -ki.
Jahrhundert, gezeichnet und durch historischen Text erläutert von Friedrich Osten,
ist das sechste Heft erschienen. (Darmstadt, Leske, 6 Blätter gr. Fol. 4 Thaler.)


Literatur.

Psychologische Briefe von Erdmann. Leipzig, Karl Geibel.
Der Verfasser hatte gegen einen Freund die Behauptung aufgestellt, die scholastische Form
sei sür das philosophische Denken unumgänglich. Dieser Freund fordert ihn nun auf,
sich selber zu widerlegen, indem er in der Form von Briefen, die an ihn und seine
Schwester gerichtet sind, seine Ansichten über die Natur des menschlichen Lebens aus¬
einandersetzt. Diese Widerlegung ist ihm auch vollständig gelungen, denn es sind in
diesen Briefen eine Reihe höchst scharfsinniger, zugleich überraschender und überzeugender
Wahrnehmungen über die Dinge, die uns zunächst liegen, enthalten, Beobachtungen, die
für den Gelehrten und Umgekehrten gleich interessant und belehrcüo sind, und die von
der scholastischen Form des Denkens' Nichts weiter haben, als was durch lange Ge¬
wohnheit auch bei der tüchtigste" Natur kleben bleibt. Die Briefe verdienen die größte
Verbreitung, und es ist sehr zu bedauern, daß der Versasser durch Uebcrtrciben des
Guten derselben etwas in den Weg getreten ist. Er sucht nämlich die Popularität
nicht blos darin, daß er klar nud bestimmt das ausdrückt, was er ausdrücken will, daß er
dem Gedanken die sinnliche Anschaulichkeit giebt, daß er in den Fälle", wo ein Begriff
an sich selbst deutlicher ist, als die Definition, die Definition vermeidet, u. f. w., son¬
dern auch darin, daß er mit seinen fingirten oder wirklichen Korrespondenten tändelt
und witzelt, daß er der Dame, für die er schreibt, Galanterien sagt und die verständigsten
Bemerkungen durch Reminiscenzen aus dem Kladderadatsch unterbricht. Das ist eine
Art demagogischer Popularität, die nicht blos darum verwerflich ist, weil sie der


welcher sich durch ausgeführte oder theoretische Werke am meisten ausgezeichnet hat,
dem Geheimrath L. v. Klenze in München ertheilt.

Am 24. Mai begann der Verkauf der Gemälde aus der Galerie des Marschall
Soult in Paris. Das Hauptwerk der Sammlung: die Empfängnis? der Juiigftau
v. Murillo, für welches der Marquis v. Herford 680,000 Fr. und der Kaiser von Nu߬
land L8!z,000 Fr. geboten hatte, ward sür das Museum des Louvre sür S8K,000 Fr.
angekauft; 3 andere berühmte Gemälde: Se. Peter in Fesseln von Murillo, Jesus und
Johannes als Kinder von demselben, und Christus, das Kreuz tragend, von Sebastiano
del Piombo kamen in Besitz des Kaisers von Rußland, ersteres für 1 öl,000, das zweite
für K3,000 und das dritte für 41,000 Fras.'

Als - eine werthvolle Sammlung führen wir an: Holzschnitte berühmter
Meister, eine Auswahl von schönen, charakteristischen und seltenen Originalholzschnitten
oder Blättern, welche von den Erfindern, Malern und Zeichnern eigenhändig geschnitten
worden sind, in treuen Copien von berühmten Künstlern unsrer Zeit und als Bildwerk
zur Geschichte der Holzschneidekunst herausgegeben von Rudolph Weig et. Von dieser
Sammlung erschien so eben die sechste Lieferung (Leipzig, Weigel, 3 Holzschnitte zu
3 Thalern). Die Kopien sind mit allem Glanz der heutigen Typographie ausgestattet
und dadurch gewissermaßen salonfähig gemacht.

Ferner ist bei Schwetschke in Halle das fünfte und sechste Heft des Werkes von
Kallenbell und Jacob Schmitt: Die christliche Kirchenbaukunst des Abend¬
landes von ihren Anfängen bis zur vollendeten Durchbildung des Spitzbogenstyls,
erschienen. Die beiden Hefte enthalten aus 8 Tafeln zu 20 Silbergroschen sowol von
der griechischen, als von der mittelalterlichen Baukunst Italiens, Englands, Frankreichs
und Deutschlands verschiedene Darstellungen, die aus anderen Werken entlehnt sind.

Die Beschreibung des Domes von Xanten, vom CaplanZehe (Münster, Regens¬
burg) ist eine interessante Monographie, die durch die „Auszüge aus den Bau¬
rech nun gen der Se. Victorskirche zu Xanten" von Dr. Schollen (Berlin,
Ernst und Korn, ^ Thaler) ans eine zweckmäßige Weise ergänzt wird.

Von dem Prachtwerk: Die Bauwerke in der Lombardei vom 7. bis -ki.
Jahrhundert, gezeichnet und durch historischen Text erläutert von Friedrich Osten,
ist das sechste Heft erschienen. (Darmstadt, Leske, 6 Blätter gr. Fol. 4 Thaler.)


Literatur.

Psychologische Briefe von Erdmann. Leipzig, Karl Geibel.
Der Verfasser hatte gegen einen Freund die Behauptung aufgestellt, die scholastische Form
sei sür das philosophische Denken unumgänglich. Dieser Freund fordert ihn nun auf,
sich selber zu widerlegen, indem er in der Form von Briefen, die an ihn und seine
Schwester gerichtet sind, seine Ansichten über die Natur des menschlichen Lebens aus¬
einandersetzt. Diese Widerlegung ist ihm auch vollständig gelungen, denn es sind in
diesen Briefen eine Reihe höchst scharfsinniger, zugleich überraschender und überzeugender
Wahrnehmungen über die Dinge, die uns zunächst liegen, enthalten, Beobachtungen, die
für den Gelehrten und Umgekehrten gleich interessant und belehrcüo sind, und die von
der scholastischen Form des Denkens' Nichts weiter haben, als was durch lange Ge¬
wohnheit auch bei der tüchtigste» Natur kleben bleibt. Die Briefe verdienen die größte
Verbreitung, und es ist sehr zu bedauern, daß der Versasser durch Uebcrtrciben des
Guten derselben etwas in den Weg getreten ist. Er sucht nämlich die Popularität
nicht blos darin, daß er klar nud bestimmt das ausdrückt, was er ausdrücken will, daß er
dem Gedanken die sinnliche Anschaulichkeit giebt, daß er in den Fälle», wo ein Begriff
an sich selbst deutlicher ist, als die Definition, die Definition vermeidet, u. f. w., son¬
dern auch darin, daß er mit seinen fingirten oder wirklichen Korrespondenten tändelt
und witzelt, daß er der Dame, für die er schreibt, Galanterien sagt und die verständigsten
Bemerkungen durch Reminiscenzen aus dem Kladderadatsch unterbricht. Das ist eine
Art demagogischer Popularität, die nicht blos darum verwerflich ist, weil sie der


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[0411] welcher sich durch ausgeführte oder theoretische Werke am meisten ausgezeichnet hat, dem Geheimrath L. v. Klenze in München ertheilt. Am 24. Mai begann der Verkauf der Gemälde aus der Galerie des Marschall Soult in Paris. Das Hauptwerk der Sammlung: die Empfängnis? der Juiigftau v. Murillo, für welches der Marquis v. Herford 680,000 Fr. und der Kaiser von Nu߬ land L8!z,000 Fr. geboten hatte, ward sür das Museum des Louvre sür S8K,000 Fr. angekauft; 3 andere berühmte Gemälde: Se. Peter in Fesseln von Murillo, Jesus und Johannes als Kinder von demselben, und Christus, das Kreuz tragend, von Sebastiano del Piombo kamen in Besitz des Kaisers von Rußland, ersteres für 1 öl,000, das zweite für K3,000 und das dritte für 41,000 Fras.' Als - eine werthvolle Sammlung führen wir an: Holzschnitte berühmter Meister, eine Auswahl von schönen, charakteristischen und seltenen Originalholzschnitten oder Blättern, welche von den Erfindern, Malern und Zeichnern eigenhändig geschnitten worden sind, in treuen Copien von berühmten Künstlern unsrer Zeit und als Bildwerk zur Geschichte der Holzschneidekunst herausgegeben von Rudolph Weig et. Von dieser Sammlung erschien so eben die sechste Lieferung (Leipzig, Weigel, 3 Holzschnitte zu 3 Thalern). Die Kopien sind mit allem Glanz der heutigen Typographie ausgestattet und dadurch gewissermaßen salonfähig gemacht. Ferner ist bei Schwetschke in Halle das fünfte und sechste Heft des Werkes von Kallenbell und Jacob Schmitt: Die christliche Kirchenbaukunst des Abend¬ landes von ihren Anfängen bis zur vollendeten Durchbildung des Spitzbogenstyls, erschienen. Die beiden Hefte enthalten aus 8 Tafeln zu 20 Silbergroschen sowol von der griechischen, als von der mittelalterlichen Baukunst Italiens, Englands, Frankreichs und Deutschlands verschiedene Darstellungen, die aus anderen Werken entlehnt sind. Die Beschreibung des Domes von Xanten, vom CaplanZehe (Münster, Regens¬ burg) ist eine interessante Monographie, die durch die „Auszüge aus den Bau¬ rech nun gen der Se. Victorskirche zu Xanten" von Dr. Schollen (Berlin, Ernst und Korn, ^ Thaler) ans eine zweckmäßige Weise ergänzt wird. Von dem Prachtwerk: Die Bauwerke in der Lombardei vom 7. bis -ki. Jahrhundert, gezeichnet und durch historischen Text erläutert von Friedrich Osten, ist das sechste Heft erschienen. (Darmstadt, Leske, 6 Blätter gr. Fol. 4 Thaler.) Literatur. Psychologische Briefe von Erdmann. Leipzig, Karl Geibel. Der Verfasser hatte gegen einen Freund die Behauptung aufgestellt, die scholastische Form sei sür das philosophische Denken unumgänglich. Dieser Freund fordert ihn nun auf, sich selber zu widerlegen, indem er in der Form von Briefen, die an ihn und seine Schwester gerichtet sind, seine Ansichten über die Natur des menschlichen Lebens aus¬ einandersetzt. Diese Widerlegung ist ihm auch vollständig gelungen, denn es sind in diesen Briefen eine Reihe höchst scharfsinniger, zugleich überraschender und überzeugender Wahrnehmungen über die Dinge, die uns zunächst liegen, enthalten, Beobachtungen, die für den Gelehrten und Umgekehrten gleich interessant und belehrcüo sind, und die von der scholastischen Form des Denkens' Nichts weiter haben, als was durch lange Ge¬ wohnheit auch bei der tüchtigste» Natur kleben bleibt. Die Briefe verdienen die größte Verbreitung, und es ist sehr zu bedauern, daß der Versasser durch Uebcrtrciben des Guten derselben etwas in den Weg getreten ist. Er sucht nämlich die Popularität nicht blos darin, daß er klar nud bestimmt das ausdrückt, was er ausdrücken will, daß er dem Gedanken die sinnliche Anschaulichkeit giebt, daß er in den Fälle», wo ein Begriff an sich selbst deutlicher ist, als die Definition, die Definition vermeidet, u. f. w., son¬ dern auch darin, daß er mit seinen fingirten oder wirklichen Korrespondenten tändelt und witzelt, daß er der Dame, für die er schreibt, Galanterien sagt und die verständigsten Bemerkungen durch Reminiscenzen aus dem Kladderadatsch unterbricht. Das ist eine Art demagogischer Popularität, die nicht blos darum verwerflich ist, weil sie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/411>, abgerufen am 04.07.2024.